Zahlreiche Hauskirchen werden wegen „Illegalität“ oder „Störung“ angeklagt, terrorisiert, manipuliert und geschlossen, um sie zu einem Beitritt zur offiziellen protestantischen Kirche zu zwingen.
von Ye Ling
Seit im Februar des letzten Jahres die Neue Verordnung für Religionsangelegenheiten in Kraft getreten ist, konzentriert die KPCh ihre Razzien auf die Religionsgruppen, die nicht bereit sind, sich unter die Kontrolle der Regierung zu begeben. Diese werden als ungenehmigte Organisationen bezeichnet und schwerer Unterdrückung und Verfolgung unterworfen. Wang Yi, ein bekannter chinesischer Hauskirchenpastor nannte die Verordnung „aus religiöser Perspektive betrachtet böse, aus verfassungsrechtlicher Perspektive illegal, aus politischer Perspektive dumm.”
Im vergangenen Jahr wurden zahlreiche bekannte Hauskirchen überall in China geschlossen: die Zion-Kirche und die Shouwang-Kirche in Peking, die Early Rain Covenant-Kirche in Chengdu – der Hauptstadt der südwestlichen Provinz Sichuan – und viele mehr.
Auch die Hauskirchen in der, im Südosten Chinas gelegenen, Provinz Fujian haben unter schweren Verfolgungen gelitten. Im Mai wurde eine der einflussreichsten und ältesten Kirchen in der Provinz – die Xunsiding-Kirche in der Stadt Xiamen – fast 70 Jahre nach ihrer Gründung geschlossen. Die restlichen Kirchen schweben in ständiger Gefahr, aufgelöst zu werden.
30 Jahre alte Kirche geschlossen
Im Juni wurde die 1986 gegründete Shiyijian-Kirche in Xiamen auf Anweisung der lokalen Behörden geschlossen. 200 Gläubige verloren damit ihr spirituelles Zuhause.
Kirchenmitglieder berichteten, dass in der Zeit vom 2. bis zum 9. Juni wiederholt Beamte von den lokalen Büros für Ethnische und Religiöse Angelegenheiten, für Öffentliche Sicherheit sowie von anderen Regierungsbehörden zur Kirche gekommen seien, um sie zu schikanieren. Die Beamten behaupteten, dass die Gottesdienste in der Kirche illegal seien, weil sie nicht der staatlich genehmigten Drei Selbst-Kirche beigetreten sei. Außerdem erklärten sie, dass die Spendenbox der Kirche eine „illegale Finanzierung“ darstelle und es sich bei den, in Hongkong veröffentlichten, Gesangsbüchern, die in der Kirche verwendet wurden, um „illegale Veröffentlichungen“ handle.
Am 13. Juni wurde eine Schließungsbekanntmachung am Eingang der Kirche angebracht. Jede Woche kamen Beamte zur Kirche, um sicherzustellen, dass die Gläubigen ihre Gottesdienste nicht wieder aufgenommen hatten.
„Die Beamten sagten, dass die Regierungsverordnung über der Verfassung stehen würde. Das sollte im Ausland bekanntgemacht werden, damit die Menschen in anderen Ländern erfahren, wie gesetzlos die Kommunistische Partei ist und wie sie Christen in China verfolgt“, erklärte ein Gläubiger aufgebracht.
Nacheinander wurden auch sechs weitere Versammlungsstätten der Kirche – die Hongsheng-Kirche, die Yuanyang-Kirche, die Jinshang-Kirche, die Kangle-Kirche, die Ruijing-Kirche und die Jimei-Kirche – geschlossen.
Am 22. Mai ordnete die Regierung an, eine Versammlungsstätte für ältere Christen in der Nähe der Universität von Xiamen zu schließen, weil diese „die Leute störe“. Die Polizei drohte den Gläubigen mit Geldstrafen, sodass diese keine andere Wahl hatten, als sich zu zerstreuen.
„Wir haben uns hier seit mehr als zwanzig Jahren versammelt. Jetzt sagt die Regierung, dass wir die Menschen stören. Wenn das so wäre – hätten wir dann so viele Jahre lang unsere Gottesdienste abhalten können?“ fragte ein Gläubiger der Versammlungsstätte wütend.
Vor kurzem wurden in Xiamen zahlreiche weitere Versammlungsstätten von Hauskirchen geschlossen: laut Medienberichten beläuft sich ihre Zahl auf 40. Ein Hauskirchenleiter aus Xiamen erzählte Bitter Winter, dass die Behörden gedroht hätten, alle bekannten Versammlungsstätten von Hauskirchen in der Stadt zu schließen.
Beitritt zur Drei Selbst-Kirche – ansonsten droht Schließung
In Fujians Hauptstadt Fuzhou stürmten letzten April Angestellte des lokalen Büros für Ethnische und Religiöse Angelegenheiten während eines Gottesdienstes in eine evangelikale Hauskirche und behaupteten, dass „die Versammlungsstätte nicht genehmigt sei“ und die „Gläubigen sich außerhalb des Gesetzes“ befinden würden.
Die Razzia war organisiert worden, weil die Gemeinde sich geweigert hatte, der Drei Selbst-Kirche beizutreten. Der Kirchenleiter sagte, dass ein Beitritt zur staatlich geleiteten Kirche einem Glaubenswechsel gleichkommen würde. „In Drei Selbst-Kirchen dürfen die Prediger nicht über Gottes Schöpfung der Menschheit reden. Sie müssen über die Evolutionstheorie sprechen“, erklärte der Leiter. „Sogar Predigten, in denen davon gesprochen wird, wie Gott den Menschen erschaffen hat, oder die von Sündern oder Eschatologie [dem Teil der Theologie, der allgemein als „Endzeit“ bezeichnet wird] handeln, gelten als inakzeptabel und nicht den Vorschriften entsprechend. Manche lokalen Behörden geben den Predigern auch Predigten, die auf Texten beruhen, die von der Regierung herausgegebenen werden.“
Ein Regierungsinsider berichtete, dass der Leiter den Behörden bereits seit langer Zeit bekannt gewesen sei. Sie drohten damit, Gemeindemitglieder festzunehmen und über alle möglichen erfundenen Verdächtigungen zu befragen – wie zum Beispiel, dass sich unter den Kirchenmitgliedern Straftäter oder Drogenabhängige befinden würden – wenn der Leiter sich nicht ihren Anweisungen füge.
Da die Verantwortlichen der Versammlungsstätte sich weigerten, der Drei Selbst-Kirche beizutreten, wurde sie geschlossen. Um die Gläubigen davon abzuhalten, erneut Gottesdienste zu veranstalten, entfernte die Regierung zwangsweise sämtliche Stühle aus der Versammlungsstätte.
Im Mai wurde auch die Versammlungsstätte einer Lokalkirche in Zhulinjing (Stadtbezirk Gulou, Fuzhou) von der Polizei geschlossen. Über 200 Gläubige verloren ihre Andachtsstätte.
Im gleichen Zeitraum stürmten Regierungsbeamte eine andere Versammlungsstätte der Lokalkirche in Fuzhou und wiesen die Verantwortlichen an, der Drei Selbst-Kirche beizutreten. „Wenn Sie nicht zustimmen, wird der Vermieter mit einer Geldstrafe von 200 000 Renminbi [ungefähr 26 000 Euro] belangt“, drohten die Beamten. Die Verantwortlichen für die Versammlungsstätte wurden gezwungen, die Gottesdienste dort zu beenden.
„Sobald eine Hauskirche der Drei Selbst-Kirche beitritt, kontrolliert die Regierung als erstes, was dort gepredigt wird. Dann übernehmen sie die Kontrolle über die Spendenbox und als drittes werden die Gläubigen den Regierungsvorschriften unterworfen und dazu gezwungen, der Partei zu gehorchen und zu folgen. Ansonsten ist ihr Weg in den Untergang schon vorgezeichnet“, erklärte der Leiter einer Hauskirche. „Die Regierung schickt Angestellte, die die Predigten halten. Am Ende müssen wir uns in jeder Hinsicht der Kontrolle der Regierung unterwerfen – das kommt einem Glauben an die Kommunistische Partei gleich.“