Nur weil im Haus des Helden ein Kreuz hängt, sind der chinesischen Regierung alle Mittel recht, wenn es darum geht, eine Heldentat zu verschleiern.
Anfang Juli 2018 ging Li Shoufa am Ufer des Weihers in seinem Dorf entlang, als er plötzlich Hilfeschreie hörte. Er folgte den Rufen und entdeckte, dass zwei Kinder aus seinem Dorf in der Großgemeinde Pingchangguan im Zuständigkeitsbereich der Stadt Xinyang in der chinesischen Zentralprovinz Henan ins Wasser gefallen waren. Zwei ältere Personen – beide über 60 – waren bereits ins Wasser gesprungen, um die Kinder zu retten und drohten nun selbst in dem sechs Meter tiefen Weiher zu ertrinken.
Li Shoufa sprang sofort hinterher und zog die vier Opfer – von denen drei überlebten – mit Hilfe anderer Dorfbewohner, die kurz darauf dazu gekommen waren, aus dem Wasser.
Natürlich verbreitete sich die Nachricht von Li Shoufas Heldentat bald in der ganzen Gegend. Doch die Behörden der Großgemeinde waren sehr zugeknöpft, als es um die Veröffentlichung dieser Angelegenheit ging – in den lokalen Nachrichtensendern wurde nur allgemein von einer Heldentat berichtet, obwohl Li Shoufa doch von fast allen anderen dafür gepriesen wurde.
Nachdem zwei Reporter am 10. Juli den Namen des Helden herausfanden, interviewten sie Li Shoufa für die Abendnachrichten von Xinyang. Dieses Interview fand weite Verbreitung im Internet. Eine private Einrichtung bot Li Shoufa 10 000 RMB (ungefähr 1300 Euro) an, die ihm von der Lokalregierung überreicht werden sollten.
Schließlich begaben sich die Regierungsbeamten widerwillig zu Li Shoufas Haus, wo sie sich jedoch weigerten, die Belohnung auszuhändigen, weil, so sagten sie: “… in Ihrem Haus ein Kreuz hängt, da wird es schwierig damit [die Belohnung zu erhalten] .“
Li Shoufas Frau ist Christin. Seit die Beamten der Lokalregierung davon erfahren haben, sind sie nicht bereit, öffentlich über Li Shoufas heldenhafte Rettungstat zu berichten.
“Die Regierung geht in diesem Jahr gewaltsam gegen religiösen Glauben vor. Sobald es etwas gibt, das irgendwie mit Religion zu tun hat, ist es so, als würde man in ein Schlangennest stechen,“ erklärt ein informierter Dorfbewohner. “Wenn die übergeordneten Behörden herausfinden, dass in Li Shoufas Haus ein Kreuz hängt, ist das für sie der Beweis, dass die Großgemeinde ihre Arbeit – nämlich den religiösen Glauben ausmerzen und Kreuze entfernen – nicht ordentlich erledigt hat. Das würde die Beamten der Großgemeindeverwaltung ihren Job kosten. Wie können sie unter diesen Umständen die Heldentaten eines Christen veröffentlichen?“
Manche der Dorfbewohner schlugen vor, dass Li Shoufa seine Heldentat den übergeordneten Behörden melden solle, weil er gemäß staatlicher Vorschriften das Anrecht auf einen Ehrentitel und eine finanzielle Belohnung hat. Doch nachdem diese Meldung bei der zuständigen Abteilung in der Großgemeinde Pingchangguan eingegangen war, kam keine Antwort zurück.
Nachdem der Sekretär der Großgemeinde Pingchangguan davon erfuhr, wurde er wütend und verlangte, dass alle Berichte über Li Shoufa verschwinden sollten. Dessen Antrag wurde auch nicht an die übergeordneten Behörden weitergeleitet.
“Wenn Sie ein Held sein und eine Belohnung erhalten wollen, dann sehen Sie zu, dass Sie schleunigst dieses Kreuz von der Wand reißen,“ erklärte ein Regierungsvertreter. “Wenn Sie nicht der Kommunistischen Partei folgen, wird diese sie wie einen politischen Gefangenen behandeln. An Gott zu glauben, betrifft nicht nur diese Angelegenheit [eine Belohnung zu bekommen], sondern auch zukünftige Belange. Sogar Ihre Kinder werden davon betroffen sein, wenn sie die Schule besuchen und später, wenn sie nach Arbeit suchen.“
Diese Art von “Belohnung“ hatten Li Shoufa und seine Familie natürlich nicht erwartet.
Dorfbewohner erzählen, dass Li Shoufas Sohn zwei Mal heimlich das Kreuz seiner Mutter durch ein Bild von Mao Zedong ersetzt habe, damit Li Shoufa seine verdiente Belohnung erhält. Was er damit erreichte, war ein unerfreulicher Familienstreit.
Die Belohnung von 10 000 RMB haben Li Shoufa und seine Familie bis heute noch nicht erhalten.
Bericht von Xin Lu