Städte und Dörfer in ganz Shanxi führen spezielle Maßnahmen als Teil des landesweiten „Kampfes zur Beseitigung von Bandenkriminalität und Auslöschung des Bösen“ ein. Ausgegeben als eine Kampagne gegen organisierte Kriminalität stellt sie jedoch eine weitere Initiative von Präsident Xi dar, die auf religiöse Gruppen und Kirchen abzielt.
Die im Januar dieses Jahres begonnene Kampagne zur „Säuberung von Banden“ wurde aktiv in Provinzen in ganz China eingeführt. Im ersten Monat seit ihrer Einführung wurden mehr als 10 000 Personen verhaftet. Die Behörden behaupten, dass der Anti-Banden-Einsatz dazu diene, „die politische Macht auf Basisebene zu stärken“, mit weitreichender Vollmacht für den Vollzug von Gesetzen und für örtliche Verwaltungen.
Die Zentralabteilung Vereinigte Arbeitsfront (UFWD) der Stadt Linfen in der nördlichen Provinz Shanxi hielt am 12. September eine Dringlichkeitssitzung ab, die von örtlichen Vertretern der fünf genehmigten Religionen besucht wurde. Die Teilnehmer wurden informiert, dass ab Oktober alle Bezirke, Viertel und Dörfer eine speziell für die Kampagne „zur Beseitigung von Bandenkriminalität und Auslöschung des Bösen“ vorgesehene Institution einrichten und einen Informationsbeamten zur Beobachtung „nicht offizieller“ religiöser Orte und ihrer Gemeinden benennen müssen. Alle religiösen Gruppen auf der Liste der Xie Jiao (häretische Lehren) und Treffpunkte für Kirchen, die nicht von der Regierung genehmigt sind, werden zu Hauptzielen der Kampagne ernannt. Die Behörden verlangten auch die Zerschlagung der südkoreanischen religiösen Mission in der Provinz.
Am 18. September versammelte das kommunistische Parteikomitee einer der Dörfer in Linfen alle seine Mitglieder zu einer Sitzung, bei der der Parteisekretär des Dorfes die Nachricht wiederholte, dass die Kampagne „zur Beseitigung von Bandenkriminalität und Auslöschung des Bösen“ hauptsächlich dazu diene, Gläubige zu verhaften. Die dreijährige Kampagne hat spezifische Ziele, die jedes Jahr erreicht werden sollen: 2018 ist der Bedrohung der „Symptome“ gewidmet, 2019 der Beschäftigung mit den „zugrunde liegenden Gründen“ und 2020 soll die „Wurzel“ der Sache gelöst werden. Alle Parteimitglieder wurden aufgefordert, eine Garantieerklärung zur Bestätigung zu schreiben, dass niemand in ihrer Familie an Gott glaube. Zwei junge Männer wurden angestellt, um die Bewegung von Nichtbewohnern im Dorf zu überwachen, und Parteikader wurden bestellt, um Fotos von allen Personen zu machen, die verdächtig waren, einen religiösen Glauben zu haben, und dem Dorfkomitee über solche Fälle zu berichten.
Ein Dorfkomitee im Gebiet der Stadt Yuncheng stellte einen Offenen Brief über die Beseitigung von Bandenkriminalität und Auslöschung des Bösen an die Dorfbewohner aus und forderte diese auf, eine „Anti- Xie Jiao-Verpflichtungskarte“ zu unterschreiben.
Die Kampagne schließt auch geschäftliche und staatliche Institutionen mit ein. An Krankenhäuser und Kliniken in jeder Stadt von Linfen wurden Quoten ausgegeben: Mindestens eine Person, die an Gott glaubt, sollte pro Woche gemeldet werden. Gläubige des Islam, des Allmächtigen Gottes oder Falun Gong wurden als Ziele bezeichnet, die „weggefegt“ werden sollten.
Der Leiter einer Schule in der Stadt Yuncheng teilte allen Lehrern mit, dass die Regierung fordere, dass alle „dunklen und bösen Kräfte“, einschließlich der Gläubigen, innerhalb von drei Jahren gereinigt werden sollten. Es ist Lehrern und Schülern verboten, an Gott zu glauben; wenn irgendjemand entdeckt, dass ein Freund oder Verwandter ein Gläubiger ist, sollten sie diese sofort den Behörden melden. Den Schülern der Schule zufolge schrieben die Lehrer „Beseitigung von Bandenkriminalität und Auslöschung des Bösen“ in allen Klassenzimmern an die Tafeln und fragten die Schüler, ob irgendjemand in ihren Familien gläubig sei.
Die Behörden haben eine Reihe von Berichtsmethoden zur Implementierung der Kampagne eingerichtet, einschließlich Textnachrichten, WeChat-Gruppen und schriftlichen Berichten.
Menschenrechtsaktivisten befürchten, dass die aktuelle Anti-Banden-Kampagne sich zu einer weiteren ideologischen und politischen Unterdrückung durch die chinesischen Behörden entwickeln wird, so wie 2009 die berüchtigten Prozesse in der südwestlichen Stadt Chongqing oder Chinas erstes großes nationales Vorgehen gegen Verbrechen, das 1983 gestartet wurde.
Deng Xiaoping, der Drahtzieher der Kampagne in den 80er-Jahren, führte sie in bester Tradition der chinesischen Revolution ein: Öffentliche Prozesse und Hinrichtungen sogar für kleine Vergehen. Um der Politik der Partei gerecht zu werden, überschlugen sich die örtlichen Verwaltungen in der Anzahl der Verhaftungen und verurteilten manchmal unschuldige Menschen zum Tode, um mit betrügerischen Behauptungen Erfolge im Kampf gegen die Kriminalität verkünden zu können.
Als „Chinas Prozess des 21. Jahrhunderts“ beschrieben, wurde das Vorgehen gegen angeblich organisierte Banden in Chongqing später als ein Mittel, sich politischer Gegner des Parteichefs der Stadt Bo Xilai zu entledigen, und als eine Menge berichteter Fälle von Folter kritisiert.
Bericht von Feng Gang