Die Behörden in Hubeis Provinzhauptstadt unterdrücken weiterhin die Religion unter dem Vorwand, vor den Militärweltspielen die „Stadt zu säubern“.
von Cai Congxin
Bitter Winter hat bereits darüber berichtet, wie die Behörden in Wuhan, der Hauptstadt der Zentralprovinz Hubei, vor den Sommer-Militärweltspielen religiöse Versammlungsstätten schließen und die Stadt „verschönern“, indem sie Mietshäuser und Geschäfte zerstören. In Wuhan gibt es eine recht große buddhistische Gemeinde und die Stadtregierung hat angeordnet, jeden Tempel in der Gegend vor den Spielen zu schließen – selbst, wenn die Andachtsstätten Genehmigungen für religiöse Aktivitäten besitzen. Die Behörden wiesen an, dass alle buddhistischen Statuen entfernt und die Tempel Weiß gestrichen werden müssen. Die Mönche und Nonnen sollen verschwinden.
Tempel wegen seiner leuchtend bunten Farben dem Erdboden gleichgemacht
Am Abend des 29. März wurde die Gegend rund um den Xi-Tempel im Wuhaner Stadtbezirk Huangpi abgesperrt, um die Menschen daran zu hindern, sich dem Tempel zu nähern. Kurz darauf machte ein Bagger die Haupthalle des Tempels dem Erdboden gleich.
„Die Militärweltspiele sind ein wichtiges Ereignis, zu dem Teilnehmer aus aller Welt kommen. Die Farben der Halle waren so leuchtend bunt, dass sie nicht mit den Häusern in der Umgebung harmonierten – das hat das Aussehen der Stadt beeinträchtigt. Aus diesem Grund musste sie abgerissen werden. Das ist Regierungspolitik“, erklärte ein lokaler Beamter den Grund für den Abriss.
Doch ein Buddhist aus der Gegend erklärte Bitter Winter, dass die Farben des Gebäudes nicht der eigentliche Grund für den Abriss des Tempels gewesen seien, und, dass der Abriss auch nichts mit dem Stadtbild zu tun habe – vielmehr sei er Teil der Regierungskampagne zur Unterdrückung der Religion. Der Gläubige berichtete auch, dass die Haupthalle des Tempels 2017 erbaut worden sei und über zwei Millionen Renminbi (ungefähr 260 000 EUR) gekostet habe. Das Geld stammte aus der Spende eines einzelnen Wohltäters.
Der Vorfall sorgte bei den Anwohnern für große Diskussionen. Sie konnten nicht nachvollziehen, warum die Regierung einen so schönen Tempel zerstörte. Manche erzählten, dass sie direkt nach der Zerstörung einen Mönch getroffen hätten, der vor dem Tempel gesessen und voller Sorgen geseufzt habe, während er auf die Ruinen blickte.
Doch damit war die Razzia gegen den Tempel nicht beendet. Am Abend des 11. Aprils entsandte die Stadtbezirksverwaltung von Huangpi über 40 Angestellte zu dem Tempel, um eine weitere Halle sowie den Meditationsraum und den Speisesaal der Mönche zu zerstören. Trotz des wiederholten Flehens von Gläubigen ließen sich die Behörden nicht erweichen und wiesen alle an, den Tempel zu verlassen.
Am 12. April um drei Uhr morgens, bevor die Gläubigen auch nur die Möglichkeit gehabt hatten, alles aus dem Speisesaal zu räumen, wurden mehrere Gebäude des Tempels mit einem Bagger dem Erdboden gleichgemacht. „Sie kamen wie Räuber in der Nacht und zerstörten den Tempel“, sagte ein älterer Gläubiger voller Wut und Trauer.
Tempelmauern Weiß gestrichen
Zu einem weiteren Opfer des „Verschönerungsprojekts“ der Regierung wurde der Qingyun-Tempel im Stadtbezirk Huangpi. Der in den für buddhistische Andachtsstätten typischen Farben – Gelb und Rot – gestrichene Tempel, war der Stadtbezirksverwaltung ein Dorn im Auge. Am 24. März wiesen sie den Tempelverantwortlichen an, das Gebäude Weiß zu überstreichen. Außerdem sollte er von nun an den Eingang zum Tempel sperren, die Mönche aus dem Tempel vertreiben und es verbieten, Räucherwerk zu verbrennen oder Buddha zu huldigen. Die Beamten wiederholten ständig, dass dies eine landesweite Kampagne sei, und drohten damit, den Tempel abzureißen, wenn der Verantwortliche sich ihren Anweisungen widersetze.
Aus Angst vor einer Bestrafung durch die Regierung tat der Verantwortliche, was von ihm verlangt wurde: Er strich die Tempelmauern Weiß und versiegelte den Eingang mit Ziegelsteinen. Der Name des Tempels und die buddhistischen Aufschriften im Inneren des Tempels wurden überstrichen. Von weitem ähnelt das Gebäude in keinster Weise mehr einem Tempel.
Mitte Juni wurde eine andere buddhistische Andachtsstätte im Stadtbezirk Huangpi, der Dekang-Tempel, angewiesen, alle religiösen Statuen aus dem Inneren des Tempels zu entfernen und den Eingang zu versiegeln.
Den Mönchen im Tempel wurde es verboten, ihre traditionellen Gewänder zu tragen. Außerdem wurden sie angewiesen, ihre Haare wachsen zu lassen. Im Buddhismus ist es eine alte Sitte, dass sich Mönche und Nonnen den Kopf rasieren. Dies gehört zu ihrem Verhaltenskodex und bedeutet, dass sie einen asketischen Lebensstil annehmen und allem weltlichen Besitz entsagen. „Sie treiben uns in eine Sackgasse!“, sagte ein Mönch völlig hilflos.
Zwei weitere buddhistische Versammlungsstätten in Wuhan – der Shuikou-Tempel und der Yangshan-Tempel – wurden in unterschiedlichem Ausmaß unterdrückt. Der Eingang zum Shuikou-Tempel wurde versiegelt und zwei Buddhisten, die gültige Genehmigungen hatten, dort leben zu dürfen, wurden aus dem Tempel vertrieben. Die Außenmauern des Yangshan-Tempels sowie die Innenwände des Speisesaals wurden Weiß gestrichen. Der Tempel wurde in „Die Ratshalle der ländlichen Weisen“ umbenannt – eine staatliche Organisation für lokale Eliten (amtierende und pensionierte Beamte), die sich regelmäßig treffen, um über die Entwicklung der Region zu sprechen, in der sie leben.