Die KPCh fährt kreative Propagandamethoden auf, um die allgemeine Bevölkerung in die Auslöschung religiöser Gruppen, die als xie jiao eingestuft werden, einzubinden.
Lin Yijiang
Xie jiao bedeutet “heterodoxe Lehren“, wird aber von der KPCh oft fälschlicherweise als “üble Sekten“ übersetzt. Xie jiao-Listen wurden schon seit Jahrhunderten in China dazu verwendet, Religionen auszulöschen, die den Herrschenden unterschiedlicher Epochen nicht genehm waren. Diese Tradition wurde 1995 wieder aufgenommen. Auf der aktuellen xie jiao-Liste stehen Falun Gong, die Kirche des Allmächtigen Gottes, die Schreier und andere religiöse Gruppen. Die KPCh betrachtet diese Gruppen hauptsächlich deswegen als Gefahr, weil sie so schnell wachsen. Sie gelten nicht als Religionen, sondern als illegale Organisationen. Ihre Anhänger werden erbarmungslos verfolgt.
Die Behörden weiten ihre Propagandabemühungen beständig aus und mobilisieren mittlerweile die chinesische Bevölkerung, beim Vorgehen gegen religiöse Gruppen, die laut KPCh “schlecht“ sind und ausgerottet werden müssen, zu helfen.
Religion durch Square Dance verdrängen
Mitte Mai organisierten die Behörden des Stadtbezirks Fuyang der Stadt Hangzhou in der, im Osten Chinas gelegenen, Provinz Zhejiang einen Anti-xie jiao-Square Dance-Wettbewerb. Um so viele Menschen wie möglich zur Teilnahme zu bewegen, wurden hohe Geldpreise von 3000 bis zu 10 000 RMB (ungefähr 390 bis zu 1300 EUR) ausgeschrieben. Jedes teilnehmende Team musste zunächst das Kulturzentrum seiner Großgemeinde oder seines Straßenviertels dazu bringen, sich einzuschreiben. Außerdem bekamen alle Teams DVDs mit Anleitungen, auf denen ihre Aufführung beim Wettbewerb basieren sollte.
Chinesischer Square Dance ist derzeit sehr beliebt in der Bevölkerung. Weil er so temporeich ist, gilt er als sportliche Freizeitaktivität, die oft auf öffentlichen Plätzen oder Parks durchgeführt wird.
Aufgrund dieser Beliebtheit verwenden die Behörden Square Dance, um die Öffentlichkeit mit der KPCh-Ideologie und Anti-xie jiao-Propaganda zu indoktrinieren. Ein Mitglied der Kirche des Allmächtigen Gottes erzählte, dass sich die allgemeine Bevölkerung aufgrund so beliebter Aktivitäten auf die Seite der KPCh und gegen den religiösen Glauben stellen würde. Angehörige der religiösen Gruppen, welche die KPCh auf die xie jiao-Liste gesetzt hat, geraten so in Gefahr, jederzeit denunziert und verhaftet zu werden.
Im Rahmen der Square Dance-Aktion haben die Behörden eine Reihe von Propagandaveröffentlichungen der Anti-xie jiao-Vereinigung von Zhejiang verteilt. Dazu gehörten auch beliebte oder interaktive Arten der Präsentation wie z.B. Scherenschnitte, Kinderreime, Märchen, Bilderbücher mit Comiczeichnungen und so weiter.
Ein ortsansässiger Hauskirchenangehöriger erklärte: „Vielen Menschen ist die tatsächliche Lage dieser Religionsgruppen nicht bewusst. Sie können aber leicht dazu gebracht werden, mit der KPCh zusammenzuarbeiten und sich gegen diese Gruppen zu stellen. Die KPCh benutzt die Massen, um sie gegeneinander auszuspielen. Das ist schrecklich.“
“Anti-xie jiao“-Themenpark in Wenzhou
Im Dorf Yan’er im Stadtviertel Xianyan im Stadtbezirk Ouhai in der Stadt Wenzhou wurde ein Anti-xie jiao-Themenpark, der Shishan-Park, eingerichtet. Im Park sind überall Slogans zu sehen wie: „Das Vorgehen gegen xie jiao gehört zu den Parteivorschriften“, “Lasst uns gemeinsam gegen xie jiaos vorgehen“ oder “Xie jiaos schaden dem Land, die Wissenschaft lässt den Staat erblühen.“ Sogar auf den Rasenkantsteinen sind Botschaften eingraviert wie “Der Widerstand gegen xie jiaos beginnt bei mir.“
Eine Ortsansässige erklärte: „Ich weiß, dass diese Propaganda nicht glaubwürdig ist. Ich benutze mein eigenes Urteilsvermögen, um die Religion zu verstehen.“ Die Frau befürchtet jedoch, dass die meisten Menschen sich durch solche indoktrinierende Propaganda stark beeinflussen lassen. Sie denkt, dass die Menschen mit der Zeit ihr eigenes Urteilsvermögen in Frage stellen werden.
Massen zur Denunziation von Gläubigen mobilisiert
Stadtregierungen im Südwesten der Provinz Sichuan nutzen öffentliche Darbietungen und Übertragungen sowie Reden und Paraden zur Anti-xie jiao-Propaganda.
Ein Dorf im Kreis Yuechi im Zuständigkeitsbereich der Stadt Guang’an informierte Anfang April mehrere Tage hintereinander über Lautsprecher darüber, wie man religiösem Glauben Widerstand leisten kann. Den Dorfbewohnern wurde gesagt, sie sollten Mitglieder der Kirche des Allmächtigen Gottes denunzieren. Als Anreiz wurden Belohnungen von 500 bis zu 2000 RMB (ungefähr 65 bis zu 260 EUR) für jeden Gläubigen versprochen, der auf Grund ihrer Denunziation verhaftet wird.
Ungefähr zur selben Zeit hat das Dorfkomitee eines Dorfes im Zuständigkeitsbereich der Stadt Neijiang ein Arbeitstreffen abgehalten, um das Vorgehen gegen die Religion zu erörtern. „Die Regierung wird streng gegen xie jiao-Organisationen vorgehen. Besonders gegen Menschen von der Kirche des Allmächtigen Gottes. Die Regierung wird immer unerbittlich sein und verlangt, dass man sich ernsthaft dieser Gläubigen entledigt, indem man Dorf für Dorf überprüft. Jeder, der entdeckt wird, muss umgehend gemeldet werden“, erklärte der Dorfleiter. Er betonte auch, dass Parteimitglieder, die diese Menschen nicht melden, aus der KPCh ausgeschlossen oder ihrer offiziellen Ämter enthoben werden würden.