An diesem Tag, dem 11. September, verschwanden ihre Schwester und ihre Tante – sechs Tage nachdem die bekannte uigurische Aktivistin das Verschwinden zahlreicherer anderer, auch einiger Säuglinge, angeprangert hatte.
Marco Respinti
Zum ersten Mal traf ich Rushan Abbas in Genf und zwar an dem Tag, an dem vor dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen das Allgemeine Periodische Überprüfungsverfahren gegen China stattfand. Mich beeindruckte das Plakat, das sie trug, auf dem das Bild einer uigurischen Dame mittleren Alters abgebildet war und auf dem stand: „Wo ist meine Schwester? Sie ist promovierte Ärztin, sie braucht keine Berufsausbildung.“ Die Masseninternierungslager in Xinjiang sind nämlich offiziell als „Transformation durch Bildung“-Lager bekannt, und obwohl die Menschen dort gefoltert werden und sterben, behauptet die Kommunistische Partei Chinas (KPCh), dass sie diesen eine „Berufsausbildung“ zukommen lasse, um sie von religiösem Extremismus zu heilen.
Rushan ist in keinster Weise extremistisch. Sie ist Uigurin, Muslimin und ein freundlicher Mensch. Sie hat – trotz der Mängel des Westens – eine hohe Meinung von der westlichen Welt, in der sie mittlerweile lebt. Im Westen kämpft sie für die Menschenrechte ihres Volkes. Eigentlich war sie bereits in ihrem Heimatland eine Menschenrechtsaktivistin, doch ihre Auftritte in den USA machten sie weltberühmt – und hatten schmerzhafte Folgen.
Die ehemalige Studentenaktivistin an der Universität von Xinjiang (1985-1988) und stellvertretende Vorsitzende der studentischen Wissenschafts- und Kulturvereinigung (1987) hatte bereits damals an Demonstrationen für Demokratie teilgenommen. Die Vereinigung war von dem derzeitigen Vorsitzenden des Weltkongresses der Uiguren, Dolkun Isa, ins Leben gerufen worden, mit dem sie seitdem immer eng zusammengearbeitet hat. 1993 gründete Abbas gemeinsam mit anderen die erste uigurische Organisation in den USA, die in Kalifornien ansässige Tengritagh Overseas Students and Scholars Association, deren erste stellvertretende Vorsitzende sie war. Die Satzung und die Regelungen, an deren Entwurf sie später beteiligt war, spielten eine wichtige Rolle bei der Gründung der Uigur-amerikanischen Vereinigung (UAA) im Jahr 1998, die vom National Endowment for Democracy finanziert wird. Abbas wurde für zwei Amtszeiten in Folge zur stellvertretenden Vorsitzenden der UAA gewählt. Als der US-Kongress 1998 den uigurischen Sprachendienst bei dem in Washington D.C. ansässigen Radio Free Asia finanzierte, war sie die erste uigurische Reporterin und Nachrichtensprecherin, die täglich Nachrichten in die uigurische Region sendete.
Von 2002-2003 unterstützte Abbas die Operation Enduring Freedom in der Guantanamo-Bucht (Cuba) als Sprachexpertin. Sie informierte Mitglieder des US-Kongresses und Beamte des Außenministeriums regelmäßig über die Menschenrechtssituation der Uiguren sowie ihre Geschichte und Kultur und organisierte Zeugenaussagen vor Kongressausschüssen und Menschenrechtskommissionen. Außerdem stellte sie ihr Wissen auch anderen Staats- und Militärbehörden zur Verfügung und nahm 2007 an dem Treffen zwischen dem damaligen US-Präsidenten George W. Bush und der weltberühmten moralischen Uigurenführerin Rebiya Kadeer in Prag teil. Später in demselben Jahr informierte sie auch die damalige First Lady, Laura Bush, im Weißen Haus über die Menschenrechtssituation in Xinjiang, einer geographischen Bezeichnung der Chinesen, der die Uiguren die Bezeichnung „Ostturkestan“ vorziehen.
Als sich die Situation in Xinjiang weiter verschlechterte, rief Abbas die Kampagne für Uiguren zur Förderung der Menschenrechte und demokratischen Freiheiten ins Leben.
Wenn man Guantanamo hört, denkt man an Terrorismus und Internierung. Wie kam es dazu, dass Sie dort tätig waren?
Meine Tätigkeit im Gefangenenlager Guantanamo, dem Militärgefängnis auf dem Stützpunkt der US-Navy an der Küste Kubas, der allgemein auch als „Gitmo“ bekannt ist, stand im Zusammenhang mit der Geschichte der 22 Uiguren, die dort nach den Ereignissen in Ghulja festgehalten wurden. Anfang Februar 1997 brachen im Uigurischen Autonomen Gebiet Xinjiang in der Kreisstadt Ghulja Proteste aus, nachdem 30 uigurische Unabhängigkeitsaktivisten, die gegen die Unterdrückung der nationalen Identität der Uiguren protestiert hatten, hingerichtet worden waren. Nach zwei Tage andauernden Demonstrationen löste die Polizei am 5. Februar die Protestmärsche gewaltsam auf und eröffnete das Feuer. Nach offiziellen Regierungsangaben wurden an jenem Tag neun Menschen erschossen, während wir von Schätzungen von 100 bis 176 Toten ausgehen. Später wurden geschätzt weitere 1600 Menschen festgenommen. Den 22 Uiguren, von denen ich berichte, gelang die Flucht aus China in die angrenzenden Länder Mittelasiens.
Doch jenseits der Grenze wartete schon die nächste Hürde auf sie: Die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ). Am 15. Juni 2001 hatten die Führer Chinas, Kasachstans, Kirgisistans, Russlands, Tadschikistans und Usbekistans in Shanghai (China), die Gründung eines eurasischen Bündnisses für Politik, Wirtschaft und Sicherheit bekanntgegeben. Die SOZ-Vereinbarungen wurden im Juni 2002 unterzeichnet und traten am 19. September 2003 in Kraft (am 8. Juni 2017 traten auch Indien und Pakistan bei). In diesen Vereinbarungen wird auch eine Zusammenarbeit gegen Terrorismus festgelegt, wobei „Terrorismus“ von dem Land definiert wird, welches die Macht hat, seine Definition gegenüber den anderen durchzusetzen. Im Grunde genommen bedeutet dieses Bündnis, dass die zentralasiatischen Länder in Hinblick auf die Uiguren immer das tun, was die chinesische Regierung von ihnen verlangt, nämlich sie festnehmen und ausweisen.
Also mussten die 22 Uiguren, denen es gelungen war, den Ereignissen in Ghulja zu entfliehen, weiter flüchten. Sie kamen nach Pakistan und Afghanistan – die einzigen Länder in der Region, die Schutz boten und für die, im Gegensatz zur Türkei, Kanada oder die USA, kein Visum nötig war. Der Albtraum begann nach dem 11. September, als die US-Armee in Afghanistan einfiel. Als die Uiguren versuchten, aus dem Kriegsgebiet zu entkommen, wurden sie von pakistanischen Kopfgeldjägern ergriffen und als ausländische Kämpfer für jeweils 5000 USD an die US-Behörden verkauft. Dabei handelte es sich jedoch um ein abgekartetes Spiel Chinas, das sie fälschlicherweise zu Terroristen erklärt hatte. So kamen sie nach Guantanamo. Nach umfassenden Untersuchungen in den Jahren 2002-2003 kam die US-Regierung zu dem Schluss, dass die Terrorismusvorwürfe gegen sie falsch waren und dass sie keine Gefahr für die USA oder deren Verbündete darstellten. Doch nun bestand das neue große Probleme darin, ein Land zu finden, in das sie gehen konnten. Die chinesische Regierung übte Druck auf die anderen Länder aus, der Wiederansiedelung dieser Uiguren aus Gitmo nicht zuzustimmen. Aus diesem Grund blieben die 22 fälschlicherweise angeklagten Gefangenen weitere Jahre (von vier bis zu elf Jahren) in Gitmo.
Als in den USA lebende Uigurin wurde ich Anfang 2002 bis Ende Dezember desselben Jahres von einer der vom US-Verteidigungsministerium beauftragten Firmen, die in den Krieg in Afghanistan verwickelt waren, als Dolmetscherin nach Gitmo geholt. Danach verließ ich den Stützpunkt, aber im April 2003 wurde ich aufgefordert, erneut für zwei Monate zurückzukehren, sodass ich insgesamt elf Monate Vollzeit auf dem Stützpunkt gearbeitet habe. 2006 gehörte ich zum Verteidigerteam der 22 Uiguren, die eine Habeas corpus-Petition (einen Antrag auf richterliche Haftprüfung) eingereicht hatten, da ihre Inhaftierung zeitlich nicht begrenzt wurde. Die Staatsanwälte und ich arbeiteten eng mit der Regierung unter Obama zusammen, um ihre Wiederansiedelung zu erwirken, und konnten sie schließlich nach Albanien, auf die Bermudas, nach Palau, in die Schweiz, nach El Salvador und nach Slowenien schicken. Mittlerweile sind sie alle frei, die Gerechtigkeit hat gesiegt. Patricio Henriquez, der in Kanada lebende preisgekrönte chilenische Filmemacher, hat diese unglaubliche Geschichte unter dem Titel Uyghurs: Prisoners of the Absurd (deutsch: Uiguren – Gefangene des 11. September) verfilmt. Die Premiere fand am 10. Oktober 2014 auf dem Festival du nouveau cinéma statt. Ich komme auch in dem Film vor, weil ich Teil der Geschichte bin. Später wurde der Film auch bei weiteren internationalen Dokumentarfilm-Festivals in Großbritannien, den Niederlanden und in Prag gezeigt und wurde sowohl bei Dokumentarfilm-Festivals in der Türkei als auch in Taiwan zum Eröffnungsfilm.
Sie wurden in Xinjiang geboren und haben dort studiert. Welche Erinnerung haben Sie an Ihr Leben als Uigurin zu dieser Zeit dort?
Ich bin in der Hauptstadt Xinjiangs, Urumqi, geboren und aufgewachsen und habe die Region 1989 verlassen. Meine Kindheits- und Jugenderinnerungen an die Heimat sind reich und farbig, voller uigurischer Kultur nach der dunklen Zeit der großen maoistischen Kulturrevolution. Das waren ungefähr zehn Jahre, die ich sehr genossen habe.
Was hat Sie dann in die USA gebracht und warum haben Sie sich entschieden, dort zu bleiben?
Ich kam am 9. Mai 1989 in die USA, um meinen Master zu machen. Zunächst war ich Gastwissenschaftlerin am Irrigated Agricultural Research and Extension Center der Washington State-Universität in Prosser (Washington), dann wurde ich zum Abschluss am Plant Pathology Department zugelassen. Warum ich mich entschlossen habe, in den USA zu bleiben? Weil am 4. Juni 1989 – kurz nach meiner Ankunft – das von der KPCh angeordnete Massaker am Platz des Himmlischen Friedens stattfand. Ich sah die Panzer rollen und wie Schüsse fielen – das war genug Grund, um nicht dorthin zurückzukehren.
Wann begannen Sie mit Ihrem Einsatz für die Menschenrechte der verfolgten Uiguren?
Ich bin seit meiner Studienzeit an der Universität von Xinjiang in Urumqi Menschenrechtsaktivistin. In den USA begann ich aktiv zu werden, als es in den 1990er-Jahren in Xinjiang immer häufiger zu Aufständen und Vorfällen kam, bei denen Uiguren starben.
Eine beeindruckende Initiative von Ihnen ist „One Voice One Step“. Können Sie uns mehr darüber erzählen?
Ab April 2017 begann sich die Lage in Xinjiang rasant zu verschlechtern, doch die internationale Gemeinschaft, die internationalen Medien und Regierungen blieben stumm. Es gab fürchterliche Gräueltaten und die ganze Welt schaute weg. Mit Hilfe der Uigurischen Akademie – die am 9. September 2009 in Istanbul gegründet wurde, um die Wissenschaft und Bildung der Uiguren voranzubringen – und meines Bruders Dr. Rishat Abbas – Ehrenvorsitzender der Uigurischen Akademie, leitender Berater des Weltkongresses der Uiguren sowie Mitbegründer der uigur-amerikanischen Vereinigung und dem uigurischen Menschenrechtsprojekt – organisierte die Drexel-Universität in Philadelphia im Oktober 2017 eine Wissenschaftskonferenz, zu der ich als Teilnehmerin am Diskussionsforum geladen war. Ziel der Konferenz war es, Möglichkeiten zu finden, wie man die Aufmerksamkeit der wichtigsten Nachrichtenagenturen auf die mittlerweile offiziell als „Transformation durch Bildung“-Lager bezeichneten Internierungslager in Xinjiang lenken und die Uiguren international in die Menschenrechtsbewegung einbinden könnte. Im Januar 2018 brachte ich die Idee ein, weltweit Proteste zu organisieren und dabei alle uigurischen Organisationen und Aktivisten im Ausland mit einzubinden. Dann kam mir der Gedanke, dass es für internationale Medienaufmerksamkeit sorgen könnte, wenn Frauen diese Proteste anführten. Also sprach ich rund um den Globus uigurische Frauen an und stellte eine kleine Beratungsgruppe zusammen, um die Einzelheiten zu planen. Dabei kam dann die WhatsApp-Gruppe „One Voice One Step“ (OVOS) heraus, was wiederum der Name für eine Initiative meiner Organisation wurde. Die Kampagne für Uiguren, „OVOS“, vermittelte eine klare Botschaft: „Vereint unsere Stimmen und lasst uns einen Schritt zusammen mit allen uigurischen Organisationen und Aktivisten im Ausland machen – gegen die Gräueltaten, die in unserer Heimat geschehen.“ Das Ergebnis war, dass wir am 15. März, am Tag der 62. Sitzung der UN-Frauenrechtskommission in New York, eine Demonstration vor dem UN-Hauptquartier und später Proteste vor der chinesischen Vertretung bei den Vereinten Nationen durchführten. Am selben Tag fanden überall auf der Welt Solidaritätskundgebungen statt – insgesamt 22 Stunden lang in 18 Städten und 14 Ländern, in Australien, Belgien, Kanada, Frankreich, Finnland, Deutschland, den Niederlanden, Norwegen, Schweden, der Schweiz, der Türkei, Japan und Großbritannien.
In Xinjiang lebende Verwandte von Ihnen sind verschwunden…
Meine Schwiegerfamilie in der Stadt Hotan ist verschwunden: Ein Bauer und seine Frau, 69 und 71 Jahre alt. Drei ihrer Töchter und eine Schwiegertochter und deren Männer sind verschwunden. Seit April 2017 konnten mein Mann Abdulhakim Idris und ich nichts über deren Verbleib herausfinden. Wir befürchten, dass sie alle in die berüchtigten Lager gekommen sind. Wir haben keine Ahnung, wo sich die 14 Nichten und Neffen meines Ehemannes, die zwischen 3 und 22 Jahre alt sind, zurzeit befinden. Vielleicht wurden sie in Waisenhäuser im Landesinneren Chinas geschickt. Wir haben auch gehört, dass Abdurehim Idris, mein Schwager, zu 20 Jahren Haft verurteilt wurde. Ich habe daraufhin beschlossen, die von der chinesischen Regierung in Xinjiang begangenen Gräueltaten, das Schicksal meiner Schwiegerfamilie und die Zustände in den Lagern als Teilnehmerin an einem Diskussionsforum auf einer Konferenz des Hudson-Instituts in Croton-on-Hudson (New York) am 5. September 2018 vorzutragen. Sechs Tage später, am 11. September, verschwanden sowohl meine Schwester Dr. Gulshan Abbas als auch meine Tante. Entfernte Verwandte haben mir berichtet, dass meine Tante mittlerweile wieder freigelassen wurde, aber es gibt immer noch keine Spur von meiner Schwester.
Denken Sie, dass die beiden wegen Ihres Einsatzes für Religionsfreiheit und Menschenrechte festgenommen worden sind?
Sowohl meine Schwester als auch meine Tante sind ungewöhnliche Zielpersonen. Sie sind nicht berühmt – keine Dozenten, Schriftsteller oder Dichter. Keine von beiden ist jemals in ein muslimisches Land gereist und beide sprechen fließend Chinesisch. Ich erzähle das, weil Uiguren oft zur Zielscheibe werden, wenn sie ins Ausland reisen (unter dem Verdacht von „geheimen Absprachen“ mit „Terroristen“ und „ausländischen Mächten“), oder wenn sie kein Mandarin sprechen (was von der chinesischen Zentralregierung entweder als Zeichen von unwissender Rückwärtsgewandtheit oder von nationalistischer Rebellion gedeutet wird). Meine Schwester hat als Ärztin in einem staatlichen Krankenhaus gearbeitet. Weder sie noch meine Tante erfüllen irgendeines der üblichen Kriterien für die sogenannten „Berufsbildungszentren“, d.h., die Internierungslager. Ich kann also mit Sicherheit sagen, dass der einzige Grund für ihre Festnahme „Sippenhaft“ ist: Sie wurden Opfer der KPC-Repressalien, weil ich in den USA politisch aktiv bin.
Präsident Xi Jinpings Vorgehen gegen alle Religionen ist ausgesprochen hart. Ist dies ein neuer Ansatz, oder ein dauerhaftes Phänomen?
Dieses so extreme gleichzeitige Vorgehen gegen Uiguren und Muslime ist eine Neuheit von Xi Jinpings Regime. Der Grund dafür ist sein überwältigender Traum von der Weltherrschaft. Heute ist die gesamte Bevölkerung Ostturkestans Opfer von Xis „Ein Gürtel-eine Straße-Initiative“ – dieser grandiosen, aufoktroyierten Entwicklungsstrategie, in deren Rahmen die chinesische Regierung Infrastruktur- und Investitionsmaßnahmen überall in Asien, Europa und Afrika ergreift. Das Ganze wurde zur „Neuen Seidenstraße“ umfirmiert und ist die Endlösung für den chinesischen Weltreichstraum „Made in China 2025“. Dies ist die erste Phase des dreiphasigen Plans, der bis 2049 China zur weltweit führenden Produktions- und Technologiemacht führen und die Globalisierung auf „chinesische Art“ neu definieren soll. Dr. Michael Pillsbury, Leiter des Center on Chinese Strategy des Hudson-Instituts, beschreibt dies deutlich in seinem Buch The Hundred-Year Marathon: China’s Secret Strategy to Replace America as the Global Superpower (New York: St. Martin’s Griffin, 2015). Das besetzte Ostturkestan liegt im strategischen Herzen dieses Plans zur Weltherrschaft.
Abgesehen davon versucht die Regierung seit der Besetzung Ostturkestans 1949 durch den Vorsitzenden Mao, schonungslos die uigurische Kultur und Religion zu zerstören. Die Uiguren wurden unter dem Vorwand, sie seien „Nationalisten“, „Konterrevolutionäre“ und „Separatisten“ verfolgt. Nach den tragischen Ereignissen des 11. September, nannten die kommunistischen Behörden ihr Vorgehen in „Kampf gegen den Terrorismus“ um. Das gesamte Gebiet Xinjiang wird so gebrandmarkt. Die Bestrafung erfolgt kulturell und kollektiv. Millionen Menschen werden festgenommen und ohne einer tatsächlichen Straftat angeklagt zu werden festgehalten. Kreise, Stadtviertel und Nachbarschaften müssen ihre Quoten erfüllen. China bezeichnet jeglichen Widerstand als „islamistischen Terror“ und baut aus diesem Vorwand einen Überwachungsstaat auf, der auf DNA-Entnahmen, allgegenwärtigen Überwachungskameras, Gesichtserkennungssoftware und GPS-Peilsendern auf Fahrzeugen beruht. Ganz Xinjiang wurde zum Polizeistaat.
In den USA steht man den Uiguren sehr wohlwollend gegenüber. Der US-Kongress-Exekutivausschuss zu China wirft unter dem Vorsitz von Senator Marco Rubio und dem stellvertretenden Vorsitz des Abgeordneten Christopher H. Smith Licht auf die Situation in China und hört immer wieder Zeugenaussagen von verfolgten Muslimen aus Xinjiang an. Was erwarten Sie davon?
Meiner Meinung nach beruhen das Wohlwollen der USA und die Unterstützung der Uiguren durch US-Politiker auf einer aufrichtigen Menschenrechtsperspektive. Wenn es um die Uiguren ging, haben sich die USA bislang immer auf die Seite der Gerechtigkeit und dessen, was richtig war, gestellt. Aus diesem Grund hoffe ich sehr, dass starke und wichtige Maßnahmen erfolgen. Zum Beispiel Sanktionen gemäß dem Magnitsky-Gesetz gegen chinesische Regierungsvertreter, die für solche schrecklichen Gräueltaten und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantwortlich sind. Ich wünsche mir auch Unterstützung für den Mitte November 2018 von den Senatoren Rubio und Robert Menendez – beides hochrangige Mitglieder des Senatsausschusses für Außenbeziehungen – sowie dem Abgeordneten Smith eingebrachten Uyghur Human Rights Policy Act. Und ich wünsche mir, dass Untersuchungsteams in die Region geschickt und die uigurischen Sendezeiten bei Radio Free Asia verlängert werden, da dies von grundlegender Bedeutung dafür ist, dass diese Massenfestnahmen etc. aufgedeckt werden und darüber berichtet wird. Berichte über die tatsächlichen Zustände in der Region werden durch Informationssperren und Medienzensur durch die kommunistische Regierung in Peking behindert, um so die öffentliche Meinung zu manipulieren.
Viele Menschen denken, es bestünde eine natürliche Feindschaft zwischen den Muslimen und den USA, aber der Fall der Uiguren beweist das Gegenteil…
Die Regierung und die Gesetzgeber der USA haben die demokratischen Bestrebungen der Uiguren immer sehr unterstützt, angefangen von der Finanzierung des bereits erwähnten uigurischen Sprachendiensts beim Radio Free Asia 1998 bis hin zur Aufklärung des Falles der 22 Uiguren in Guantanamo und deren Freilassung. Das waren Wendepunkte, die zu einer solch tröstlichen Beziehung geführt haben. Ich glaube, dass die US-Regierung und die Bevölkerung der USA endlich das üble Ziel der kommunistischen Regierung Chinas als solches erkennen. Chinas Nationalismus ist nicht nur darauf ausgerichtet, die USA als globale Supermacht zu ersetzen, sondern das Ziel besteht darin, Demokratie und Freiheit in der Welt durch eine totalitäre Philosophie und ein totalitäres System zu ersetzen. Die entsetzliche Situation in Xinjiang ist beispiellos. Wenn die Welt dem fürchterlichen Wüten des kommunistischen Chinas nichts entgegensetzt, wird Dunkelheit über die Welt hereinbrechen. Massenüberwachungen, Unterdrückung und Gräueltaten werden das Ende der freien Welt bedeuten, die wir heute kennen.