Parteibürokraten müssen stets die Worte des Präsidenten bei sich tragen und sie studieren. Wenn sie die Worte nicht auswendig aufsagen können, droht ihnen Strafe.
von Yang Xiangwen
Im März 2018 hat Chinas Staatslegislative Zusatzartikel verabschiedet, um Präsident Xi Jinpings Gedanken zum Sozialismus nach chinesischer Art für eine Neue Ära in der Verfassung zu verankern. Damit machten sie das Studium der Gedanken des Präsidenten zur Pflicht für alle, vor allem für Mitglieder der Kommunistischen Partei Chinas und Regierungsbeamte.
Seither wurde eine Flut von Materialien und Aktivitäten eingeführt, um die Menschen zum Studium von „Xis Gedanken“ zu zwingen – von der berüchtigten App „Lerne Xi, starke Nation“ bis hin zu speziellen Fernsehprogrammen, wie der Serie „Den Menschen die Sprache von ‘Ping’ näherbringen: Das Wörterbuch des Generalsekretärs Xi Jinping“, die im Oktober 2018 im zentralen chinesischen Staatsfernsehen ausgestrahlt wurde.
Es scheint, als würde das Arsenal der Propaganda-Werkzeuge noch erweitert. Am 9. Juni wurde landesweit das, von der Zentralen Propaganda-Behörde zusammengestellte Dokument, Leitlinien zum Studium von Xi Jinpings Gedanken zum Sozialismus nach Chinesischer Art für eine Neue Ära herausgegeben. Darin wurde das Ziel, „Xis Gedanken“ zu verbreiten, auf Parteimitglieder und Regierungsbeamte ausgeweitet.
Die Propaganda-Behörde einer Gemeinde in der Stadt Changzhi in der nördlichen Provinz Shanxi veröffentlichte Anfang Juli eine Bekanntmachung, in der sie von jedem Beamten und Angestellten im Gesundheitssystem in ihrem Zuständigkeitsbereich verlangte, eine Ausgabe der Leitlinien zu erwerben, um ein vollständiges Studium und Training zu „Xis Gedanken“ sicherzustellen.
Medienberichten aus China zufolge hat die Organisationsbehörde des Kreiskomitees von Ci im Zuständigkeitsbereich der Stadt Handan in der nördlichen Provinz Hebei im Juli das Taschenbuch mit Worten von Ping in volksnaher Sprache veröffentlicht und Kopien davon an jedes KPCh-Mitglied und jeden Beamten in den 280 Dörfern im Kreis verteilt. In weniger als einem Monat wurden über 20 000 Kopien des Taschenbuchs verteilt.
Das Taschenbuch enthält eine Reihe von Xi Jinpings Reden und „Pflichtwissen“ nach dem Motto „Vergesst die ursprüngliche Intension nicht. Behaltet die Aufgabe im Auge”. Zu dem Buch gehört auch ein Notizbuch mit dem Titel Taschenlogbuch für Parteimitglieder und Beamte. Sämtliche Partei- und Regierungsbeamte müssen die Inhalte von “Xis Worten” auswendig lernen, das Buch stets bei sich tragen und sich Notizen dazu machen.
Berichten lokaler Medien zufolge besitzt das Taschenbuch ein kompaktes Format, ist leicht zu tragen und erlaubt es Parteimitgliedern und -beamten in „Zeitlücken“ jederzeit und an jedem Ort darin zu lesen und zu arbeiten, sodass das Interesse der Parteimitglieder und -beamten für und die Effizienz beim Studium deutlich zunimmt. Es scheint jedoch, dass solche Lobeshymnen nicht wirklich die Meinung derjenigen repräsentieren, die gezwungen sind, „Xis Gedanken“ zu studieren.
„Seit Xi Jinping im Amt ist, hat er daran gearbeitet, seinen Persönlichkeitskult aufzubauen“, meinte ein Parteimitglied, das anonym bleiben möchte. „Er verbirgt sich überall. Indem er Parteimitglieder und -beamte dazu bringt, das Taschenbuch zu studieren, tritt Xi in die Fußstapfen von Mao. Zuerst werden wir indoktriniert, dann müssen wir uns einer Prüfung unterziehen. Jeder, der es wagt, der KPCh mit Widerworten zu begegnen, wird bestraft.“
Ein anderes Parteimitglied fügte hinzu, dass das Gesetz in China nur der Partei dient und dass Xi Jinping den Menschen seine Sichtweise aufdrängt. „Wir müssen seine Worte studieren und auswendig lernen, egal wie viel wir sonst noch zu tun haben. Andernfalls – falls ein Inspektionsteam feststellt, dass jemand nicht in dem Buch studiert – wird diese Person Disziplinarstrafen erhalten und gezwungen, ihren Job ohne weitere Zahlungen aufzugeben.“
Das Taschenbuch mit Worten von Ping in volksnaher Sprache mit dem strahlenden Porträt des Parteiführers auf dem roten Buchumschlag ähnelt in seiner Gestaltung ausgesprochen dem Buch Worte des Vorsitzenden Mao Zedong.
Vor über einem halben Jahrhundert waren die Worte des Vorsitzenden Mao Zedong der letzte Schrei. Anfangs nur parteiintern zum Studium und zur Propaganda genutzt, besaß Anfang 1969 praktisch jeder in China eine Ausgabe davon. Der in der KPCh praktizierte Persönlichkeitskult um die Person Mao Zedongs begann sich im gesamten Land auszubreiten.
Laut einem Bericht der taiwanesischen Nachrichtenagentur Central News Agency (CNA) vom 15. August, haben die Generalbüros des KPCh-Zentralkomitees und des Staatsrats ein Dokument herausgebracht, in dem steht, dass „die Stimmung innerhalb der gesamten Partei und Gesellschaft, was das Interesse und die Unterstützung für die Einrichtung von Kursen zur ideologischen und politischen Theorie anbelangt, nicht stark genug“ sei. Sie müsse gestärkt werden, damit „Xis Gedanken“ in den Köpfen der Kinder Fuß fassen können“.