Kirchen und Pastoren in ganz China unterstützten die Early Rain Covenant-Kirche und nun werden sie vom Staat ins Visier genommen.
Pastoren in ganz China, die einen gemeinsamen Brief zur Unterstützung der Religionsfreiheit unterschrieben haben, werden überwacht und verhaftet, und ihre Kirchen werden geschlossen. Diese Aktivitäten gegen Christen sind die aktuellsten Entwicklungen in einer Geschichte, die im Mai begonnen hat.
Bitter Winter berichtete im Mai, dass die Early Rain Covenant-Kirche in Chengdu von der Polizei durchsucht wurde, was zur Verhaftung von über 100 Gläubigen und zur Beschlagnahmung von Bibeln, Gesangsbüchern und anderen Büchern führte. Die Gläubigen hatten sich am 10. Jahrestag des Erdbebens von Sichuan im Jahr 2008 zum Gebet versammelt. Chengdu ist die Hauptstadt der Provinz Sichuan im Südwesten Chinas.
Im darauffolgenden Monat wurde die Early Rain Covenant-Kirche erneut durchsucht, diesmal bevor ein angekündigter Gottesdienst beginnen konnte. Die Hauskirche hatte geplant, an jenem Abend den Opfern des Massakers am Platz des himmlischen Friedens im Jahr 1989 zu gedenken, aber die Polizei stürmte die Kirche am Nachmittag. Pastor Wang Yi, seine Ehefrau und ein Dutzend Prediger und Gläubige wurden verhaftet. Pastor Wang Yi ist ein bekannter Menschenrechtsaktivist, dessen Verfolgung am 15. Mai eine strenge Verurteilung durch das Außenministerium der USA nach sich zog.
Als Folge des zweiten Angriffs auf die Early Rain Covenant-Kirche und andere Aktivitäten gegen unabhängige Hauskirchen, beschloss eine Reihe von Pastoren die Veröffentlichung eines gemeinsamen Briefes zur Verurteilung der neuen Regelungen zu Religiösen Angelegenheiten in China und kündigten Widerstand an. Ursprünglich unterzeichneten 29 Pastoren, Seelsorger und Kirchenälteste, doch angeblich gibt es mittlerweile mehr als 600 Unterschriften.
Seit der gemeinsame Brief im August veröffentlicht wurde, scheint es, als ob die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) auf jene Pastoren abzielt, die unterzeichnet haben sowie auf jene Kirchen, die von ihnen geleitet werden.
Die Early Rain Covenant-Kirche befindet sich weiterhin im Visier der staatlichen Behörden. Am 9. Dezember wurde die Kirche erneut durchsucht. Pastor Wang Yi wurde festgenommen und strafrechtlich verfolgt und alle Versammlungsstätten der Kirche wurden geschlossen und von den Behörden versiegelt.
Einige Pastoren, die den gemeinsamen Brief unterzeichnet hatten, beschlossen, sich solidarisch zu zeigen und brachen auf, um Pastor Wang und die Gemeinde persönlich zu besuchen. Doch die Behörden waren vorbereitet.
Am 10. Dezember wurde Zhang Yong (Name von der Redaktion geändert), ein Missionar einer Hauskirche in Xiamen in Chinas südwestlicher Küstenprovinz Fujian, von der örtlichen Polizei verhört. Sechs Polizeibeamte umringten Zhang Yong während des Verhörs und warnten ihn, dass er die Early Rain Covenant-Kirche nicht wieder kontaktieren dürfe.
Am 14. Dezember fuhr der Missionar Yang Xibo einer anderen Hauskirche in der Stadt Xiamen nach Chengdu, um verfolgte Christen zu besuchen. Aber bevor er sich mit ihnen treffen konnte, wurde er von örtlichen Beamten am 14. nachts verhaftet. Am zweiten Tag von Yangs Haft kamen vier Beamte des Büros für Religiöse Angelegenheiten in Xiamen nach Chengdu und brachten Yang am selben Tag zurück nach Xiamen.
Yang Xibo und Zhang Yong hatten beide den gemeinsamen Brief unterzeichnet. Zurzeit werden sie beide von den Behörden streng überwacht und es ist ihnen verboten, Xiamen zu verlassen.
Ungefähr zur selben Zeit machten sich Älteste und Mitarbeiter aus Hauskirchen in der Stadt Xuzhou in der Gemeinde Chongqing und aus anderen Orten im Osten Chinas auf den Weg, um die Early Rain Covenant-Kirche zu besuchen. Sie wurden alle entweder verhaftet oder nach Hause geschickt.
Einer Insiderquelle zufolge kommen diese Operationen der KPCh zur Verhaftung und Rücksendung von Pastoren, die die Early Rain Covenant-Kirche besuchen, systematisch landesweit zum Einsatz. Das Büro für Religiöse Angelegenheiten überwacht in allen Regionen streng alle Personen, die auf der Unterschriftenliste des gemeinsamen Briefs stehen, und haben diesen verboten, sich nach Chengdu zu begeben, um die verfolgte Kirche zu unterstützen.
„Die KPCh fürchtet, dass wir (die Pastoren der Hauskirchen) uns zusammenschließen“, sagte der Pastor einer Hauskirche.
Zhang Yong erklärte: „Die KPCh schließt jetzt jene [Kirchen] mit dem größten Einfluss, und wenn andere Kirchen sehen, was geschieht und Angst bekommen, werden sie sich auflösen. Das ist das Ziel [der KPCh]“. Er unterstrich auch, dass die KPCh Pastor Wang Yi ohne Gerichtsverfahren und ohne jeden Beweis der „Anstiftung zum Sturz der Staatsmacht“ anklagt.
Ein Mitarbeiter einer Hauskirche erklärte aufrichtig, dass, bei einer Anklage Pastor Wang Yis wegen „Anstiftung zum Sturz der Staatsmacht“ aufgrund seiner Glaubenstreue durch die KPCh, alle Pastoren, die ihrem Glauben treu sind, „desselben Verbrechens schuldig“ seien.
„Ich bin bereit, neben Pastor Wang angeklagt zu werden und mit ihm zu einer Haftstrafe verurteilt zu werden“, erklärte ein anonymer Pastor.
Die Liste der Pastoren und Kirchen, die wegen der Unterschriften auf dem gemeinsamen Brief verfolgt werden, ist lang. Einer Erklärung der Early Rain Covenant-Kirche zufolge wurden über die Hälfte der Unterzeichnenden verhört und von den Behörden unter Druck gesetzt. Bitter Winter hat bereits über Fälle solcher Schikanen in Guangdong, einer Provinz im Süden Chinas, und verfolgter Hauskirchen an anderen Orten berichtet.
Ende November wurde ein Missionar einer Hauskirche in der Stadt Xiamen, der den gemeinsamen Brief unterzeichnet hatte, zur Befragung vorgeladen. Beamte vom Büro für den Schutz der inneren Sicherheit befahlen ihm, sich zum Büro für Religiöse Angelegenheiten zu begeben und der offiziellen, staatlich genehmigten Drei Selbst-Kirche beizutreten. Ein Beamter sagte zu ihm: „Wenn es einen Konflikt zwischen religiösen Regeln und staatlichen Gesetzen gibt, musst du die Gesetze des Staates befolgen.“
„Sie [die KPCh] haben tiefsitzende Verschwörungstheorien“, so der Missionar. „Das ist ein spiritueller Krieg. Wir müssen wachsam sein und an unseren Prinzipien festhalten, damit wir nicht in die Falle des Feindes treten.”
Am 14. Dezember wurde Li Leqing, ein Prediger der Joshua-Kirche im Bezirk Yugan in der südöstlichen Provinz Jiangxi, ebenfalls von den Behörden vorgeladen, weil er die gemeinsame Erklärung der Pastoren unterzeichnet hatte.
„Der Staat verbietet die Beteiligung an gemeinsamen Unterschriftenkampagnen. Als du das unterschrieben hast, hast du das Gesetz gebrochen“, teilte die Polizei Li mit. „Die gemeinsame Erklärung der Early Rain Covenant-Kirche in Chengdu ist illegal. Der Staat nimmt diese Angelegenheit sehr ernst.“
Die Polizei verbot Li, den Bezirk ohne Genehmigung zu verlassen und drohte ihm wiederholt, dass, wenn er sich nicht daran hält, sein Personalausweis eingezogen würde. Dies würde ihn zu einer nicht-registrierten Person machen, weshalb er verhaftet werden würde.
Nicht nur Pastoren sind der Verfolgung ausgesetzt. Ganze Kirchen werden durchsucht und geschlossen, weil ihre Pastoren den gemeinsamen Brief unterzeichnet haben.
Am 10. Dezember wurde die Gemeinde der Qiuyu Qingcaodi-Kirche (wörtlich übersetzt: Kirche des frühen Regens auf grüner Wiese) in der Stadt Deyang in Sichuan durchsucht. Beamte des Büros für Öffentliche Sicherheit und des Büros für Religiöse Angelegenheiten behaupteten, dass die Kirche insgeheim unter Missachtung des Gesetzes einen Treffpunkt errichtet hätte. Die Beamten befahlen den Gläubigen, das Gebäude zu verlassen, verboten ihnen das Abhalten irgendwelcher religiösen Aktivitäten dort und brachten einen Schließvermerk an der Tür an.
An jenem Abend wurde der Kirchenälteste Hao Ming von den Behörden zum Verhör vorgeladen.
Zwei Tage später wurde die Kirche wieder von den Behörden durchsucht. Diesmal stürmten neun Polizeibeamte den Treffpunkt und verjagten über ein Dutzend Gläubige, die gerade eine Versammlung abgehalten hatten. Die Polizei beschlagnahmte den Computer und das Handy des Missionars der Kirche und brachte den Missionar zum Verhör.
Am Nachmittag des 13. Dezember verschloss der Vermieter des Treffpunkts unter massivem Druck der Polizei die Tür der Kirche. Am ersten Sonntag, nachdem die Kirche geschlossen worden war, hielt die Gemeinde ihren Sonntagsgottesdienst in einem Park in der Nähe des Jinghu-Sees bei Deyang ab. Örtliche Beamte überwachten die Versammlung und machten Fotos und Videos von den Teilnehmern.
Gläubige in Hauskirchen und andere Christen stehen heute vor einer ernüchternden Wahl: Zu ihren Prinzipien und zu ihren christlichen Genossen zu stehen, oder ihre Köpfe hängen zu lassen und zu hoffen, dass die Regierung sie nicht bemerkt.
Bericht von Lin Yijiang und Yao Zhangjin