Bei der 39. Sitzung des UN-Menschenrechtsrats in Genf prangerten akkreditierte NGOs die Verfolgung und Folter von Muslimen, Buddhisten und Mitgliedern der Kirche des Allmächtigen Gottes an.
Am 28. September 2018 endet die 39. Sitzung des UN-Menschenrechtsrats in Genf. Bei diesen Sitzungen dürfen nur bei der ECOSOC (dem Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen) akkreditierte NGOs ihre Erklärungen vortragen. China wurde von mehreren ECOSOC-akkreditierten NGOs wegen seiner massiven Verletzungen der Religionsfreiheit und der Menschenrechte angeprangert. Ihre Erklärungen wurden auf der Website des UN-Menschenrechtsrats veröffentlicht.
Die Gesellschaft für bedrohte Völker erklärte “tiefe Besorgnis über die willkürlichen Festnahmen und außergerichtlichen Inhaftierungen von Uiguren und Kasachen im Uiguirschem Autonomen Gebiet Xinjiang (XUAR) in der Volksrepublik China. Seit April 2017 werden Uiguren und Kasachen, denen ’stark religiöse Ansichten‘ und ‚politisch inkorrekte‘ Ideen vorgeworfen werden, in politischen Umerziehungslagern festgehalten, die überall in XUAR verbreitet sind. Uiguren und Kasachen klagen seit Jahren über religiöse Unterdrückung, Kulturzerstörung, Sinisierung und Diskriminierung“
“Satellitenbilder zeigen, dass diese Umerziehungszentren im Sommer 2018 größer geworden sind. Seit Januar 2018 wurden in vielen Lagern Bauarbeiten durchgeführt. So ist zum Beispiel ein Lager in der Nähe der Stadt Kashgar im Westen von XUAR seit November 2017 auf die doppelte Größe angewachsen. Das ganze Ausmaß dieses Umerziehungsprogramms war lange Zeit unentdeckt geblieben, da Menschenrechtsexperten und unabhängigen Journalisten kein freier Zugang zum XUAR gewährt wurde. Ein hochrangiger chinesischer Beamter, Hu Lianhe, von der Vereinigten Arbeitsfront hat die Existenz dieser Lager im August 2018 offiziell zugegeben, jedoch behauptet, dies seien ‚Berufsbildungszentren‘. Masseninhaftierungen stritt er ab.“
„Trotz massiver Ängste berichten Familienmitglieder von Uiguren und Kasachen über willkürliche Verhaftungen von Uiguren jeden Alters aus unterschiedlichsten Berufsgruppen. Manche uigurische Dorfbewohner berichten, dass in ihren Dörfern fast keine jungen Männer mehr übrig geblieben sind.
Andere berichten, dass die meisten Erwachsenen in ihrer Region sich irgendeiner Art politischer Indoktrinierung oder Erziehung unterwerfen müssen. In jeder uigurischen oder kasachischen Familie gibt es Mitglieder, die gezwungen werden, an politischem Unterricht teilzunehmen. Aufgrund dieses Programms zur politischen Zwangsindoktrinierung sind ganze Dörfer leergefegt. Die offiziellen chinesischen Kriminalstatistiken legen nahe, dass im Jahr 2017 ein Fünftel aller Festnahmen wegen Straftaten in China im XUAR stattgefunden haben, obwohl dort nur 20 Millionen Menschen leben – ein Bruchteil von Chinas Gesamtbevölkerung von 1,4 Milliarden Menschen. In manchen ländlichen Gegenden von XUAR hat das Internierungsprogramm dramatische Ausmaße angenommen. So werden nach Angaben von lokalen Beamten im Kreis Kuchar (Regierungsbezirk Aksu) ungefähr 45 000 Menschen in Umerziehungslagern festgehalten. Das sind nur etwas weniger als zehn Prozent der dort lebenden Bevölkerung. In manchen Lagern sind
5 000 – 10 000 Menschen interniert, in anderen bis zu 15 000. Diese Umerziehungslager sind völlig illegal. Sie stellen eine Verletzung der chinesischen Gesetze und zahlreicher internationaler Menschenrechtskonventionen dar. Gespräche mit ehemaligen Insassen und lokalen Beamten lassen vermuten, dass im Süden von XUAR ungefähr 660 000 Einwohner in Umerziehungslager geschickt wurden. Die Gesamtzahl der internierten Uiguren und Kasachen in XUAR liegt möglicherweise sogar bei einer Million oder mehr.“
“Es gibt auch viele Hinweise darauf, dass Chinas Staatssicherheitsbehörden zusätzlich zu den Menschen in diesen Lagern bis zu 1,3 Millionen Uiguren und Kasachen gezwungen hatten, an verpflichtenden Tages- oder Abendkursen zur Umerziehung in ihren Dörfern oder Städten teilzunehmen. Diese “Abendkurse“ zur politischen Umerziehung wecken tragische Erinnerungen an die abscheulichen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die im Namen der mächtigen Kommunistischen Partei während der Kulturrevolution (1966-1976) begangen wurden. Viele ältere Uiguren sind noch immer durch den damaligen Psychoterror traumatisiert.“
Die Weltorganisation gegen Folter lenkte den Blick vor allem auf die Lage der tibetischen Buddhisten. Sie erklärte, dass auch in Tibet “Berichte die Existenz zahlreicher ‚legaler Erziehungs‘-Lager nahelegen, in denen Menschen willkürlich auf unbestimmte Zeit festgehalten werden und man sie zwingt etwas über Recht und Politik in China zu lernen, regierungsfreundliche Propagandavideo anzuschauen und ihre ethnische und religiöse Identität aufzugeben. Menschen, die in diesen Zentren festgehalten wurden, berichten und klagen darüber, dass sie gefoltert wurden oder anderer unmenschlicher oder demütigender Behandlung, auch sexuellem Missbrauch, ausgesetzt waren. Die Existenz solcher Zentren im Tibetischen Autonomen Gebiet (TAR) und anderswo stellt in Frage, wie glaubwürdig die Behauptung der VRC ist, dass sie das System der ‚Umerziehung durch Arbeit‘-Lager (chinesisch: laojiao) 2013 abgeschafft hat.“ (Wie Bitter Winter berichtete, wurden die laojiao tatsächlich abgeschafft, jedoch durch die “Umerziehung durch Bildung“-Lager ersetzt, die noch schlimmer sind.)
„“Im April dieses Jahres,“ so die Organisation weiter, “wurden 30 Personen geschlagen und willkürlich verhaftet, als sie gegen Pläne protestierten, die vorsahen, Bergbau im Sebtra Zagyen, einem heiligen Berg in Shakchu (chinesisch: Shaqu) im Kreis Diru (chinesisch: Biru) im Regierungsbezirk Nagchu (chinesisch: Naqu) in TAR zu betreiben. Die Proteste wurden dadurch ausgelöst, dass ein Dorfleiter gewaltsam verschleppt worden war, der die offizielle Anweisung missachtet hatte, nach der die Dorfbewohner ein Dokument unterschreiben sollten, das es den lokalen Regierungsbehörden erlaubt, in dem heiligen Berg Bergbau zu betreiben. Dieses Projekt könnte verheerende Folgen für die dortige Umwelt und Biodiversität sowie die Versorgung der dortigen Bevölkerung mit Trinkwasser haben. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Schreibens liegen aufgrund einer strikten Informationssperre keine Angaben über den Zustand der 31 Dorfbewohner vor. Foltervorwürfe werden weiterhin häufig laut.“
Christliche Solidarität Weltweit fügte hinzu, dass auch Christen zunehmend festgenommen und inhaftiert werden.
Die Coordination des associations et particuliers pour la liberté de conscience (CAP-LC) sprach über die Situation der Kirche des Allmächtigen Gottes, einer verfolgten neuen christlich-religiösen Bewegung in China.
„Die Kirche des Allmächtigen Gottes (KAG),“ erklärt CAP-LC, “ist die größte neue religiöse Bewegung in China. Regierungsquellen geben eine Mitgliederzahl von vier Millionen an. Sie wurde 1991 in China gegründet. Ihr wichtigster Glaubenssatz ist, dass Jesus Christus als Allmächtiger Gott auf die Erde zurückgekehrt ist und zwar in der Inkarnation einer chinesischen Frau, die zur Zeit in den USA lebt und die ganze Wahrheit lehrt.“
“Seit 1995 steht die KAG auf der Liste der verbotenen Gruppen (den xie jiao, was fälschlicherweise als ‚üble Sekten‘ übersetzt wird, tatsächlich jedoch ‚heterodoxe Lehren‘ bedeutet). Nach Artikel 300 des chinesischen Strafgesetzbuches ist in einer xie jiao aktiv zu sein eine Straftat, die mit einer Gefängnisstrafe von drei bis zu sieben Jahren ‚oder mehr‘ geahndet wird. Man muss kein KAG-Leiter sein, um festgenommen zu werden. Es reicht aus, ein einfaches Mitglied zu sein oder einfach nur KAG-Literatur zu besitzen, um festgenommen, inhaftiert und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt zu werden.“
“Nach KAG-Angaben wurden bereits mehr als 300 000 Kirchenmitglieder festgenommen. Diese Zahlen lassen sich nur schwer bestätigen, aber Wissenschaftler weisen auf die zahlreichen Berichte über Festnahmen von Hunderten von KAG-Mitgliedern in mehreren chinesischen Provinzen hin. NGOs haben an die Vereinten Nationen appelliert und mehrere Vorfälle von Folter und sogar von Todesfällen in der Haft dokumentiert. Mittlerweile scheint die KAG in China stärkerer Verfolgung ausgesetzt zu sein als Falun Gong.“
“Die chinesischen Behörden haben massive Fake News-Kampagnen gestartet, um die KAG in Misskredit zu bringen und die Verfolgung zu rechtfertigen. Die Regierung überzeugte sogar erfolgreich seriöse westliche Medien davon, dass KAG-Mitglieder 2014 eine Frau in einem McDonalds-Restaurant in Zhaoyuan ermordet hätten. Die Überprüfung der originalen Prozessdokumente durch erfahrene westliche Wissenschaftler ergab jedoch, dass der Mord von Mitgliedern einer anderen religiösen Bewegung durchgeführt worden war, die zwar einen ähnlichen Namen trägt, jedoch in keiner Beziehung zur KAG stand. Auch in Bezug auf andere Straftaten, die der KAG zugeschrieben wurden, kamen die Wissenschaftler zu ähnlichen Schlüssen.“
“Seit Mai 2018 führen die chinesischen Behörden erneut landesweit Festnahmen gegen die KAG durch und verhafteten tausende von KAG-Mitgliedern in mehreren Provinzen. So wurden zum Beispiel in der Zeit vom 26. bis zum 28. Juni im Rahmen der, in der Provinz Liaoning durchgeführten, ‚Operation Donner‘ an die 300 Menschen in Dalian und Panjin festgenommen. Außerdem 47 in Dandong, 39 in Chaoyang, 36 in Benxi, 23 in Jinzhou, 19 in Shenyang, 14 in Fuxin, neun in Fushun, acht in Huludao, fünf in Yingkou, zwei in Tieling und einer in Anshan. Ihre Häuser wurden durchsucht und große Mengen religiöser KAG-Bücher sowie persönliche Gegenstände wurden von der Polizei mitgenommen. Dieser Sondereinsatz war streng geheim gehalten worden. Um vor den Festnahmen jegliches Bekanntwerden zu vermeiden, hielt die Regierung Informationen über die Ziele vor den Polizeibeamten geheim und sandten sie während des Einsatzes absichtlich in andere Gegenden. Leitende Angestellte mussten Geheimhaltungsvereinbarungen unterschreiben. Erst zehn Minuten vor Beginn des Einsatzes am 26. Juni gaben die Behörden die Namenslisten für die Festnahmen frei. Die Polizeibeamten erhielten auch Gruppennachrichten per WeChat – eine chinesische Social Media-Plattform – in denen sie angewiesen wurden, Tag und Nacht zu arbeiten, um die Festnahmen durchzuführen. Die Zahl der Berichte über die Festnahme von KAG-Mitgliedern, die wir erhalten, nimmt von Tag zu Tag zu. Außerdem haben wir im Zusammenhang mit der ‚Operation Donner‘ verstörende Berichte über Polizeigewalt, Hausdurchsuchungen ohne Durchsuchungsbefehl und Folter erhalten.“
“NGOs haben auch über höchst verdächtige Todesfälle von mehr als 30 KAG-Leitern und -Mitgliedern in Haft berichtet, was uns annehmen lässt, dass die außergerichtliche Tötung von KAG-Anhängern in China häufig vorkommt.“
“Wir fordern die chinesische Regierung auf,“ so die Schlussbemerkung von CAP-LC, “die Verfolgung der KAG zu beenden, die Vorwürfe von Folter und außergerichtlichen Tötungen zu überprüfen, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen und die internationalen Fake News-Kampagnen gegen die KAG zu beenden. Wir fordern alle UN-Mitgliedsstaaten, in denen KAG-Mitglieder aus China Asyl suchen, dazu auf, diese großzügig willkommen zu heißen, diese Flüchtlinge zu schützen und zu bedenken, dass sie, im Falle einer Rückführung nach China, mit Festnahme, Inhaftierung oder Schlimmerem konfrontiert werden würden.“