Die KPCh verschärft ihre Razzien gegen ausländische religiöse Gruppen in China; Gläubige dürfen keine Kontakte zu Ausländern haben und nicht einmal ausländische Fernsehprogramme ansehen.
von Wang Anyang
Eine Gläubige aus der Stadt Tonghua in der nordöstlichen Provinz Jilin sprach im Juni mit einem Pastor aus einer staatlich anerkannten Drei-Selbst Kirche und erwähnte beiläufig, dass Südkoreaner den Bau der neuen Kirche, die sie besuchte, finanziert hätten. Zu ihrer Überraschung wurde der Pastor sehr ängstlich und sagte, sie solle nicht noch einmal in der Öffentlichkeit erwähnen, dass die Kirche irgendwelche Verbindungen zu Südkorea habe. „Er sagte mir, dass man in China sagen muss, dass es eine chinesische Kirche ist. Wenn die Regierung herausfindet, dass Südkoreaner die Kirche gebaut haben, wird sie geschlossen und wir werden dort keine Versammlungen mehr abhalten können“, berichtete die Frau von ihrem Gespräch mit dem Pastor.
Die Besorgnis des Pastors ist verständlich, denn im Rahmen der landesweiten Kampagne zur Bekämpfung von religiösen Gruppen mit Verbindungen ins Ausland sind in der gesamten Provinz Jilin Maßnahmen zu ihrer Unterdrückung (insbesondere des südkoreanischen Christentums) in vollem Gange. Der Plan zur gemeinsamen Ermittlung gegen religiöse Infiltrationstätigkeiten, der von einer Kommunalgemeinde in Jilin im April dieses Jahres herausgegeben wurde, ruft dazu auf, religiöse Treffpunkte mit Verbindungen ins Ausland sehr genau zu untersuchen, die tagtäglichen Aktivitäten – auch online- der Missionare in China zu überwachen und nachzuprüfen, ob Gotteshäuser irgendwelche Verbindungen ins Ausland haben.
Am 4. Juli trafen sich Regierungsvertreter im Landkreis Dongfeng, Liaoyuan, einer Stadt an der Grenze zu Tonghua, zu einer Besprechung bezüglich der Eindämmung von „ausländischer religiöser Infiltration“ aus den Vereinigten Staaten und Südkorea. Mehr als 700 Mitarbeiter, darunter Beamte des Büros für Religiöse Angelegenheiten und der Vereinigten Arbeitsfront sowie KPCh-Sekretäre aus jeder Stadtgemeinde und allen Dörfern, nahmen an der Sitzung teil, um die konzertierte Aktion zu koordinieren.
Auch in anderen Provinzen werden religiöse Gruppen mit Bezug zum Ausland stark unterdrückt. Am 17. Juni wurde ein chinesischer Pastor in einer Niederlassung der südkoreanischen Sungrak-Kirche (wörtlich: die „Kirche der Heiligen Musik“) in der nordöstlichen Provinz Liaoning verhaftet und verhört. Die Polizei fragte ihn immer wieder, ob die Kirche Geld aus Südkorea angenommen habe und drängte ihn, Informationen über die Mitglieder der Kirche preiszugeben. Er wurde schließlich freigelassen, nachdem die Polizei ihn gezwungen hatte, eine Erklärung zu verfassen, in der er versprach, keine Versammlungen mehr abzuhalten.
Der chinesische Hauptsitz der Sungrak- Kirche befindet sich in der Stadt Harbin in der nordöstlichen Provinz Heilongjiang. Am 8. Dezember 2017 stürmte die Polizei dort die Kirche, als die Gemeinde gerade ihre Eröffnungsfeier für das neu gebaute Gotteshaus abhielt. Über zehn Pastoren wurden verhaftet, darunter vier aus Südkorea, die anschließend ausgewiesen wurden und fünf Jahre lang nicht mehr nach China einreisen dürfen. Im vergangenen Jahr wurde der Hauptsitz der Kirche erneut durchsucht und die Kanzel sowie andere Einrichtungen in der Kirche zerstört. Anschließend wurde die Kirche amtlich versiegelt und geschlossen.
Die Sungrak-Kirche ist eines der Hauptziele der Unterdrückung, wie der Arbeitsplan zum Sondereinsatz bezüglich der Überprüfung von und des Vorgehens gegen christliche Infiltration aus dem Ausland gemäß dem Gesetz, der Anfang dieses Jahres gemeinsam von der Vereinigten Arbeitsfront und dem Ministerium für öffentliche Sicherheit herausgegeben wurde, zeigt. Das Dokument erwähnt auch, dass eine Reihe von Richtlinien, die Präsident Xi Jingping erlassen hat, die Grundlage für das Vorgehen gegen die religiösen Gruppen bilden, um der „Infiltration Chinas durch die Religion“ seitens ausländischer Kräfte ein Ende zu setzen. In dem Dokument wird Präsident Xi mit folgenden Worten zitiert: „Ausländischen Kräften darf es niemals erlaubt sein, innerhalb unseres Landes ein System einzurichten; es darf niemals erlaubt sein, dass sich im religiösen Bereich Kräfte herausbilden, die gegen die Partei oder die Regierung sind.“
Auch die Zeugen Jehovas gehören zu den Zielgruppen. Mitte Mai durchsuchte die Polizei in einer Stadt in der südöstlichen Provinz Jiangxi eine Wohnung, die von einer Missionarin der Zeugen Jehovas aus Südkorea angemietet war. Der Pass der Frau wurde eingezogen, religiöse Bücher und ein Tablet-PC beschlagnahmt und die Missionarin sowie eine ortsansässige Zeugin Jehovas wurden zur Befragung ins Amt für Staatssicherheit der Stadt gebracht.
Ein Polizist sagte den Gläubigen, dass es nach chinesischem Recht Ausländern nicht erlaubt ist, in China zu predigen. Die Polizei befragte die chinesische Gläubige auch, wie sie den ausländischen Missionar kennengelernt hatte und ob sie mit anderen Menschen aus dem Ausland in Kontakt stehen würde. Sie wurde gewarnt, die Lehren der Zeugen Jehovas nicht weiter zu verbreiten. Unter dem Vorwand des „Schutzes vor Spionen“ wurde ihr jeglicher Kontakt zu Ausländern untersagt.
Nach sieben Stunden wurden die beiden Frauen dann entlassen. Die Missionarin wurde am 16. Mai direkt nach Südkorea abgeschoben. Nachdem eine andere Missionarin von der Tortur ihrer Glaubensschwestern erfahren hatte, verließ sie China aus freien Stücken.
Die KPCh nutzt jede Gelegenheit, um sich vor „ausländischer Infiltration“ zu schützen. Sogar persönliche Antennen für Satelliten-TV (in China allgemein als „kleine Topfdeckel“ bekannt), die ausländische Programme empfangen können, werden gewaltsam demontiert, sodass die Menschen keine religiösen Programme aus dem Ausland mehr ansehen können.
Die Städte Gongzhuling, Da’an und Songyuan in der Provinz Jilin erließen kürzlich Anordnungen, in denen sie Bewohner und Wohnungseigentümer in ihren Zuständigkeitsbereichen aufforderten, solche Satellitenausrüstungen abzumontieren, andernfalls würde jedem, der sich nicht daran hält, eine Geldstrafe von 5.000 RMB (ca. 600 Euro) drohen.