Der Prozess gegen den mutigen Aktivisten, der die Opfer der Umerziehungslager in Xinjiang verteidigt, steht kurz vor seinem Beginn. Bitter Winter sprach mit seinem Anwalt und seiner Ehefrau.
von Massimo Introvigne
Am 29. Juli 2019 soll Serikzhan Bilash, der vielleicht bekannteste Menschenrechtsaktivist in Kasachstan, wegen seiner Bemerkungen zum Horror in den Transformation durch Bildung-Lagern in Xinjiang, in denen Hunderttausende von ethnischen Kasachen zusammen mit drei Millionen Uiguren festgehalten werden, vor ein Strafgericht kommen.
Am 19. Juli schickte der stellvertretende Staatsanwalt Utegenov die Akte an das Gericht. Das Amtsgericht Almaty Nr. 2 in Nur-Sultan wird den Fall am 29. Juli um 11:30 Uhr prüfen. Als Bilash von Beamten der Nationalen Sicherheit verhaftet wurde, beschuldigte man ihn, gegen Artikel 174, Abschnitt 2, verstoßen zu haben. Aber am Ende der Untersuchung wurde die Anklage von einem Verstoß gegen Artikel 174, Abschnitt 2 zu einem Verstoß gegen Artikel 174, Abschnitt 1, geändert, was ein geringeres Strafmaß zur Folge hat, da hier extremistische Reden ohne tatsächliche Gefahr einer Gewalt bestraft werden. Doch auch dafür kann man trotzdem für zwei bis sieben Jahre ins Gefängnis gehen. Artikel 174 wurde in Kasachstan bisher gegen die Zeugen Jehovahs sowie auch gegen politische Dissidenten angewendet.
Bilash wird wegen seiner extremistischen Aussagen beschuldigt, wegen der Grausamkeiten in den Lagern von Xinjiang einen „Dschihad“ gegen die KPCh befürwortet zu haben.
Bitter Winter sprach mit Bilash‘ Anwältin, Aiman Umarova, sowie mit seiner Ehefrau Leila Adilzhan. „Ich glaube, dass hier kein Verbrechen vorliegt, sagte Umarova, denn er hat ja gesagt, er würde einen Dschihad der Informationen gegen die Behandlung von Kasachen, Kirgisen und Uiguren in den Transformation durch Bildung-Lagern in China anstoßen. Die Anklage der Staatsanwaltschaft stützt sich auf eine Expertise und einige sogenannte Zeugen, darunter der Dichter und Diplomat Mukhtar Shakhanov, der die Aussage als Befürwortung eines bewaffneten Kampfes verstanden oder eben eher missverstanden hat. Sie sagten, diese Aussagen geben Grund zu Unstimmigkeiten.“
„Die Zeugen“, so Bilashs Ehefrau gegenüber Bitter Winter, „sind allesamt Menschen, die Serikzhan nie getroffen oder mit denen er niemals zusammengearbeitet hat. Sie haben vielleicht eine Rede meines Mannes gehört, aber sie kennen ihn nicht wirklich. Diejenigen, die Serikzhans Rede auf der Konferenz gehört haben, auf der er vortrug und die ihn kannten, bestätigten alle, dass es keine Aufstachelung zur Gewalt oder zum ethnischen Hass gegeben habe.“
Als Beweis wurde ein Video vorgelegt. „Aber“, so sagte Leila, „die Nationale Sicherheit beschlagnahmte und bearbeitete das Originalvideo und isolierte das Wort ‚Dschihad‘ und übergab es dann einem nationalen Fernsehsender. Aber unsere Organisation, Atajurt, fand das Originalvideo der Rede, da man davon eine Kopie aufbewahrt hatte, und veröffentlichte daraufhin die Vollversion der Rede meines Mannes im Internet. Wenn man sie hört, ist der Kontext klar: Mein Mann sprach sich für einen Dschihad der Informationen und Wahrheit aus und nicht für Kampf und Gewalt.“
Leila stellte Bitter Winter die Liste der Personen zur Verfügung, die ein Zeugnis gegen Serikzhan ablegten, und stellte fest, dass einige von ihnen eng mit der chinesischen Botschaft zusammenarbeiten. Es handelt sich um folgende Personen:
1) A. Turabayev (die Person, die die erste Anklage verfasst hat)
2) S. Muratkhan
3) E. Mellat
4) A. Mellat
5) U. Baitailak
6) K. Anikus
7) K. Mubarak
8) Mukhtar Shakhanov.
Was die Expertin Akbarova betrifft, die bestätigte, dass Serikzhan ethnischen Hass schürte, so ist sie dafür bekannt, dass sie die Staatsanwälte bei Fällen von „Extremismus“ stets unterstützt. „Sie ist eine Person, die immer bereit ist, Gutachten zu unterzeichnen, die die Staatsanwaltschaft unterstützen und der nationalen Sicherheit helfen – egal, ob diese der Wahrheit entsprechen oder nicht“, erklärte Umarova.