Wei Lihui wurde wiederholt geschlagen, verhaftet und eines Verbrechens bezichtigt, das er gar nicht begangen hatte. Seine Häuser wurden abgerissen, weil er einen korrupten Parteisekretär seines Dorfes gemeldet hatte.
Yang Guang’an
Wie bei vielen Dingen in Zusammenhang mit den Rechten der chinesischen Bürger scheinen die Bemühungen der Regierung zur Bekämpfung korrupter Beamter nur auf dem Papier zu stehen. In Wirklichkeit sehen sich Informanten häufig brutalen Vergeltungsmaßnahmen ausgesetzt.
In der ersten Woche seit ihrer Schaltung am 22. Juni 2009 war die Korruptions-Telefon-Hotline “12309” der chinesischen Regierung überlastet, da Menschen Beamte melden wollten. In dieser ersten Woche berichteten mehr als 11.000 Personen telefonisch und 6.000 online über vermutete Korruptionsfälle. Seitdem sind insgesamt 290.000 Online-Berichte zu 7.074 Beamten auf Bezirksebene oder höher eingegangen. Laut Daten von 2010 wurden jedoch fast 70 Prozent der Informanten Opfer von Vergeltungsmaßnahmen, wobei die Beamten des Obersten Volksprokurators zugeben, dass Rache auch heimlich und mittels „scheinbar legalen“ Mitteln verübt wird.
Dass diese Zahl seitdem zurückgegangen ist, ist sehr unwahrscheinlich, wie es ein Dorfbewohner aus östlichen Zentral-Küstenprovinz Jiangsu am eigenen Leib erfahren musste.
Wei Lihui, ein Bewohner des Dorfes Taohe, im Zuständigkeitsbereich der Stadt Weiji im Bezirk Suining der Stadt Xuzhou, betreibt ein Restaurant. Im Jahr 2016 meldete er zweimal unter seinem richtigen Namen die Korruption des Sekretärs der Dorfpartei Hua Chunwu der Stadtverwaltung. Da sich die Beamten der KPCh gegenseitig schützen, hat die Stadtverwaltung nichts unternommen. Doch natürlich hatte Hua Chunwu auf Wei enorme Wut und begann im März 2017 mit seiner Vergeltungskampagne.
Des Diebstahls bezichtigt und Haus abgerissen
Am 8. März 2017 führte die Gemeindeverwaltung einen Zwangsabriss und eine Verlagerung von Häusern im Dorf durch. Die Behörden behaupteten, dass das 220 Quadratmeter große Haus, das Wei Lihui damals bewohnte, ein „illegaler Bau“ sei und mit Gewalt und ohne Entschädigung abgerissen werden würde.
Wei weigerte sich, umzuziehen, weil er eine Heimstättenbescheinigung besaß –
einen Berechtigungsnachweis, der besagt, dass er rechtmäßiger Eigentümer des, vor über einem Jahrzehnt erbauten, Hauses und Grundstückes ist.
Um Wei zum Nachgeben zu zwingen, hat Hua Chunwu am 18. März mit Beamten der örtlichen Polizeistation zusammengearbeitet, um Wei einen Diebstahl anzuhängen, den er gar nicht begangen hat. Die Offiziere kamen zu Wei nach Hause, um ihn zu verhaften. Da Wei mit ihnen stritt, wurde er verprügelt. Auch Wei´s achtzigjährige Mutter blieb nicht verschont – die Polizisten traten sie mit Füßen, bis sie in einen Graben fiel.
Gewaltsam wurde Wei von der Polizei zur Wache eskortiert und dort erneut verprügelt. Ein Polizist, ein Komplize von Hua Chunwu, brüllte Wei an, während er ihn schlug: „Mal sehen, ob du es noch wagst, uns zu melden!“ Danach wurde Wei 24 Stunden lang festgehalten.
Vollkommen in Sorge über das Unglück seines Sohnes verstarb Wei´s achtzigjähriger Vater unerwartet am 3. Juni, obwohl er vor der Festnahme seines Sohnes bei guter Gesundheit war.
Am 9. Juli entfernten acht Ganoven gewaltsam zwei Überwachungskameras am Eingang von Wei´s anderer Wohnung und schlugen Wei´s Frau zusammen, die gerade die Polizei anrufen und den Vorfall melden wollte.
„Die Kommunistische Partei steht hinter uns. Wir haben keine Angst davor, dass du uns meldest. Wir arbeiten für die Kommunistische Partei“, sagte einer der Schurken beim Hinausgehen.
Kurz nachdem sie verschwunden waren, kamen mehr als 100 Beamte – darunter Polizisten, Stadtplaner und Immobilienentwickler – und rissen das ganze Haus gewaltsam ab. Alle Möbel sowie andere Gegenstände im Haus wurden von einem Bagger zerstört, was zu einem Verlust von mehr als 40.000 RMB (ca. 5200 Euro) führte.
Verprügelt und inhaftiert weil er eine Petition eingereicht hat.
Im September 2017 reiste Wei Lihui wiederholt in die Provinzhauptstädte Nanjing und Peking, um bei den übergeordneten Behörden Petitionen einzureichen – aber ohne Erfolg.
Als Hua Chunwu davon erfuhr, holte er am Abend des 6. Oktober vier Ganoven, um Wei vor seinem Haus mit Holzstöcken zu verprügeln. Hua Chunwu presste einen Stock gegen Wei´s Kopf und sagte: „Ich werde dich solange prügeln, bis du ein Krüppel bist, und dann werden wir ja sehen, ob du immer die Behörden um Hilfe bitten wirst. Selbst wenn du die Polizei rufst, wäre das sinnlos. Ich komme dann nämlich wieder um deine ganze Familie zu verprügeln – die Jungen wie die Alten.“ Übersät von Schnittwunden und Prellungen musste Wei zurück in sein Haus kriechen.
Wei gab jedoch nicht auf, weiterhin seine Rechte zu verteidigen. Mitte Oktober, er ging aufgrund seiner Verletzungen noch am Stock, versuchte er nach Peking zu reisen, um bei den Behörden eine Petition einzureichen. Aber die örtliche Polizeistation erfuhr davon und verhaftete ihn. Er wurde beschuldigt, „Streit vom Zaun zu brechen und Ärger anzuzetteln“ und wurde deswegen 15 Tage lang festgehalten.
Auf der Polizeistation sagte ihm ein Beamter ohne jeden Skrupel: „Jeder weiß, dass Sekretär Hua Ganoven angeheuert hat, um dich zu verprügeln und dein Haus zu zerstören. Aber was kannst du denn dagegen unternehmen? [Die Regierung] kann ihn nicht bestrafen.“
Nochmals geschlagen und zur Unterzeichnung einer Umsiedelungsvereinbarung gezwungen
Am 14. Januar 2018 reiste Wei Lihui erneut nach Peking, um beim Staatlichen Büro für Briefe und Anrufe eine Petition einzureichen. Als ihm die Beamten in Peking sagten, sie würden das Problem für ihn lösen und er solle ruhig nach Hause zurückkehren, machte sein Herz vor Freude einen Sprung. Sobald er jedoch das Büro verlassen hatte, zwangen ihn acht Fremde in ein Fahrzeug und fuhren auf die Autobahn.
Die acht Ganoven schnappten sich alles was Wei bei sich trug – 800 RMB in bar (ca. 105 Euro), sein Mobiltelefon und verschiedene Dokumente. Danach schlugen sie Wei so heftig, bis er vor ihnen auf der Autobahn kniete, sie um Gnade anflehte und zugab, dass er einen Fehler gemacht hatte. Die Schläger zwangen ihn, zu versprechen, keine Petitionen mehr an die Behörden zu richten, und nahmen seine Aussage auf Video auf, welches sie dann ins Büro nach Peking schickten.
Im Februar machte die lokale Regierung mit Wei einen Deal: sie gab ihm einen Petitionszuschuss von 30.000 RMB (ca. 3.900 Euro) und schüchterte ihn soweit ein, sich damit einverstanden zu erklären, keine weiteren schriftlichen, telefonischen oder sonstigen Petitionen an die Behörden zu richten. Zudem zwang sie Wei auch, die Abbruch- und Umsiedelungsvereinbarung zu unterzeichnen.
Am 1. April wurde Wei Lihui´s 220 Quadratmeter großes Haus gewaltsam abgerissen. Die Regierung leistete jedoch keine Entschädigung.
Wei sagte auch, dass die Regierung von August 2017 bis Ende März 2018 die Anwohner kontinuierlich daran hinderte, sein Restaurant zu besuchen, was die Lebensgrundlage seiner Familie erheblich beeinflusste.
Nachdem Wei´s Sohn einen Online-Post über die Tortur seiner Familie geschrieben hatte, wurde er von der Polizei sieben Tage lang gewaltsam festgehalten.
Aufgrund der, durch die Schläge verursachten, Verletzungen an seinen Beinmuskeln und Knochen, kann Wei Lihui bis heute nicht über einen längeren Zeitraum stehen und ist somit arbeitsunfähig geworden.