Anhänger der größten in China verfolgten religiösen Einzelgruppe werden auf unbestimmte Zeit zu „Transformationszwecken“ interniert. Ihre Verwandten erhalten keinerlei Informationen über sie.
von Xiang Yi
Im letzten Jahr kam es im Uigurischen Autonomen Gebiet Xinjiang zu zahlreichen Festnahme-Kampagnen gegen Mitglieder der Kirche des Allmächtigen Gottes (KAG). Die KAG ist die größte neue christliche Religionsbewegung in China. Viele der Festgenommenen wurden ohne hinreichenden Verdacht allein aufgrund ihres Glaubens in Internierungslager geschickt und werden dort auf unbestimmte Zeit festgehalten. Aufgrund des rasanten Wachstums empfindet die KPCh die KAG als Bedrohung für die Regierung und hat diese 1995 auf die xie jiao-Liste gesetzt und seither schwer verfolgt.
Aufgrund der strengen Überwachung und Kontrollen in der Region ist es nahezu unmöglich, die genaue Zahl der Internierten festzustellen. Selbst die engsten Familienangehörigen der Internierten wissen kaum etwas über das Schicksal ihrer Angehörigen.
Kreis Shawan: Über 20 KAG-Mitglieder interniert
Im Kreis Shawan im Regierungsbezirk Tacheng wurden in der Zeit von April bis Dezember letzten Jahres mindestens 24 KAG-Mitglieder in Transformation durch Bildung-Lager gesperrt. Die Lokalbehörden hatten es strengstens untersagt, irgendwelche Informationen über deren Situation an die Öffentlichkeit dringen zu lassen.
Während einer Razzia im November wurden drei KAG-Mitglieder festgenommen. Ihre Häuser wurden durchsucht. Zwanzig Tage später führte die Polizei eine Razzia gegen eine Versammlungsstätte der KAG in der Gegend durch. Dabei wurden sieben KAG-Mitglieder festgenommen und ihre Häuser ebenfalls durchsucht. Die meisten der Festgenommenen wurden in Transformation durch Bildung-Lager gebracht.
Manche KAG-Mitglieder aus der Gegend waren bereits viele Jahre zuvor schon einmal wegen Missionarstätigkeit festgenommen worden und hatten daher einen Vorstrafeneintrag in ihren Akten. Im vergangenen Jahr waren sie festgenommen und in Transformation durch Bildung-Lager gebracht worden. Eine der KAG-Angehörigen, die damals zu sechs Jahren Haft verurteilt worden und letztes Jahr im Juni nach Ende ihrer Haftzeit entlassen worden war, kam direkt nach ihrer Entlassung in ein Lager und wird dort noch immer festgehalten.
Eine Kirchenangehörige, die 2017 interniert worden war, weil sie „in einem Telefongespräch heikle Ausdrücke verwendet hatte“, wurde bis heute noch nicht freigelassen.
Auch in anderen Gegenden in der Region ist die Lage der KAG-Angehörigen prekär. Ein vor kurzem entlassener KAG-Angehöriger, der anonym bleiben möchte, berichtete, dass in seiner Klasse im Transformation durch Bildung-Lager im Norden Xinjiangs mindestens 47 KAG-Mitglieder gewesen seien. Alle von ihnen waren auch gefoltert worden. Manche waren festgekettet und in die Luft gehängt worden, andere hatte man an eine Tigerbank (ein Foltergerät) gebunden, ihnen Elektroschocks verpasst oder sie geschlagen.
Es gibt keinen Zugang zu Informationen
Im Winter 2017 nahmen Gemeindeangestellte eine KAG-Angehörige aus dem Norden Xinjiangs mit. Anderthalb Jahre später weiß ihre Familie immer noch nicht, wo sie festgehalten wird. Erst in der zweiten Hälfte von 2018 durfte die Familie per Videoanruf mit ihr kommunizieren. Dabei wurde jedoch nicht preisgegeben, wo sie sich befindet. Während des Videotelefonats stellte die Familie fest, dass die Frau sehr dünn geworden war, konnte jedoch nichts über ihren Gesundheitszustand herausfinden.
Die Verwandten einiger festgenommenen KAG-Mitglieder wurden von der Regierung bedroht, keine Nachforschungen über diese anzustellen oder irgendjemanden über die Festnahmen zu erzählen. Auch ihre Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt: Sie müssen um Erlaubnis bitten, wenn sie die Stadt verlassen möchten.
Ein weiterer Verwandter einer KAG-Angehörigen aus dem Norden Xinjiangs berichtete Bitter Winter, dass diese zwei Mal festgenommen worden sei, nachdem über 50 Polizeibeamte ihr Haus durchsucht hatten.
„Die Polizei hat unser Haus praktisch verwüstet. Es hat lange gedauert, alles wieder aufzuräumen. Einen Monat lang herrschte bei uns im Haus Chaos“, berichtete der Verwandte wütend.
Erst einen Monat später erfuhren die Verwandten, dass die festgenommene Frau in einem Transformation durch Bildung-Lager interniert worden war – doch die Polizei verbot es ihnen, sie zu besuchen.
„Alle Fenster und Türen sind mit Stacheldraht versehen. Die Lehrer in den Transformation durch Bildung-Lagern benutzen eine Zugangskarte, um das Gelände zu betreten oder zu verlassen. Außenstehende haben keine Möglichkeit, das Gelände zu betreten“, erzählte der Mann von seinem Versuch, das Lager zu besuchen, um seine Verwandte zu sehen.
Eine KAG-Angehörige aus der Regierungsbezirksstadt Hami im Osten Xinjiangs wurde nach ihrer Festnahme im August letzten Jahres in ein Transformation durch Bildung-Lager geschickt. Insider berichten, dass sie zusammen mit einigen uigurischen Frauen festgehalten wird. Ihrer Familie wurde mitgeteilt, dass ihr Fall bereits an ein Gericht übergeben worden sei und sie zu mindestens sieben Jahren Gefängnisstrafe verurteilt würde. Da die lokalen Gefängnisse überfüllt sind, kann es sein, dass sie in eine andere Gegend überführt wird. Ihre Festnahme liegt über zehn Monate zurück und die Regierung hat sie immer noch nicht rechtmäßig verurteilt.
Im Jahresbericht zur Internationalen Religionsfreiheit des US-Außenministeriums für das Jahr 2018 stellt sich die Kirche des Allmächtigen Gottes, was einzelne Religionsbewegungen anbelangt, als die am stärksten verfolgte Gruppe heraus: 2018 wurden Berichten zufolge 11 111 Mitglieder festgenommen. Die am zweitstärksten betroffene Religionsgruppe – Falun Gong – berichtete über ungefähr 9000 Angehörige, die 2018 festgenommen und schikaniert wurden, weil sie sich weigerten, ihrem Glauben abzuschwören.