Monatliche Besuche, detaillierte Checklisten, Nachspüren von Gläubigen, die keine genehmigten Kirchen besuchen – mit einem systematischen Plan soll sichergestellt werden, dass geschlossene Kirchen auch geschlossen bleiben.
Ein Vertreter einer Großgemeindeverwaltung aus der chinesischen Zentralprovinz Henan hat Bitter Winter Informationen zu dem “System der wiederholten Inspektionen“ gegeben, das dafür sorgen soll, dass geschlossene Kirchen auch endgültig geschlossen bleiben. Die Quelle berichtete auch über zwei Formblätter, die bei diesem Vorgehen verwendet werden und die weiteres Licht darauf werfen, welches Ausmaß die Verfolgung von Gläubigen in China mittlerweile angenommen hat.
Das System der wiederholten Inspektionen sieht vor, dass Regierungsangestellte in Dörfern und Großgemeinden nach der Schließung einer Kirche – sei es eine Hauskirche, oder eine Drei Selbst-Kirche – jeden Monat Inspektionen durchführen. Während dieser wiederholten Inspektionen müssen sie einen detaillierten Bericht erstellen, Fotos machen und eine Checkliste für wiederholte Inspektionen ausfüllen. Außerdem müssen sie den Leiter der geschlossenen Kirche befragen. Am Ende des Monats müssen die Dokumente und Fotos der Vereinigten Arbeitsfront des Kreises vorgelegt werden.
Im Rahmen dieser Politik ist auch vorgesehen, dass Regierungsangestellte sich ein klares Bild von der Stimmung und der Meinung der Gemeindemitglieder des geschlossenen Gotteshauses machen und “diese Vorschrift in vorbildlicher Weise verbreiten und erzieherische Führung bieten.“
Bitter Winter hat von der Quelle auch eine “Periodische Checkliste für christliche Versammlungsstätten“ erhalten. In dieser Checkliste müssen die Inspektoren dokumentieren, wo sich die, für die Versammlungsstätte zuständige, Person aufhält. Ob alle religiösen Symbole und Einrichtungsgegenstände von der Anlage entfernt wurden; wofür die Kirche nun verwendet wird, falls sie mittlerweile einem anderen Zwecke dient; ob alle Unterlagen zur Kirchenschließung in Ordnung sind; ob sich die Gemeindemitglieder noch privat treffen und vieles mehr.
Ein anderes Formblatt, das Bitter Winter zugespielt wurde, trägt den Titel “Liste der Personen, die nicht an religiösen Aktivitäten in der ausgewiesenen Versammlungsstätte teilnehmen“. Dieses Formblatt wird dazu verwendet, detaillierte Informationen darüber zu sammeln, ob Christen von geschlossenen Hauskirchen die Anweisungen befolgen und Drei Selbst-Kirchen besuchen. Wenn nicht, wohin sie dann gehen. Kurz gesagt: Die Regierung spürt den Menschen nach, ob sie die Anweisungen befolgen und meldet diejenigen, die dies nicht tun.
Im November 2018 kamen zwei Polizeibeamte mit einer Videokamera zu einer Versammlungsstätte einer Hauskirche in der Stadt Sanmenxia (Henan), die geschlossen worden war. Sie nahmen die gesamte Versammlungsstätte auf Video auf und fragten den Kirchenleiter, ob die Gläubigen weiterhin Gottesdienste dort abhielten. Nachdem dieser bestätigt hatte, dass keine weiteren Versammlungen stattgefunden hatten, brachten die Beamten eine “Gottesdienste eingestellt“-Nachricht an der Kirchentür an.
Ähnliche wiederholte Inspektionen wurden in einer Hauskirche im Stadtbezirk Jinshui (Stadt Zhengzhou, Henan) durchgeführt. Im August 2018 wurde die Elim-Kirche von der Regierung geschlossen. Um die Gläubigen davon abzuhalten, heimlich Gottesdienste durchzuführen, brachten die Beamten zwei Spruchbänder am Kircheneingang an. Auf dem einen Spruchband wurden Versammlungen nicht autorisierter religiöser Gruppen verboten, auf dem anderen stand: “Für die Zulassung illegaler religiöser Aktivitäten wird eine Geldstrafe von 20 000 bis 200 000 RMB (ungefähr 2613 EUR bis 26 130 EUR) verhängt.“ Regierungsangestellte ermahnten die Gläubigen auch, dass es unter Geld- und Haftstrafe stehe, diese Spruchbänder abzureißen. Im September schickte die Regierung erneut Angestellte dorthin. Dieses Mal sollten sie alle Einrichtungsgegenstände aus der Versammlungsstätte entfernen.
Bei einer Kirche im Dorf Xili im Zuständigkeitsbereich der Stadt Sanmenxia waren massivere “wiederholte Inspektionen“ nötig. Im August 2018 war die Kirche von der Regierung “beschlagnahmt“ worden. Danach hielten die Gläubigen Gottesdienste mit zwei oder drei Personen ab. Manche kehrten mitten in der Nacht heimlich in die Kirche zurück, um zu beten. Sie verschwanden sobald der Morgen dämmerte.
Am 12. Dezember kehrten 60 bis 70 Gläubige heimlich in die Kirche zurück, um einen Gottesdienst abzuhalten. Bei den meisten handelte es sich um ältere Menschen, die kränklich und in ihrer Mobilität eingeschränkt waren. Nachdem sie von dem Gottesdienst erfahren hatten, stürmten 30 Regierungsangestellte in die Kirche, trugen die Senioren aus dem Gebäude und setzten sie vor dem Eingang auf den Boden. Einer der älteren Christen, die hinausgetragen wurden, ist fast 80 Jahre alt und verbringt seine Tage im Bett in einer Höhlenwohnung hinter der Kirche. Andere erlitten bei dem Hinaustragen Verletzungen. Manchen wurden ihre Kleider zerrissen.
Wegen des kalten Winterwetters schlossen die Gläubigen, nachdem die Regierungsangestellten gegangen waren, die Kirchentüren wieder auf und begaben sich in das Gebäude, um sich aufzuwärmen. Doch die Regierungsangestellten kehrten unerwartet zurück. Am nächsten Tag besorgten die Dorfbeamten ein großes Schloss und versperrten damit die Kirchentür.
Bericht von Gu Xi