Der Kanadier Robert Lloyd Schellenberg wird hingerichtet, während Peking damit fortfährt, ein beinahe totales Geheimnis aus der Anzahl der Leute zu machen, die verurteilt und getötet werden.
Marco Respinti
Robert Lloyd Schellenberg, 36, und kanadischer Staatsbürger, wurde in China von einem Gericht in der Hafenstadt Dalian im Süden der Provinz Liaoning zum Tode verurteilt. Die Entscheidung erfolgte am Ende des Berufungsverfahrens, das Schellenbergs Anwälte gegen die 15-jährige Gefängnisstrafe angestrengt hatten, zu der er 2018 für den Schmuggel von mehr als 200 Kilogramm Amphetaminen nach China verurteilt wurde. Ein Verbrechen, für das er 2014 verhaftet worden war.
Wie Chris Buckley von der New York Times schreibt: „Herr Schellenberg wurde mehr als 15 Monate vor seiner ersten Verhandlung verhaftet und es vergingen weitere 32 Monate, bevor ein Gericht ihn schuldig sprach und zu 15 Jahren Haft verurteilte.“ Schließlich stellte sich die Verbitterung über seine Strafe während „Herrn Schellenbergs Berufungsverfahren im letzten Monat“ heraus, als nach der Anhörung der Aussage des Zeugen Herrn Xu Qing „die Staatsanwälte sagten, dass die vorliegenden Beweise zeigten, dass er [Schellenberg] eine größere Rolle in einem Drogenhandelsnetzwerk spielte und seine Strafe daher zu leicht wäre.“
Buckley von der NYT berichtete auch, dass Herrn John Kamm zufolge, dem Vorsitzenden der Dui Hua Foundation, einer Gruppe in San Francisco, die Menschenrechte in China beobachtet, China zwischen 2009 und 2015 mindestens 19 Ausländer für Drogentransporte hingerichtet hat.
Schellenberg ist nicht der einzige Kanadier, der in China verhaftet worden ist. Herr Michael Kovrig, 48, und ehemaliger Diplomat, wurde am 10. Dezember wegen des Verdachts auf die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit in Peking verhaftet (am 14. Januar sagte die Sprecherin des chinesischen Außenministeriums, Frau Hua Chunying, dass Kovrig keine diplomatische Immunität besitze). Genauso wie Michael Spavor, 43, und Geschäftsmann mit persönlichen Verbindungen zum nordkoreanischen Tyrannen Kim Jong-un, der am selben Tag in der Stadt auf Präfekturebene Dandong auf der chinesischen Seite der Grenze zwischen China und Nordkorea verhaftet wurde.
Die drei Fälle sind natürlich verschieden und alle, die das Gesetz verletzen, verdienen Strafe. Aber Strafe muss immer gerecht sein und im Verhältnis zum Verbrechen stehen. Auch bei Menschen, die eines Verbrechens angeklagt sind, muss die Schuld zweifelsfrei festgestellt werden. Die drei Fälle benötigen gelinde gesagt eine Ergänzung der Dokumentation. Nicht ohne Grund, können sie als Antwort auf die Verhaftung von Frau Meng Wanzhou gesehen werden, 46, stellvertretende Vorstandsvorsitzende und Finanzvorstand von Chinas größter Privatfirma, Huawei Technologies Co. Ltd. (sowie die Tochter von Ren Zhengfei, dem Gründer des Telekommunikationsgiganten, der 1987 in Shenzhen in der südlichen chinesischen Provinz Guangdong gegründet wurde), die am 1. Dezember in Vancouver wegen der Verletzung der von Donald J. Trumps US-Verwaltung erhobenen Sanktionen gegen den Iran verhaftet wurde. Hinter Meng sticht tatsächlich das riesige Problem von Huawei heraus.
Ein alarmierender Rekord
Der Fall von Herrn Schellenberg, der zur Todesstrafe führte, ist besonders erschütternd. Schmuggel ist ein abscheuliches Verbrechen. Drogen zu verkaufen, besonders an Jugendliche, deren Leben dann zerstört werden, muss immer vom Gesetz bestraft werden. Aber haben wir bei bestem Gewissen nichts zu beanstanden, bei einen Mann, ja, auch einem Drogenhändler (nehmen wir dies einmal als gegeben an), der zu 15 Jahren Haft verurteilt wurde, und dessen Strafe plötzlich während eines Berufungsverfahrens, das er angestrengt hatte, um seine erste Strafe zu prüfen, zur Todesstrafe ausgesetzt wurde? Dies ist aus zweierlei Gründen keine rhetorische Frage.
Der erste Grund ist, dass China einen alarmierenden Rekord an Todesstrafen hält und täglich die gesetzlichen Regeln ad absurdum führt. Die Todesstrafe ist eine schwere Bestrafung und eine extreme Maßnahme. Sie ist nicht per se illegitim, nicht einmal angesichts natürlicher Gesetze, aber nichtsdestotrotz ruft sie immer große Besorgnis hervor. Diejenigen, die sie unterstützen, sogar Richter, die Todesstrafen verhängen, tun dies niemals leichtfertig.
Die katholische Kirche erkennt zum Beispiel die Todesstrafe als legitim an und hat sie immer anerkannt. Papst Franziskus hat jedoch neulich zu einem definitiven Umbruch im Katechismus der katholischen Kirche aufgerufen, als er sagte, dass sie immer inakzeptabel sei. Diese Veränderung hat zweifelsohne etwas mit der chinesischen Situation zu tun, und sie verursacht natürlich Probleme bezüglich des Abkommens zwischen dem Vatikan und China von 2018. Das bringt uns unmittelbar zum zweiten Grund, aus dem das plötzliche Todesurteil für Schellenberg, auch den Drogenhändler Schellenberg, höchst fragwürdig ist. Es geht darum, dass Rechtsstaatlichkeit in China praktisch nicht existiert.
Es ist der Kernbereich und die tägliche Arbeit von Bitter Winter, zu dokumentieren, wie das Gesetz und seine Regeln an jedem einzelnen Tag überall in China mit Füßen getreten werden. Die Verfassung, die sogar Religionsfreiheit garantiert, und die Religionsfreiheit werden verspottet. Das Gesetzbuch und ein respektloser Umgang mit dem Recht werden benutzt, um Menschenrechte mit Füßen zu treten. Tribunale, Gerichte, Richter, Regional- und Provinzverwaltungen, staatliche Büros und Abteilungen und alle Ebenen der Polizei verstoßen gegen das Gesetz, indem sie Menschen aus lächerlichen Gründen mit Bußgeldern belegen oder verhaften. Wenn die Verurteilung zur Todesstrafe in einem Land, in dem das Gesetz respektiert wird, eine schwierige und heikle Angelegenheit darstellt, ist dies in China – wo die Justizverwaltung andauernd missbraucht und ignoriert wird – ein Alptraum, der Wachsamkeit erfordert.
Das tödliche Geheimnis
Der neueste Bericht von Amnesty International, der im April 2017 veröffentlicht wurde und Daten von 2017 beinhaltet, „weist darauf hin, dass Hunderte von dokumentierten Fällen von Todesstrafen nicht in einer nationalen Onlinedatenbank auftauchen, die ursprünglich als ein ‚entscheidender Schritt zu mehr Offenheit‘ und regelmäßig als Beleg dafür angepriesen wurde, dass das Justizsystem des Landes nichts zu verbergen hat.“ Tatsächlich weist die weltbekannte NGO darauf hin, dass „Chinas Datenbank nur eine kleine Auswahl der Tausenden von Todesstrafen beinhaltet, von denen Amnesty International schätzt, dass sie jedes Jahr in China durchgeführt werden, was die Tatsache widerspiegelt, dass die chinesische Regierung weiterhin die beinahe totale Geheimhaltung über die Anzahl der im Land mit dem Tod bestraften und exekutierten Menschen aufrechterhält.“
Während Peking die meisten Informationen bezüglich der Todesstrafe als „Staatsgeheimnis“ einordnet, „fand Amnesty International öffentliche Nachrichten über mindestens 931 Personen, die zwischen 2014 und 2016 (nur ein Teil aller Exekutionen) hingerichtet wurden, während nur 85 von ihnen in der staatlichen Datenbank auftauchen. Die Datenbank beinhaltet auch keine Ausländer, die die Todesstrafe für drogenbezogene Verbrechen erhalten haben – und das, trotz Medienberichten zu mindestens 11 Exekutionen von Ausländern.“ Drogenhandel bleibt ein Verbrechen, aber wir alle wissen, dass die Definition des Regimes für „Terrorismus“ nur für die Wäscheliste für unwillkommene Menschen steht, die beseitigt werden sollen.
„Die chinesische Regierung nutzt Teilmitteilungen und unüberprüfbare Behauptungen, um Fortschritte bei der Reduzierung der Anzahl von Exekutionen geltend zu machen, während sie gleichzeitig beinahe absolute Geheimhaltung aufrecht hält. Dies ist bewusst irreführend“, sagte Salil Shetty, ein Inder und zur Zeit der Veröffentlichung des Berichts Generalsekretär bei Amnesty International, im April. Eine Untersuchung von Amnesty International von 2017 ist unter dem Titel China’s Deadly Secrets (Chinas tödliche Geheimnisse) kostenlos online verfügbar. Sie dokumentiert das Ausmaß des wahren Schreckens, besonders im Licht der entsetzlichen Plage der Organentnahmen von Körpern von hingerichteten Gewissensgefangenen.
Kanada führte seine letzte Todesstrafe 1962 durch und schaffte sie 1976 ab. Wird Kanada es zulassen, dass einer seiner Staatsbürger Chinas Todesliste anwachsen lässt?