Ein neues, exklusives Bitter Winter-Video zeigt die grausame Wahrheit über das Transformation durch Bildung-Lager für muslimische Uiguren in Yingye’er: Es ist kein „Berufsbildungszentrum“, sondern ein Gefängnis unter einem anderen Namen.
Massimo Introvigne
Am 14. November hat einer der Bitter Winter-Reporter exklusive Bilder veröffentlicht, die aus einem der Transformation durch Bildung-Lager stammen, in denen in China anderthalb Millionen Gewissensgefangene festgehalten werden, wobei es sich bei einer Million davon um uigurische Muslime handelt. Nun hat uns ein anderer Reporter, dessen Anonymität gewahrt bleiben sollte, Bilder eines weiteren Transformation durch Bildung-Lagers in Xinjiang geschickt, das im Inneren wie ein Gefängnis aufgebaut ist.
Vor kurzem sind die Behörden der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) angesichts der beständigen Anprangerung und Verurteilung der Transformation durch Bildung-Lager durch die internationale Gemeinschaft dazu übergangen, die Existenz der Lager nicht mehr zu leugnen, sondern sie als „Berufsbildungszentren“ auszugeben. Unser Videomaterial zeigt, dass es sich bei den Lagern in Wirklichkeit um Gefängnisse handelt, die nur anders benannt werden. Außerdem gibt es glaubwürdige Berichte, dass dort auch Menschen gefoltert werden und sterben.
Das neue Video kommt – wie auch das bereits am 14. November veröffentlichte Video – aus der Gegend von Yining (Xinjiang). In Yining gibt es mehr als ein Lager. Im August ist unser Reporter in das Transformation durch Bildung-Lager in der Gemeinde Yingye’er eingedrungen und hat Aufnahmen von den Innenräumen gemacht.
Im Transformation durch Bildung-Lager befindet sich ein Komplex aus orangefarbenen Gebäuden, die nebeneinander aufgereiht sind. Darin befinden sich die Schlafsäle für die „Schüler“ im Lager. Betrachtet man die Außenseite der Gebäude des Komplexes genauer, so stellt man fest, dass jedes Gebäude vier Stockwerke hoch ist. Die Fenster aller Stockwerke sind mit Sicherheitsgittern und zusätzlichem Maschendraht versehen. An den Ausgängen jedes Gebäudes sind je drei Überwachungskameras angebracht, welche die komplette Umgebung links, rechts und in der Mitte überwachen. Auf den Außenwänden der Gebäude stehen Slogans wie: „Von Herzen Dank für die herzliche Fürsorge des Zentralkomitees der Partei, in dessen Zentrum Xi Jinping steht“.
Im Inneren ist das Gebäude wie ein Gefängnis oder eine Haftanstalt in Zellen aufgeteilt. Jeder Raum ist mit doppelten Eisentüren ausgestattet und die äußere Eisentür ist ebenfalls mit einem Sicherheitsgitter und einem Tastaturschloss versehen. Jeder „Schlafraum“ besitzt einen eigenen Waschraum und ist mit einer Überwachungskamera ausgestattet. Wie eine Insiderquelle verraten hat, werden bis zu 15 Personen in einem Schlafraum festgehalten. Außerdem haben Nachforschungen ergeben, dass sich auf jedem Stockwerk 28 Schlaf- und drei Klassenräume befinden. Auf den Wänden vor den Klassenzimmern stehen Slogans wie: „Lerne täglich Mandarin“ (was an die Uiguren gerichtet ist, die für gewöhnlich kein Mandarin sprechen, sondern nur ihre eigene Sprache, Uigurisch) und „Folge der Führung von Xi Jinpings Vorstellung eines Sozialismus chinesischer Prägung für ein neues Zeitalter und strebe unermüdlich danach, den Traum Chinas zu verwirklichen, das eine großartige Erneuerung der chinesischen Nation anstrebt.“ In den Klassenzimmern sind die Lehrerpulte durch Gitter und Netze von den Tischen der Schüler getrennt.
Außerdem gibt es auf diesem Stockwerk des Gebäudes auch einen gesonderten Überwachungsraum. Auf dem großen Bildschirm ist deutlich zu erkennen, dass in jedem Winkel des Gebäudes 360-Grad-Überwachungskameras angebracht sind – nicht nur in den Klassenzimmern, Schlafräumen und Korridoren, sondern sogar auch in den Waschräumen. Jede Bewegung der Insassen wird rund um die Uhr überwacht. Sie werden jeglicher Freiheit oder Privatsphäre beraubt.
Jedes Gebäude wird vollständig und streng überwacht. Zusätzlich zu den Überwachungskameras, die in jedem Winkel des Gebäudes angebracht sind, wurden die Gebäudeeingänge mit Eisentüren versehen. Außerdem wurden die Fenster eines jeden Raumes in den Korridoren mit engen Eisenstäben und Drahtnetzen gesichert. Sogar die Fenster in dem Raum, der als Cafeteria für die „Schüler“ genutzt werden kann, sind davon nicht ausgenommen. Eine Flucht ist den Insassen nahezu unmöglich.
Unser Reporter stellte auch fest, dass vor bestimmten Gebäuden mehrere Gebiete unbebauten Landes mit Maschendrahtzaun umgeben und daneben große Mengen noch unbenutzten Stacheldrahts aufgehäuft sind. Auf einer Seite der Zäune steht „Notfallstelle“. Eine Insiderquelle der Einrichtung für Öffentliche Sicherheit berichtet, dass es sich bei dieser „Notfallstelle“ wahrscheinlich um eine Art „Pausenhof“ für die Insassen handelt. Auf diesem „Pausenhof“ können die Gefängnisinsassen sich zu festgelegten Zeiten an der frischen Luft bewegen und Turnübungen machen.
Das Transformation durch Bildung-Lager in Yingye’er wird nach außen hin als Berufsbildungszentrum angepriesen, obwohl es sich im Inneren in keinster Weise von einem Gefängnis unterscheidet.
Als unser Reporter im August dieses Jahres diese Aufnahmen machte, befand sich das Transformation durch Bildung-Lager in Yingye’er noch in der Bauphase. Ein Angestellter berichtete unserem Reporter jedoch, dass im September bereits mehrere Tausend Menschen dort festgehalten wurden. Als der Reporter nachfragte, was für Menschen dort festgehalten würden, bemerkte der Angestellte, dass etwas nicht stimmte und meinte: „Das ist geheim. Ich kann es Ihnen nicht sagen“.
Doch nun kommt die Wahrheit ans Licht. Bitter Winter-Videos, die unsere Reporter aufgenommen haben, indem sie sich hohen Risiken aussetzten, zeigen, dass es sich bei den Transformation durch Bildung-Lagern um Gefängnisse handelt und nicht um Berufsbildungszentren oder Schulen.