Derzeit ist eine umfassende Kampagne im Gange: Gläubige werden offiziell erfasst und in Transformation-durch-Bildung-“Unterricht“ geschickt. Außerdem werden weitere Überwachungskameras angebracht.
Ye Jiajia
Bitter Winter berichtete bereits vergangene Woche: Die religiöse Verfolgung in der Provinz Shandong eskaliert gerade. Im Rahmen der Vorbereitungen auf den Besuch des Zentralen Inspektionsteams für Religionsangelegenheiten haben lokale Behörden überall in der Provinz Kreuze entfernt, Tempel zerstört und sind hart gegen Hauskirchen vorgegangen. Wir haben vor kurzem Informationen erhalten, denen zufolge die Ermittlungen gegen und die Kontrolle von religiösen Versammlungsstätten und Gläubigen überall in der Provinz verstärkt wurden. Damit wird der Weg für eine noch stärkere Unterdrückung geebnet.
Gründliche Ermittlungen gegen religiöse Versammlungsstätten
Am 19. April brachte die Vereinigte Arbeitsfront des Parteikomitees in einem Kreis der Stadt Linyi eine Mitteilung heraus, in der angeordnet wurde, dass gegen alle christlichen Versammlungsstätten und buddhistischen Tempel im Kreis gründliche Ermittlungen durchgeführt und die Ergebnisse an die übergeordneten Behörden weitergeleitet werden sollen.
Die Ermittlungen gegen religiöse Versammlungsstätten und Gläubige werden in großem Ausmaß durchgeführt. Die Aufgaben werden dabei bis ins kleinste Detail aufgeteilt: Jede staatliche Einrichtung ist dafür verantwortlich, Ermittlungen gegen jede Familienwohneinheit durchzuführen. Die Büros für Bildung und Sport, Hygiene und Gesundheit sowie Industrie und Information sind unterdessen jeweils damit betraut worden, Nachforschungen in allen Schulen, Gesundheitseinrichtungen bzw. Unternehmen durchzuführen.
In der Mitteilung wird auch betont, dass diese Ermittlungen von äußerster Wichtigkeit sind. Daher muss jede Einrichtung eigens dafür Zuständige ernennen und sicherstellen, dass die Aufgaben vollständig erfüllt sind und exakte Ergebnisse geliefert werden.
Ein Gläubiger vor Ort erklärte, dass man – wenn man das übliche Vorgehen der Kommunistischen Partei Chinas bei der Unterdrückung der Religion kennt – die groß angelegten Inspektionen und die systematischen Ermittlungen als Vorboten für weitere umfassende Razzien gegen religiöse Versammlungsstätten betrachten muss.
Gläubigen wird mit “Unterrichtskursen“ gedroht
Ebenfalls am 19. April berief die Verwaltung des Kreises Guanxian im Zuständigkeitsbereich der Stadt Liaocheng ein dringendes Treffen ein. Bei diesem sollten die Ergebnisse erörtert werden, zu denen ein unangekündigter Besuch des Inspektionsteams für Religionsangelegenheiten der Provinz geführt hatte. Das Inspektionsteam hatte in dem Kreis aktive Religionsgruppen entdeckt, die keine staatliche Genehmigung besaßen. Die lokalen Behörden überall im Kreis wurden aufgefordert, detaillierte Informationen über jeden einzelnen Gläubigen – sei er Protestant, Katholik, Buddhist, Daoist oder Moslem – herauszufinden und zur Erfassung weiterzuleiten.
Um die Ermittlungsarbeiten zu unterstützen und den Aufenthalt religiöser Personen umfassend zu überwachen, haben die Kreisbehörden auch das Projekt “Scharfe Augen“ gestartet. Im Rahmen dieses Projekts muss jedes Dorf Überwachungskameras anbringen: Kleinere Dörfer sechs Kameras und Orte mit größerer Bevölkerung mindestens acht. Außerdem muss jedes Dorf eine Überwachungs- und Beobachtungsstation einrichten und “Überwachungsbeamte“ ernennen. Damit soll das landesweite Netzwerk von Überwachungskameras innerhalb von 40 Tagen vervollständigt werden.
Die Überwachungsbeamten müssen die Aktivitäten religiöser Personen ständig überwachen und darauf achten, ob irgendwelche Fremden das Dorf betreten oder verlassen. Den Gläubigen, die bei einem Gottesdienst ertappt werden, droht eine schwere Bestrafung.
Einer der Überwachungsbeamten berichtete, dass alle Gläubigen ohne Ausnahme in die Unterrichtsräume der Hochschule für Berufsausbildung und Technik des Kreises Guanxian gesperrt und einer Transformation-durch-Bildung unterzogen würden. Dies beträfe sowohl die Gläubigen, die bei den Ermittlungen entdeckt worden sind als auch diejenigen, die bereits bekannt waren, und sowohl jene, die “sich verbünden“ (ein Ausdruck, mit dem die KPCh Missionarstätigkeit bezeichnet) als auch jene, die trotz “Bildung“ ihre Religion weiter ausüben.
Um die Gesetzesvollstrecker bei ihren Razzien gegen die Religion zu unterstützen, haben die Behörden Dorf- bzw. Hilfspolizisten ernannt, welche Teil der Reservepolizeikräfte sind. Einer von ihnen berichtete: „Das Land ergreift mittlerweile Maßnahmen, um gegen alle Arten des religiösen Glaubens vorzugehen. Manche der Vorschriften der landesweiten Kampagne ‚zur Beseitigung von Bandenkriminalität und Auslöschung des Bösen‚ sind eigentlich so formuliert, dass sie sich gegen Gläubige richten.
Die als “xie jiao” bezeichneten Gruppen leiden am stärksten
Die KPCh setzt religiöse Gruppen, die nicht der staatlichen Kontrolle unterliegen oder von denen die KPCh glaubt, dass sie schnell wachsen und eine Bedrohung für das Regime darstellen, auf eine Liste der xie jiao und geht mit absoluter Härte gegen sie vor. In der Zwischenzeit vermischt die KPCh fälschlicherweise xie jiao mit den „Sekten“ westlicher Länder, um ihr Vorgehen zu rechtfertigen.
Diesen April wurden allein in der Provinz Shandong mindestens 50 Mitglieder der Kirche des Allmächtigen Gottes festgenommen und 47 verhört und fotografiert.
Bitter Winter hat ein internes Dokument erhalten, dessen Titel wie folgt lautet. Mitteilung über die Gute Weise der Durchführung mehrerer aktueller Schlüsselaufgaben der Anti-xie jiao-Arbeit. Dieses Dokument wurde im April vom Komitee für Politische und Rechtliche Angelegenheiten eines Ortes in der Provinz Shandong herausgegeben. Es verlangt, dass jede Regierungsabteilung der Anti-xie jiao-Arbeit große Bedeutung beimisst, effektive Ermittlungen durchführt sowie Präventiv- und Kontrollmaßnahmen ergreift, um sicherzustellen, dass Gläubige dieser Gruppen keine Gottesdienste oder sonstigen Aktivitäten mehr organisieren. Als Hauptwerkzeuge dafür werden Razzien gegen diese Gruppen und “Transformation- durch-Bildung“ der Gläubigen vorgeschlagen.
Außer der Kirche des Allmächtigen Gottes stehen auch die All Sphere-Kirche, Three Grades of Servants, die Apostelgemeinschaft, Falun Gong und andere Gruppen auf der xie jiao-Liste. Sie werden als vorrangiges Ziel der Razzien benannt, in deren Rahmen “Reserven abgebaut, Kontrolle verstärkt und Änderungen verhindert“ werden sollen.