In einem Gespräch mit einem Freund hatte der Lehrer Ermüdung im Zusammenhang mit der örtlichen Verwaltung zum Ausdruck gebracht und die Politik der KPCh kritisiert. Daraufhin verlor er seinen Arbeitsplatz und seine Kollegen an der Schule werden nun streng überwacht.
Im August hat Chen Qiang (Pseudonym), Lehrer an einer Mittelschule, aus der Präfektur Kashi in Xinjiang, online mit einem Freund gechattet. Die beiden sprachen über das Gastfamilien-Programm, in dem Angestellte von Institutionen, die von der Regierung betrieben werden, wie auch Schulen, gezwungen sind, mit uigurischen Familien zusammen zu leben und sie zu indoktrinieren. An einer Stelle schrieb Herr Chen: „Es ist ermüdend, ein Funktionär der Verwaltung in Xinjiang zu sein. Wenn Chen Quanguo für zehn Jahre bleibt, haben wir während dieser Jahre dunkle Zeiten vor uns.“ Chen Quanguo ist der aktuelle Sekretär der Kommunistischen Partei in der Uigurischen Autonomen Republik Xinjiang.
Kurz darauf wurde Chen Qiang von der Polizei festgenommen und verhört. Die örtliche Verwaltung und das Parteikomitee befahlen der Schule, ihn zu entlassen.
Einige Tage später hielt die Schulbehörde ein Treffen ab, um die Regeln für Lehrer bezüglich ihrer Aktivitäten auf WeChat und QQ zu diskutieren – zwei der populärsten sozialen Netzwerkseiten in China.
Der Sekretär der Kommunistischen Partei in der Schule führte aus, dass es Lehrern nicht erlaubt ist, online über Themen, wie muslimische Feste oder Feiertage oder die Aufrechterhaltung der sozialen Ordnung, zu sprechen. Sie wurden auch gewarnt, vorsichtig damit zu sein, Worte wie „ermüdet“ zu benutzen. Jeder, der dabei entdeckt würde, „sensible Informationen“ zu posten, würde, genauso wie der Administrator der Onlinechatgruppe, entdeckt und bestraft werden.
Seit dem Vorfall mit Herrn Chen haben örtliche Beamte mehrmals die Schule besucht, um ihren Leiter bei seiner Arbeit mit dem Kollegium bezüglich relevanter Politik der KPCh zu überwachen. Aufgrund dessen werden die Lehrer regelmäßig über das Protokoll zu Onlinechats unterrichtet. Darüber hinaus werden ihre Handys und Social Media-Konten stichprobenartig kontrolliert.
Herr Chens Kollege an der Schule teilte dem Reporter mit: „Er hat nur gesagt, wie es ist. Er hat nichts falsch gemacht. Für so etwas verhaftet und gekündigt zu werden – das bedeutet praktisch den Entzug des Rechts auf Meinungsfreiheit.“
Er fügte hinzu: „Wir sind nach dem Unterricht bereits müde. Obendrein müssen wir noch am Gastfamilien-Programm teilnehmen und auf Streife gehen. Und wir dürfen nicht einmal darüber sprechen, wie müde wir sind. Wir können keinen Urlaub nehmen und es ist uns nicht erlaubt, zu kündigen. Es wird von uns erwartet, bedingungslos zu gehorchen. Tun wir das nicht, werden wir im besten Fall zur Indoktrinierung geschickt, im schlimmsten Fall ins Gefängnis. Warum können wir über die Ungerechtigkeiten nicht offen sprechen?“
Quellen zufolge unterwies eine Schule in der Stadt Changji ihre Lehrer, während des Gastfamilien-Programms keine Begriffe wie „Ramadan“, „fasten“ und „in Haft nehmen“ zu verwenden, wenn sie die Ergebnisse ihres Aufenthalts bei uigurischen Familien auf der Onlineplattform der Verwaltung hochladen. Sie wurden stattdessen angewiesen, Codes, wie ZD (für Schlüsselpersonen), SJ (für jemanden, der zur „Belehrung“ abgeholt wird) und SY (für Haft), zu verwenden.
Die Schulverwaltung hat auch mehrfach betont, dass die Lehrer extrem vorsichtig und konsequent sein müssen, wenn sie Fragen der Gastfamilien beantworten.
Wenn zum Beispiel die Verwandten verhafteter Personen das Datum erfragen, an dem diese entlassen würden, muss das Lehrpersonal sagen: „Das geschieht, um ihnen zu helfen. Es geschieht, um ihnen Mandarin, Gesetze und anderes Fachwissen zu lehren.“ Sie dürfen nicht die Wahrheit sagen, wie z.B., dass es mehr als ein paar Jahre dauern wird.
Bericht von Li Zaili