Religiöse Aktivitäten werden zwangsweise durch patriotische Ideologie und traditionelle chinesische Kultur ersetzt. Die Kirchen werden dazu gedrängt, Theaterstücke und Opern aufzuführen, die den Glauben transformieren.
Li Mingxuan
Am 15. Februar erhielten zahlreiche Drei Selbst-Kirchen in der Stadt Qingdao in der östlichen Provinz Shandong eine Anweisung vom Büro für Religiöse Angelegenheiten, wonach den Kirchenmitgliedern das Singen von Liedern aus den Liedern der Anbetung oder der Sammlung geistlicher Lieder verboten wurde. Stattdessen dürfen Gläubige nur noch die Neue Kirchenlieder-Sammlung als Gesangsbuch verwenden, die von den Zwei Nationalen Christenräten Chinas herausgegeben wurde.
Der Leiter einer Drei Selbst-Kirche berichtete, dass die Lieder der Anbetung vornehmlich Bibeltexte enthalten, während die Sammlung geistlicher Lieder Erfahrungsberichte von Christen umfasst. In den Liedern geben die Gläubigen ihrer Dankbarkeit Ausdruck und lobpreisen Gott. In der Neuen Kirchenlieder-Sammlung finden sich dagegen Themen wie die Liebe zum Land, Respekt vor den Alten und den Eltern, und auch Geburtstage und Beerdigungen werden erwähnt.
„Die von der Regierung herausgegebenen Lieder handeln nur von politischen und weltlichen Dingen. Kein Gläubiger ist bereit sie zu singen“, erklärte der Kirchenleiter hilflos. Als Beispiel zitierte er den Refrain eines der Lieder: „China ist schön, China ist großartig, die Söhne und Töchter Chinas lieben China… O Herr, segne China.“
„In solchen Liedern wird Gott in keiner Weise gepriesen. Sie preisen ausschließlich das Land und unterscheiden sich nicht von weltlichen Liedern. Ist es nicht falsch und verlogen, was die Regierung da veranstaltet?“, meinte der Leiter.
Gemessen an den zahlreichen Aktivitäten liegt Shandong wohl ganz vorne bei der Integration der traditionellen Kultur in das Christentum. Anfang April berief das Büro für Ethnische und Religiöse Angelegenheiten des Stadtbezirks Mudan (Stadt Heze) ein Treffen für Vertreter des Christentums ein und verlangte, dass alle Kirchen „Christliche Kultur- und Freizeitzentren“ einrichten sollten. Dort sollen chinesische Opern und Sketche geschrieben und aufgeführt werden, und es soll Kurse für Malen, Kalligraphie, chinesische Opern, Modeschauen und Fotografie geben. Christliche Traditionen sollen mit lokalen Kulturmerkmalen angereichert und die „Sinisierung“ des Christentums vorangetrieben werden.
Am 11. Mai veranstaltete eine Kirche im Stadtbezirk Mudan eine Theateraufführung, die den Geist des 19. Nationalkongresses der Partei widerspiegelte. Es wurden Lieder über die sogenannten „Vier Anforderungen“ gesungen und das Theaterstück Hongniang (Scarlet) aufgeführt, das auf einem fiktiven Charakter aus Yingyings Biographie basiert – einer chinesischen Geschichte des schaffensfreudigen, chinesischen Autors Yuan Zhen (779-831).
Video: Opernschauspieler singen auf der Bühne über Parteipolitik und „Sinisierung“ der Religion.
„Traditionelle Kultur und Theateraufführungen sind in die Kirchen eingedrungen. Hält das die Gläubigen nicht von der Bibel fern?“, sagte eines der Gemeindemitglieder wütend. „Die Kirchen wurden in Theater umgewandelt. Sie sind nur noch dem Namen nach Kirchen, aber nicht mehr in der Realität.“
Auch in anderen Provinzen und Städten werden christliche Lieder kontrolliert und geändert. In einigen Drei Selbst-Kirchen in Chengde, Tangshan und anderen Städten der nördlichen Provinz Hebei konfiszierten Beamte die Hymnen Kanaans. Sie verboten es, die Hymnen Kanaans in Umlauf zu bringen oder daraus zu singen, und erlaubten lediglich christliche Kirchenlieder chinesischer Art.
Im März brachten die Zwei Christenräte Chinas von Hunan, der im Süden des Landes gelegenen Geburtsprovinz von Mao Zedong, einen Überblick über Hunans Fünf-Jahresplan zur Förderung der ‚Sinisierung‘ des Christentums heraus. Als eine der Hauptaufgaben bis 2022 planen die Behörden eine Kirchenlieder-Sammlung für Hunan zusammenzustellen, mit der die Integration des Christentums in die traditionelle chinesische Kultur vorangetrieben werden soll.
Im September wollen die Behörden Fujians auch ein „Konzert zur Sinisierung christlicher Musik“ veranstalten. Dabei sollen traditionelle chinesische Musical-Themen und andere beliebte Melodien gespielt werden, um auf Fujians lokale Kultur zu verweisen und den Geist eines neuen Zeitalters zu verbreiten.