Schon wieder wurde eine christliche Gruppe – die in Henan von Xu Yongze gegründete Gruppe der Wiedergeburt – verboten. Nach einer landesweiten Razzia kommen nun die ersten Flüchtlinge nach Europa.
Massimo Introvigne
Anwälte in Europa berichten Bitter Winter immer häufiger über chinesische Flüchtlinge, die der “Gruppe der Wiedergeburt“ angehören und die sie nur schwer einordnen können. Es gibt keine wissenschaftlichen Studien über diese Gruppe, die recht groß zu sein scheint, aber kaum bekannt ist. Wir konnten jedoch aus unterschiedlichen Quellen und von unterschiedlichen Informanten einiges an Informationen zusammentragen. Weitere Informationen wären uns sehr willkommen.
Xu Yongze (徐永泽), der im Westen als Peter Xu bekannt ist, wurde am 9. Oktober 1940 im Kreis Zhenping (Henan) geboren. Seine Eltern waren Christen. Es wird berichtet, dass er als Kind Visionen hatte, in denen Gott ihn aufrief, Prediger zu werden.
Die Berichte darüber, wie er seine eigene religiöse Bewegung (in Henan) gründete und wie sich diese entwickelte, variieren – sowohl jene der chinesischen Regierung als auch jene aus anderen Quellen. Das Gründungsdatum wird in einem Zeitraum von 1968 bis – was wahrscheinlicher ist – 1984 angegeben. Auch gibt es für die Bewegung mehrere Namen “All Range“- oder “All Sphere“-Kirche (全范围教会), Gruppe der Wiedergeburt (重生派) oder die Weinenden (哭派). Die chinesischen Behörden schätzen, dass die Bewegung “mehrere Tausend Anhänger“ hat. Evangelische Journalisten aus dem Westen geben die recht spektakuläre, nicht belegte Zahl von 20 Millionen Anhängern an.
Der Name “die Weinenden“ bezieht sich darauf, dass in deren Theologie Tränen als äußeres Zeichen dafür gelten, dass man erlöst wurde. Dieses Weinen findet während dreitägiger Besinnungstage statt, die als “Life Meetings“ (生命会) bezeichnet werden. Bekannte chinesische Hauskirchen-Pastoren wie Samuel Lamb (1924-2013) und Allen Yuan (1914-2005) betrachteten die Theologie des Weinens als eine “Erlösung durch Taten“-Häresie. Xu wies das jedoch zurück – keiner sei durch Weinen erlöst worden, es sei nur ein äußerliches Zeichen der Erlösung, die aus der Gnade Jesu Christi erwachse.
1988 erklärte die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) Xus Kirche zur xie jiao (“heterodoxe Lehre“) – also lange bevor 1995 die erste offizielle xie jiao-Liste veröffentlicht wurde. Seitdem findet sich die Kirche beständig auf dieser xie jiao-Liste wieder. In einer solchen aktiv zu sein gilt nach Artikel 300 des chinesischen Strafgesetzbuches als Straftat und wird mit einer Gefängnisstrafe von drei bis zu sieben Jahren “oder mehr“ geahndet. Warum die KPCh Xus Gruppe als xie jiao eingestuft hat, ist unklar.
In internen KPCh-Dokumenten wird erwähnt, dass das laute Weinen die Nachbarn störe – was kein wirklicher Anlass zu politischer Besorgnis sein sollte. Wahrscheinlicher ist, dass die KPCh sich durch Xus Kritik an der staatlich kontrollierten protestantischen vereinten Drei Selbst-Kirche und seinem Erfolg in bestimmten Provinzen gestört fühlte.
Xu wurde 1997 verhaftet, aber 2000 wieder freigelassen und konnte in die USA fliehen, wo ihm Asyl gewährt wurde. Die Drei Selbst-Kirche prangert Xus Gruppe als “üble Sekte“ an und wirft ihm vor, Gehirnwäsche zu betreiben und einen “Massenselbstmord vorzubereiten“. Das sind die üblichen (und normalerweise unbegründeten) Vorwürfe gegen “Sekten“. Manche der Hauskirchen betrachten Xus Gruppe als legitime protestantische Kirche. Andere haben Vorbehalte gegenüber ihrer Theologie des Weinens.