China verstärkt die Ächtung „religiöser oder feudaler“ Ideen sowie die Umerziehung von Religionslehrern, um sicherzustellen, dass Schüler nur den Marxismus kennen.
In China wird die Rolle von Lehrern mit der von Gärtnern verglichen, die eine wichtige Rolle bei der Pflege der „Nachfolger der Kommunistischen Partei“ spielen. Sie müssen „ideologisch“ unproblematisch sein und ihre Worte sorgfältig wählen. Doch für diese „Gärtner“ wird das Leben sehr schwierig, wenn sie gläubig sind.
Bitter Winter hat Dokumente erhalten, die den Ansatz der chinesischen Bildungsbehörden im Umgang mit religiösen Lehrern darstellen. Die Unterlagen stammen aus einer Schule im autonomen Gebiet der Inneren Mongolei, legen einen Prozess zur Überwachung von Lehrern und die Dokumentation von Gläubigen dar und bieten zudem all jenen ideologische „Unterstützung“ an, die sich als religiös herausstellen.
In einem der Dokumente sind die offiziellen Ergebnisse der Untersuchung von Lehrern in der Schule aufgeführt, die zwei Lehrer für religiös befunden hat: einen Christ und einen Moslem.
Das nächste Dokument zeigt, dass die Schulbehörden Parteimitglieder angewiesen haben, die „betreffenden christlichen Lehrer“ auf Einzelebene „zu unterstützen“, indem sie sog. „Unterstützungspaare“ bildeten.
Das Dokument zählt die Arten der Unterstützung auf, z. B. den Fokus auf „Bedarfe“ des täglichen Lebens der Person, die Unterstützung erhält, ihre Anschauung, ihre Aktivitäten und ihre Arbeit; die Ausarbeitung eines Unterstützungsplans und die Förderung der Richtlinien, Gesetze und Vorschriften der Partei. Die „unterstützten“ Lehrer werden ermutigt, dem örtlichen Parteikader alle Schwierigkeiten zu melden, die sie im Leben oder bei der Arbeit haben.
Ein anderes Formular zeichnet den Inhalt der „Unterstützungssitzung“ des christlichen Lehrers auf. Die Themen für „Bildung“ können u.a. sein: intensive Beschäftigung mit der Religionspolitik der Regierung, der Geist des 19. Nationalkongresses der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) oder das Verständnis von Patriotismus. Die Einträge im Formular führen auch grundlegende Informationen zur Religion der „unterstützten“ Person auf, wie z. B. das Jahr, in dem er/sie gläubig wurde, wie wichtig die Religion für die Person ist und an welchen religiösen Aktivitäten er/sie regelmäßig teilnimmt, usw.
Nach einer gewissen Zeit muss der „unterstützte“ Lehrer eine Selbsteinschätzung vorlegen. Das Verwaltungsregister für religiöse Lehrer und Schüler an der Schule listet die jüngsten religiösen Aktivitäten des Lehrers auf, z. B. in welche Kirche er/sie ging, wann und an welchen religiösen Aktivitäten der Lehrer teilnahm.
Ein weiteres Dokument ist ein vom Lehrer verfasster Bericht zum „ideologischen Verständnis“ in dem es zum Teil heißt: „[Ich muss] mein Denken an ‘Xi Jinpings Gedanken über den Sozialismus mit chinesischen Merkmalen für eine neue Ära‘ ausrichten. Ich muss wissen, welche Fahne ich hissen und welchen Weg ich einschlagen soll… Die Schule ist eine pädagogische und kulturelle Front. Keine Person oder Organisation darf religiöses Gedankengut auf dem Campus begünstigen. Besonders als Lehrer muss ich mir dessen ganz bewusst sein.“
Untersuchungen und Umerziehungen von Lehrern fanden auch in anderen Teilen der Inneren Mongolei statt. Im Oktober 2018 erhielt Bitter Winter ein Exemplar eines „Plans zur Korrektur der religiösen Arbeit“, der vom Ausschuss für Bildung, Technologie und Sport eines Bezirks in der Inneren Mongolei herausgegeben worden war.
Dieser Plan sieht vor, dass der religiöse Status von Lehrern und Schülern untersucht und alle Detailangaben zu den Personen überprüft werden müssen. Außerdem müssen Schulen eine „dynamische Verwaltungsregistrierung“ einrichten, um Informationen über die religiösen Aktivitäten von Lehrern und Schülern aufzeichnen zu können – mit einem Register pro Person. Jede Aktivität muss separat gemeldet werden. „Unterstützungspaare“-Aktivitäten müssen durchgeführt werden.
Neben der Überwachung religiöser Lehrer und der Anordnung ideologischer „Unterstützung“ setzen die Bildungsbehörden auch strikte Richtlinien für akzeptable Ideen und Werte um, die Lehrer in der Schule kommunizieren dürfen.
Am 14. November 2018 postete das Büro für akademische Angelegenheiten einer Mittelschule in der Provinz Gansu im Nordwesten Chinas eine Mitteilung für die WeChat-Gruppe seiner Lehrer, mit dem Titel Anforderungen und Praktiken in Bezug auf Ideologie an der Schule. In der Mitteilung heißt es: „Lehrer müssen den Schülern zeitnah ‘Xi Jinpings Gedanken zum Sozialismus mit chinesischen Merkmalen für eine neue Ära‘ näherbringen und die politische Disziplin durchsetzen. Lehrer dürfen nicht ‘machen was sie wollen‘ oder ‘unüberlegt ihren Mund aufmachen.‘ Im Unterricht dürfen Lehrer keine unangemessene Sprache verbreiten oder über religiöse, feudale oder abergläubische Ideologien sprechen… Die Schulbehörden halten den Wert der Stärkung der ideologischen Erziehung der Studenten weiterhin hoch.“
Ein Lehrer berichtete Bitter Winter, dass die Mitteilung festlegt, dass Lehrer aktuelle Konflikte in China nicht kritisieren dürfen. Ganz allgemein dürfen sie sich weder beschweren, ihren Klagen Luft machen, noch verschiedene „negative Emotionen“ ihren Schülern gegenüber transportieren. In der Mitteilung heißt es weiter, dass Lehrer westliche Länder nicht loben oder westliche Werte und Institutionen fördern dürfen und dagegen ankämpfen müssen, eine Vorstellung zu verbreiten, „dass der Mond in anderen Ländern heller scheint als in China“. Und schließlich sind alle „Bücher über feudalen Aberglauben oder Religion in Schulbüros, in Bücherregalen im Klassenzimmer oder unter Schülern strengstens verboten.“
Der Rektor dieser Mittelschule hatte in einer Versammlung an seiner Schule, noch bevor diese Bekanntmachung veröffentlicht wurde, bereits verkündet: „Alle religiösen Überzeugungen sind verboten. Werden sie bei einem Lehrer entdeckt, wird dieser sofort aus dem öffentlichen Dienst entlassen! Der Glaube an den Buddhismus oder den Taoismus ist gleichermaßen inakzeptabel!“
Dieses harte Durchgreifen gegen den Glauben und das Verhalten von Lehrern ist Teil eines größeren Unterfangens. Bitter Winter hat eine Kopie eines Dokuments mit dem Titel Spezialplan zum harten Durchgreifen gegen Widerstandsbemühungen und zur Prävention religiöser Infiltration auf dem Campus im gesamten Bildungssystem des Bezirks erhalten.
Das Dokument, das im August 2018 vom Bildungsbüro eines Bezirks in der Stadt Anshan in der Provinz Liaoning herausgegeben wurde, unterteilt das Vorgehen gegen Religion auf dem Campus in sechs große Abschnitte, darunter zwei Bereiche, die sich speziell mit Lehrern beschäftigen. Der erste Bereich, die Kampagne „Reinheit auf dem Campus“, verlangt, dass die Lehrpläne, die Vorbereitung der Lehrer und der Klassenunterricht der Lehrer, einschließlich aller Lehrer in Privatschulen und verschiedenen Ausbildungskursen genauestens untersucht werden. Ziel ist es, Inhalten mit religiösen Untertönen ein Ende zu setzen und „sicherzustellen, dass Bildung und Unterricht konform mit der richtigen politischen Richtung stattfinden.“
Der zweite Bereich – in Abschnitt sechs – beschreibt eine Kampagne zur „Pflege der Jugend“, die sich gezielt an die Lehrer richtet. Sie fordert, dass der ideologische Status von Lehrern ermittelt wird und dass Lehrer angewiesen werden müssen, „der pädagogischen Sache der Partei gegenüber loyal zu sein“ und den Gedanken „eines unablässigen Kampfes für die pädagogische Sache der Partei“ aufrechtzuerhalten. Darüber hinaus legt das Dokument fest, dass „ein Festhalten an diesem Glauben eine Voraussetzung für die Entwicklung ‘der moralischen Sittlichkeit von Lehrern‘ ist und als Teil des Inhalts der Sittlichkeitsbewertungen von Lehrern mit einfließen wird.“ Anders ausgedrückt: Ob ein Lehrer „Moral und Sittlichkeit“ besitzt, hängt schlichtweg davon ab, ob er/sie „der Sache der Partei gegenüber loyal ist.“
Bericht von Wang Anyang