Überall in China kommt es verstärkt zu Zwangserfassungen von biometrischen Daten. Das Ziel ist eine noch umfassendere Überwachung der Bevölkerung. Besonders betroffen sind Angehörige ethnischer Minderheiten und Gläubige.
von Chang Xin
Das Ministerium für Öffentliche Sicherheit hat in den 2000ern im Rahmen eines größeren Projektes namens „Goldenes Schild“ mit dem Aufbau einer nationalen DNA-Datenbank begonnen. Mittlerweile werden überall in China umfassend biometrische Daten der Bevölkerung für die Datenbank erfasst. Unter dem Vorwand, man schaffe ein Werkzeug für den „Kampf gegendie Kriminalität“ werden Zwangserfassungen von biometrischen Daten in Jiangxi, Shaanxi, Guangdong, Zhejiang, Henan, und anderen Provinzen durchgeführt.
Lokalregierung investiert in DNA-Labor
Eine Quelle aus der südöstlichen Provinz Jiangxi berichtete Bitter Winter, dass das Büro für Öffentliche Sicherheit in einer Stadt in der Provinz alles in ihrer Macht stehende unternimmt, um eine „Datenbank Y“ aufzubauen und acht Millionen Renminbi (ungefähr 1,04 Millionen Euro) investiert hat, um ein DNA-Labor einzurichten. 2018 stellte das Büro zwei Polizeibeamte an, die Spezialisten für Biotechnologie sind und betraute sie mit der Arbeit in dem Labor. Die Erfassung von DNA-Proben der Anwohner wurde beschleunigt. Das Büro für Öffentliche Sicherheit möchte sein Datenerfassungsziel bis Ende 2019 erreicht haben.
Nach unvollständigen Angaben wurden zwischen Juni und Juli Blutproben von 3000 Personen in der Großgemeinde Yanghu im Zuständigkeitsbereich der Stadt Zhangshu in Jiangxi entnommen. Wenn die Anwohner fragen, warum ihnen Blutproben entnommen werden, lautet die übliche Antwort der Behörden, dass „in Zukunft vermisste Personen anhand der DNA-Daten gefunden werden können.“
In der nordwestlichen Provinz Shaanxi haben einige Lokalregierungen die Erfassung der Blutproben von Männern in sämtlichen Haushalten – auch von Grundschulkindern – beschleunigt. Die Erfassung der Blutproben ist verpflichtend und alle Anwohner sind zur Mitarbeit aufgerufen.
Im Juli erhielten Dorfbewohner im Stadtbezirk Baqiao, der zur Hauptstadt von Shaanxi, Xi’an, gehört, über die chinesische Nachrichten-Website WeChat eine Mitteilung über die Entnahme von Blutproben. In der Nachricht stand: „Vor kurzem hat die Entnahme von Blutproben für eine landesweite genetische DNA-Datenbank begonnen. Die Polizeidienststelle hat extra Angestellte damit betraut, kostenlos Proben zu entnehmen. In Familien mit fünf männlichen Mitgliedern werden einem Mann Blutproben entnommen. In Familien mit zwischen fünf und 25 männlichen Mitgliedern werden zwei Männern Blutproben entnommen. Wer bis zum vereinbarten Termin keine Probe zur Verfügung stellt, muss die entsprechenden Konsequenzen tragen.“
Am 24. Juli ging ein Dorfbeamter in Begleitung von Beamten der Polizeidienststelle im Dorf von Tür zu Tür, um Blutproben sämtlicher männlicher Haushaltsvorstände zu entnehmen. Wenn diese nicht zu Hause waren, wurde verlangt, dass sie am nächsten Tag zur Blutentnahme zur Polizeidienststelle kommen sollten.
Ein Dorfbeamter berichtete Bitter Winter Folgendes: Als er den Polizeibeamten sagte, dass er kurz vor seinem Lebensende stehe und es keinen Sinn ergeben würde, Blutproben von ihm zu entnehmen, habe einer der Polizisten geantwortet, dass selbst wenn er morgen schon sterben würde, seine Blutproben heute benötigtwerden.
Als ein paar Dorfbewohner wissen wollten, wozu die Blutproben gebrauchtwerden, wichen die Polizisten einer eindeutigen Antwort aus und erklärten lediglich, dass diese dazu dienten, eine DNA-Datenbank aufzubauen, um „zu verhindern, dass Leute verschwinden“. Diese Antwort gefiel einigen Dorfbewohnern gar nicht. „Mit dieser DNA-Datenbank können die Menschen überall aufgespürt werden“, meinte einer von ihnen.
DNA-Daten zur Unterdrückung von Minderheiten und für Organraub genutzt
Bitter Winter hat einen Datenerfassungsbogen erhalten, der von einer Stadt im Uigurischen Autonomen Gebiet herausgegeben wurde. Auf diesem werden Anwohnerdaten erfasst, die von grundlegenden Informationen über jede Person und ihre Familie sowie Informationen über ihre Freunde und ihre sozialen und religiösen Beziehungen bis hin zu 3D-Fotos, Handschriftproben, Fingerabdrücken, DNA-Proben, Iris-Scans, Sprachmusterproben und anderen biometrischen Daten reichen.
Wie The New York Times im Februar berichtete, spielt die Erfassung von Genmaterial eine Schlüsselrolle in Chinas Kampagne, die uigurische Bevölkerung Xinjiangs der Regierung zu unterwerfen. Die DNA-Datenbank wird dazu genutzt, jene Uiguren zu verfolgen, die weigern, den Anforderungen zu entsprechen.
Es wurden auch Befürchtungen laut, dass die KPCh die erfassten DNA-Daten zur Errichtung einer Datenbank für Organtransplantationen nutzen könnte. Das Unabhängige Volksgericht zur Untersuchung der Zwangsentnahme von Organen an Gewissensgefangenen in China stellte im Juni dieses Jahres fest, dass durch die seit 2017 durchgeführte umfassende Erfassung von DNA-Daten von jedem Mann, jeder Frau und jedem Kind der uigurischen Gemeinschaft in Xinjiang ein unheilvoller Datenpool potentieller Organspender entstanden sei, der sich später als Beweis für Organraub herausstellen könnte.
Blutproben zum Aufspüren von Gläubigen genutzt
Die Zwangserfassung von DNA-Daten von Bürgern verstößt nicht nur massiv gegen das Recht auf Privatspähre der Menschen, sondern stellt auch eine Bedrohung für Mitglieder bestimmter verfolgter Religionsgruppen dar.
Die Ehefrau eines Mitglieds der Kirche des Allmächtigen Gottes aus der Zentralprovinz Henan berichtete Bitter Winter, dass ihr Mann von zu Hause geflohen sei und nun im Untergrund lebe, weil die Polizei ihn wegen seines Glaubens verfolgt hatte. Vor kurzem kamen Beamte der lokalen Polizeidienststelle zu ihr und sagten, dass ihrem Sohn eine Blutprobe entnommen werden müsse, wenn sie ihren Ehemann wiederfinden wolle. Auf diese Art kann die Polizei ihren Mann über die DNA-Datenbank aufspüren, wenn er krank wird und ins Krankenhaus muss.