Für Weihnachten hatte die chinesische Regierung im vergangenen Jahr ein ganz einfaches Motto: Vergesst Christus, feiert Mao Zedong.
Getreu diesem Motto tauschten Schüler einer Mittelschule in einer Großgemeinde der Stadt Binzhou in Chinas Ostküstenprovinz Shandong am ersten Weihnachtsfeiertag keine Geschenke aus wie sonst, sondern feierten am darauffolgenden Tag einen anderen „Großen Mann“: Den Vorsitzenden Mao, der am 26. Dezember 1893 geboren wurde.
Gemäß der Schulvorschriften gab es in jedem Klassenzimmer Berichte über Mao Zedongs Leben – in der Form von Videos, erzählten Geschichten, rezitierten Gedichten und Lobliedern auf den Vorsitzenden Mao.
„Heutzutage kennen die Schüler Weihnachten, aber sie wissen nicht, wann der Geburtstag des Vorsitzenden Mao ist. Das ist eine Schande“, erklärte ein Lehrer der Schule. „Sie müssen die Erinnerung an unseren großen Führer in hohen Ehren halten sowie gemeinsam den revolutionären Geist der älteren Generation würdigen und eine patriotische Haltung sowie die Liebe zur Partei verbreiten.“
Auf einem weitverbreiteten Video auf WeChat ist zu sehen, wie ein Lehrer seinen Schülern erklärt, dass sie an Stelle von Weihnachten, den „Tag des Großen Mannes“ feiern sollen:
Und das ist kein Einzelfall.
Am 25. Dezember 2018 wies die Schulleitung einer Mittelschule in der Stadt Jiujiang in der südöstlichen Provinz Jiangxi ihre Schüler an, den Weihnachtsschmuck herunterzureißen, den sie vorbereitet hatten, und warf ihnen vor, dass sie nur wüssten, wie „fremde Feste“ – d.h. Weihnachten – gefeiert werden, und dabei den tatsächlichen chinesischen Festtag – nämlich Mao Zedongs Geburtstag – vergäßen. Die Schulleitung erklärte auch, dass staatliche Einrichtungen und Schulen keine Weihnachtsveranstaltungen durchführen dürften. Am darauffolgenden Tag spielten die Lehrer das Lied „Der Osten ist rot“ – die de facto Nationalhymne der Kulturrevolution – um mit den Schülern der Geburt Mao Zedongs zu gedenken. Außerdem erzählten sie den Schülern von der „glorreichen“ Geschichte der Kommunistischen Partei.
Natürlich wurde der „Tag des Großen Mannes“ nicht nur in Schulen gefeiert. Ungefähr 100 Angestellte von unterschiedlichen Arbeitseinheiten im Yanhu-Bezirk der Stadt Yuncheng in Chinas nördlicher Provinz Shanxi, die kleine rote Flaggen in den Händen und rote chinesische Schals um den Hals trugen, riefen: „Feiert nicht Weihnachten! Feiert den ‚Tag des Großen Mannes!‘“ Manche von ihnen trugen Schilder, auf denen sie zum Boykott gegen ausländische Produkte aufriefen. Später versammelte sich eine Gruppe von Demonstranten vor einer riesigen Bronzestatue von Mao Zedong im Arbeiter-Kulturgarten, wo sie dem Großen Mann Eide schworen und Parolen riefen.
Im Internet kursieren Videos von ähnlichen Demonstrationen in Shandong (Henan) und an anderen Orten überall in China.
Ein auf WeChat geteiltes Video zeigt eine Gruppe von Menschen, die den „Tag des Großen Mannes“ feiern:
Dass Weihnachten durch den „Tag des Großen Mannes“ ersetzt werden soll, trifft insbesondere die Christen hart.
Im vergangenen Jahr wurde die Versammlungsstätte einer Hauskirche in der Stadt Dezhou (Shandong) wiederholt von der Polizei durchsucht und im November 2018 zur Schließung gezwungen. Im gleichen Monat stellte die Zuständige der Kirche einen Antrag auf die notwendigen Genehmigungen zur Wiedereröffnung der Versammlungsstätte. Als sie sich erkundigte, welche Anforderungen erfüllt werden müssten, wurde ihr mitgeteilt, dass die Versammlungsstätte nicht nur die Standardverfahren durchlaufen, sondern auch die neuen Regelungen für Religionsangelegenheiten und ein Porträt von Mao Zedong aufhängen müsse. Außerdem dürften sie nicht Weihnachten feiern, sondern müssten stattdessen den „Tag des Großen Mannes“ am 26. Dezember begehen. Nur wenn sie diese Bedingungen akzeptiere, bekäme sie eine Genehmigung. Würde man ansonsten in Zukunft feststellen, dass sie Messen abhielte, würde sie festgenommen und zu einer Gefängnisstrafe verurteilt.
Außerdem gibt es noch ein weiteres Verbot der chinesischen Regierung für die Weihnachtszeit: Es dürfen keine Äpfel verschenkt werden – eine Tradition, die daher rührt, dass das chinesische Wort für „Heiligabend“ (Píng’ānyè) ganz ähnlich klingt, wie das Wort für „Apfel“ (píngguǒ).
Am 23. Dezember 2018 parkte ein Fahrzeug des Stadtverwaltungsbüros einer Stadt in der Provinz Henan vor dem Eingang zu einem großen Supermarkt. Aus dem Auto stiegen Stadtverwaltungsbeamte und schrien einen Straßenverkäufer, der Äpfel verkaufte, an: „Der Staat hat es den Menschen verboten, Weihnachten zu feiern. Sie dürfen keine Weihnachtsäpfel verkaufen. Wenn wir Sie noch einmal dabei erwischen, werden wir Ihre Karre beschlagnahmen.“
Diese Inspektion wurde zweimal am selben Tag durchgeführt.
Ein Straßenverkäufer, der Äpfel verkauft, erklärte, dass es ihnen nicht nur verboten wurde, Äpfel zu verkaufen, sondern dass die Schüler aus dem Ort auch Angst davor hatten, Äpfel zu kaufen, weil ihnen von ihren Schulen verboten worden war, das Fest zu feiern. Wenn ein Schüler mit einem Apfel entdeckt wurde, wurde er getadelt.
Am 24. Dezember gab das Bildungsarbeitskomitee des Kreises Linyi (Stadt Yuncheng, Shanxi) bekannt, dass auf dem Gelände der Bildungseinrichtungen in seiner Gerichtsbarkeit die patriotisch-ideologische Bildung der Schüler und Studenten gestärkt werden solle, und es streng verboten sei, Weihnachten oder andere religiöse Feste auf dem Gelände der Bildungseinrichtungen zu feiern. Das ging soweit, dass während der Festtage alle Schulen extra Angestellte vor dem Schuleingang postieren mussten, um Inspektionen durchzuführen und Blumen, Äpfel oder andere Weihnachtsgeschenke der Schüler an Ort und Stelle zu beschlagnahmen.
Schulbeamte in der Stadt Langfang in der nördlichen Provinz Hebei haben eine Initiative eingebracht, nach der alle Angestellten der Schule ihre politische Einstellung öffentlich machen und die Kinder auf chinesische Feste, wie das Frühlingsfest, das Laternenfest, das Drachenbootfest, das Mitherbstfest und andere traditionelle Feste, vorbereitet werden sollen. Gemäß der Initiative soll es Lehrern, Schülern und Eltern außerdem verboten sein, während der Weihnachtstage an irgendwelchen Weihnachtsfeierlichkeiten teilzunehmen.
Quellen berichten, dass ähnliche Verbote für das Mitbringen von Weihnachtsgeschenken auf das Gelände von Bildungseinrichtungen in mehreren Schulen, unter anderem in der Stadt Baotou (Innere Mongolei) und den Städten Shenyang und Tieling (beide in der Provinz Liaoning), bekannt gegeben wurden.
In manchen Schulen ist es Lehrern und Schülern verboten, während der Weihnachtszeit Urlaub zu nehmen – auch das ist Teil des Plans zur Auslöschung des christlichen Glaubens.
Am 24. Dezember leitete eine Grundschule in der Stadt Hengshui (Hebei) einen Befehl der Vereinigten Arbeitsfront und der Kommission für Disziplinarinspektion der Stadt weiter: „Für Heiligabend und den ersten Weihnachtsfeiertag wird die Regierung ein Führungsteam zusammenstellen, um gründliche Untersuchungen durchzuführen. Schüler und Mitglieder des Lehrkörpers, die religiöse Versammlungsstätten besuchen, oder an Weihnachtsveranstaltungen teilnehmen, werden schwer bestraft und auch die Schulleitung wird zur Verantwortung gezogen werden.“
Für die meisten Menschen in China ist Weihnachten einfach nur eine Gelegenheit zum Feiern und Entspannen, doch die Anti-Weihnachtsmaßnahmen der Regierung haben bei manchen Widerstand hervorgerufen: „Tatsächlich ist es so, dass, je mehr sie mir das Feiern von Weihnachten verbieten wollen, ich es umso mehr feiern will“, erklärte eine Person.
Bericht von Li Mingxuan