Die Reden von Massimo Introvigne, Willy Fautré und Rosita Šorytė beim Human Dimension Implementation Meeting im Jahr 2018 der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), Warschau, 13. September 2018.
Massimo Introvigne, Die Unterdrückung der Religion in China: Konsequenzen für Mitgliedsstaaten der OSZE
Am 1. Februar 2018 trat in China eine neue Verordnung über Religionsangelegenheiten in Kraft. Der Konsens von Rechtsexperten besteht darin, dass sie dem „grauen Markt“ von Religionen und Kirchen, die nicht zu den fünf offiziellen, von der Regierung kontrollierten, religiösen Institutionen angehören, neue Beschränkungen auferlegt. Die Verordnung stellte auch neue Werkzeuge zur Verfügung, um die religiösen Gemeinschaften auf dem „schwarzen Markt“ zu verfolgen, die in der offiziellen Liste der Xie Jiao enthalten sind, also „häretische Lehren“, die vollständig verboten und verfolgt werden. In einem Xie Jiao aktiv zu sein, ist ein Verbrechen, das nach Art. 300 des chinesischen Strafgesetzbuches mit einer Gefängnisstrafe von drei bis sieben Jahren „oder mehr“ bestraft wird.
Tibet und Xinjiang haben spezielle Regelungen, aber das allgemeine, der Religion feindlich gesinnte Klima hat zu einer verstärkten Verfolgung von uigurischen und ethnisch kasachischen Muslimen in Xinjiang und buddhistischen Dissidenten in Tibet geführt. Gelehrte schätzen, dass sich in den Lagern zur „Transformation durch Bildung“, bei denen es sich tatsächlich um Konzentrationslager handelt, 1,5 Millionen Insassen befinden, von denen zwei Drittel Uiguren sind.
Die Mitgliedsstaaten der OSZE unterhalten vielfältige Beziehungen zu China, und wir möchten sie ermutigen, die Fragen der Menschenrechte und der Religionsfreiheit in bilateralen Treffen stärker zur Sprache zu bringen.
Der OSZE-Raum wird auch von der Situation in China beeinflusst, da die Mitgliedstaaten eine wachsende Zahl von religiös motivierten Asylgesuchen von chinesischen Bürgern erhalten. Die größten Kontingente darunter bilden vor allem in Zentralasien Uiguren und insbesondere in Westeuropa und Nordamerika Mitglieder der Religionen, die als Xie Jiao aufgeführt sind. Es gibt immer noch Flüchtlinge von Falun Gong, aber in den letzten Jahren kommen die meisten von der Kirche des Allmächtigen Gottes, einer chinesischen christlichen neuen religiösen Bewegung, die seit 1995 als Xie Jiao gelistet ist und von Regierungsquellen auf etwa vier Millionen Mitglieder in China geschätzt wird. Die Kirche des Allmächtigen Gottes wurde spätestens seit 1995 verfolgt, und mehr als 300.000 Mitglieder der Kirche wurden in China inhaftiert. Einige NGOs haben mehrere Fälle von Folter und außergerichtlichen Tötungen dokumentiert. Sie wurden auch gezielt durch konsequente Kampagnen mit gefälschten Nachrichten angegriffen und Verbrechen beschuldigt. Gründliche Untersuchungen durch westliche Gelehrte haben bewiesen, dass sie diese nicht begangen haben.
Aufgrund von Fake News, allgemeiner Flüchtlingsfeindlichkeit und Unklarheiten über die Auslegung von Flüchtlingsgesetzen von mehr als 2200 asylsuchenden Angehörigen dieser Kirche [KAG] im OSZE-Gebiet – die USA ausgenommen – nur 320 Anträge angenommen wurden.
Lobenswert sind hier Kanada und Schweden mit vorwiegend wohlwollenden Entscheidungen. Bemerkenswert ist auch, dass die italienischen Behörde begonnen haben, mit Wissenschaftlern zusammenzuarbeiten, um genauere Informationen zu dieser und anderen Gruppen zu erhalten.
In anderen Ländern jedoch werden asylsuchende Angehörige der Kirche des Allmächtigen Gottes oder anderer in China verfolgter Religionsgruppen abgewiesen und in manchen Fällen nach China rückgeführt, wo sie sehr schnell ‚verschwinden‘.
Wir befürworten, dass die Asylanträge von religiös verfolgten Asylsuchenden aus China, darunter auch von Angehörigen der Kirche des Allmächtigen Gottes, in allen Mitgliedsstaaten ernsthaft und fair beurteilt werden, und dass niemand ohne tiefgehende Einschätzung der Risiken nach China rückgeführt wird, da dies Gefangenschaft, Folter und sogar Tod bedeuten könnte.“
Willy Fautré, Bekämpfung der Diskriminierung der Kirche des Allmächtigen Gottes im OSZE-Raum
Seit Jahrhunderten bieten die Vereinigten Staaten und Kanada Menschen aus anderen Ländern Asyl, die vor religiöser Verfolgung, Intoleranz und Diskriminierung fliehen. Im 20. Jahrhundert öffneten Nordamerika und Europa ihre Türen für Armenier und andere Christen, die Opfer des Völkermords durch das Osmanische Reich waren, aber auch für Christen, die in kommunistischen Ländern verfolgt wurden. In den letzten Jahrzehnten haben die Vereinigten Staaten, Kanada und die EU-Länder Christen politisches Asyl gewährt, die auf der Flucht vor staatlicher Repression und sozialer Feindseligkeit in Ländern mit muslimischer Mehrheit fliehen.
In den letzten Jahren haben immer mehr Gläubige aller Glaubensrichtungen, die von der Kommunistischen Partei Chinas verfolgt werden, an die Türen demokratischer Länder geklopft und um ihren Schutz gebeten. Leider wurde ihnen politisches Asyl vehement verweigert, weil die politischen Behörden und die Justiz in Mitgliedsstaaten der OSZE wie den Vereinigten Staaten, Kanada und den EU-Ländern sich der Größenordnung und Intensität der religiösen Verfolgung in China nicht bewusst sind. Der Hauptgrund dafür ist, dass die staatlichen Institutionen, die für ihre Asylanträge im OSZE-Raum zuständig sind, die religiösen Gruppen, zu denen sie gehören, nicht kennen oder durch die antireligiöse Propaganda und die von der Kommunistischen Partei Chinas verbreiteten falschen Nachrichten irregeführt werden.
Mehrere Tausend Gläubige der Kirche des Allmächtigen Gottes, einer neuen religiösen Bewegung in China, die in diesem Land dramatisch verfolgt wird, haben im OSZE-Raum kein politisches Asyl erhalten und laufen Gefahr, nach China abgeschoben zu werden, wo sie verhaftet, gefoltert und zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt werden, sobald sie ankommen. Einige dieser Gläubigen wurden von der Polizei in Mitgliedstaaten der Europäischen Union festgenommen und in gefängnisartigen Einrichtungen festgehalten, während sie ängstlich darauf warteten, nach China ausgewiesen zu werden.
Am 1. September war die Situation der Gläubigen von der Kirche des Allmächtigen Gottes wie folgt:
In Frankreich 444 Anträge, 419 Ablehnungsbescheide (94%) und 186 Abschiebebescheide (44%)
In den Niederlanden 48 Anträge, 31 Ablehnungsbescheide (64%) und 31 Abschiebebescheide (100%)
In der Schweiz 33 Anträge, 29 Ablehnungsbescheide (88%) und 24 Abschiebebescheide (83%). In Belgien 12 Anträge, 10 Ablehnungsbescheide (83%) und 10 Abschiebebescheide (100%). In Kanada 223 Anträge, 24 Ablehnungsbescheide (11%) und 5 Abschiebebescheide (21%)
In Schweden 9 Anträge, 2 Ablehnungsbescheide (22%) und 2 Abschiebebescheide (100%).
In Europa haben Österreich, die Tschechische Republik, Finnland, Deutschland, Griechenland, Italien, Portugal, Spanien und das Vereinigte Königreich auch viele Anträge auf politisches Asyl abgelehnt, die von Mitgliedern der Kirche des Allmächtigen Gottes gestellt wurden.
In diesen Ländern sind noch viele Fälle anhängig, aber die Zahl der positiven Entscheidungen war sehr gering, abgesehen von außerhalb Europas: Neuseeland (77%) und Kanada (74%).
In Deutschland wurde ZHAO XUELIANG, eine 27 Jahre alte chinesische junge Frau, am letzten Augusttag trotz der Unterstützung des Roten Kreuzes und der Deutschen Evangelischen Kirche nach China abgeschoben. Alle Kontakte zu ihr sind abgebrochen, seit sie am Flughafen in Peking angekommen ist. Ihr Aufenthaltsort ist unbekannt.
Darüber hinaus gab es in Südkorea, wo 960 Anträge gestellt wurden, keine positiven Entscheidungen, 64% der Asylanträge wurden abgelehnt, und 183 Personen erhielten einen Abschiebebescheid.
Empfehlungen:
In Anbetracht dessen, dass die diskriminierende Behandlung von Asylanträgen, die von Mitgliedern der Kirche des Allmächtigen Gottes in einer Reihe von Mitgliedsstaaten der OSZE gestellt wurden, entweder auf Ignoranz gegenüber dieser Religionsgemeinschaft oder auf, von der Kommunistischen Partei Chinas, verbreiteten falschen Nachrichten beruht, um die Bewegung zu diskreditieren,
und in Anbetracht dessen, dass Tausende von Mitgliedern der Kirche des Allmächtigen Gottes in China im Gefängnis sitzen,
und in Anbetracht dessen, dass mehr als 1700 Mitgliedern dieser Religionsgemeinschaft politisches Asyl verweigert wurde und ihnen angedroht wird, in das Land zurückgeschickt zu werden, in dem sie der Verfolgung ausgesetzt waren,
empfiehlt Human Rights Without Frontiers den staatlichen Stellen der Mitgliedsstaaten der OSZE, die Asylanträge von dieser Religionsgemeinschaft zu bearbeiten,
unsere Online-Datenbank zu religiösen Gefangenen auf der ganzen Welt zu besuchen, in der wir 760 Fälle von Gefangenen dieser religiösen Minderheit dokumentiert haben, http://hrwf.eu ;
die Forschungsarbeiten amerikanischer und europäischer Forscher der Religionswissenschaften online zur Kenntnis zu nehmen
https://cesnur.net/wp-content/uploads/2018/02/tjoc_2_1_full_issue.pdf
und die Online-Einreichungen zahlreicher NGOs zur bevorstehenden UPR zu China in diesem Jahr und die Broschüre „Zu Tode gefoltert“ zur Kenntnis zu nehmen, http://hrwf.eu/forb/our-reports/
bevor sie Entscheidungen über die Anträge auf politisches Asyl fällen.
Rosita Šorytė, Intoleranz und Diskriminierung religiöser Flüchtlinge aus China im OSZE-Raum: Der Fall der Kirche des Allmächtigen Gottes
Heutzutage gibt es nur wenige Themen, die in unseren Gesellschaften besonders toxisch sind: Flüchtlinge und China. Und meine sehr junge und immer noch sehr kleine Organisation – ORLIR – beschäftigt sich mit beiden.
Wir sehen, wie das Thema Migration Länder spaltet, Allianzen verändert und Populisten aller Art hilft, an die Macht zu kommen. Wir und die Medien brauchten lange, bis wir endlich erkannten, dass die meisten Menschen, die in Strömen nach Europa kommen, keine Flüchtlinge, sondern Migranten sind. Immer noch besteht in den Medien Verwirrung und sehr oft sind Informationen ungenau und verschwommen.
Wir alle wissen, dass es einen großen Unterschied zwischen Migranten auf der Suche nach einem besseren Wirtschaftsleben und Flüchtlingen gibt, die aus Gründen des Krieges und der Verfolgung aus ihren Herkunftsländern fliehen. Einige dieser Menschen haben nur zwei Möglichkeiten: verfolgt, gefoltert und sogar getötet zu werden oder aus ihrem Land zu fliehen und nach Schutz zu suchen.
Ich verstehe durchaus die Herausforderung für die Behörden der Empfängerländer, zu unterscheiden, wer verfolgt wird und in unmittelbarer Gefahr ist, und wer dies vorgibt, um das Aufenthaltsrecht zu bekommen. Meine bescheidene Erfahrung aus Gesprächen mit vielen Flüchtlingen zeigt, dass diejenigen, die vorgeben, verfolgt zu werden und bessere Schauspieler sind, eher Flüchtlingsstatus bekommen. Und diejenigen, die sich in einer echten Gefahr befinden, können ihren Fall oft nicht beweisen und werden deshalb zu ihren Unterdrückern zurückgeschickt.
Ich könnte viele bewegende und tragische Geschichten von Menschen erzählen, die aus religiösen Gründen vor schwerer Verfolgung in China fliehen. Ich werde mich heute auf die Mitglieder einer neuen christlichen Gruppe konzentrieren, den Mitgliedern der Kirche des Allmächtigen Gottes. Die Kirche des Allmächtigen Gottes ist eine der größten und am schnellsten wachsenden religiösen Gruppen in China. Und genau deshalb wird sie schwer verfolgt. Jedes Mitglied, das von den chinesischen Behörden identifiziert wird, würde ins Gefängnis kommen, die meisten von ihnen würden gefoltert werden, um Informationen über andere Mitglieder der Kirche preiszugeben. Sie werden in Umerziehungslager geschickt und bleiben nach ihrer Freilassung unter Beobachtung und werden schließlich wieder ins Gefängnis gesteckt, wenn sie nicht zustimmen, mit den chinesischen Behörden zusammenzuarbeiten und ihren Glauben aufzugeben. Fälle von Organraub an verdächtigen politischen Gefangenen dieser Kirche wurden ebenfalls gemeldet.
Die meisten Mitglieder der Kirche des Allmächtigen Gottes fliehen nur aus ihrem Land, wenn sich Informationen bestätigen, dass ihre Verhaftung unmittelbar bevorsteht. Sie fliehen nicht, um uns unsere Arbeit wegzunehmen oder finanzielle oder wirtschaftliche Vorteile zu erhalten, sondern um zu überleben und andere Brüder und Schwestern ihrer Gruppe zu schützen. Durch die Flucht aus China verlieren sie alles: ihre Familien, Freunde, Häuser und Arbeit. Sie kommen mit nichts in unsere Länder, nur mit ihrem Glauben und ihrer Hoffnung, dass Mitbrüder und Schwestern sie unterstützen werden. Sie kommen mit viel Schmerz und tiefsitzenden Traumata an. Sehr oft sind sie aus Angst nicht in der Lage, ihre Fälle gut genug zu präsentieren und darum wird ihnen Asyl verweigert oder sie werden sogar abgeschoben.
Trotz Protesten des Roten Kreuzes, der deutschen Evangelisch-lutherischen Kirche und mehrerer NGOs, darunter auch meiner, wurde am 31. August ein Mitglied der Kirche, Schwester Zhao Xueliang, aus Deutschland nach China abgeschoben. Sie ist in China „verschwunden“ und ihr Aufenthaltsort ist seitdem unbekannt. Heute bitte ich die Vertreter der Mitgliedsstaaten, bitte, hören Sie und erinnern Sie sich an den Namen der Kirche des Allmächtigen Gottes. Bitte führen Sie ernsthafte Untersuchungen zu dieser Gruppe durch, glauben Sie nicht, was chinesische Medien sagen und westliche Medien davon übernehmen, sondern lesen Sie verlässliche Informationen von unabhängigen NGOs und akademischen Quellen. Wir haben kein Recht, mit dem Leben der Menschen zu spielen, und wir dürfen sie nicht in den Tod schicken.
Ein weiteres toxisches Problem ist es, über China zu sprechen. Ja, China scheut keine Anstrengungen und finanziellen Mittel, um uns davon zu überzeugen, dass es dort keine Menschenrechtsprobleme gibt. Sie bestechen und kaufen jeden, den sie erreichen: Politiker, Journalisten, sogar Akademiker, die dafür bezahlt werden, zu sagen, dass das, was wir Ihnen heute präsentieren, nicht wahr ist. Einige der Treffen, die wir auf internationalen politischen oder akademischen Konferenzen organisieren, sind wenig besucht, weil die Leute wissen: Sobald Sie von den chinesischen Behörden gesehen werden, an solchen Treffen teilzunehmen, werden Sie nie wieder nach China reisen. China spielt bei den Vereinten Nationen eine wichtige Rolle dabei, jede Erwähnung von Menschenrechten zu unterdrücken, und die Menschenrechte sind auch selten Teil der Agenda bilateraler Treffen, weil jeder gute wirtschaftliche Verträge mit China haben will. Aber wenn wir schon die chinesische Politik nicht ändern können, können wir vielleicht wenigstens diejenigen schützen, die vor der chinesischen Verfolgung fliehen. Es ist nicht nur unsere moralische Pflicht, diejenigen zu schützen, die in unmittelbarer Gefahr sind. Staaten haben nach dem Völkerrecht eine rechtliche Verpflichtung dazu.