In dieser östlichen Provinz eskaliert die Verfolgung: Bei der Vorbereitung auf den Besuch der höherrangigen Beamten gingen lokale Beamte gegen Kirchen vor und überprüften die Gläubigen.
Li Mingxuan
Im September vergangenen Jahres startete die Vereinigte Arbeitsfront (UFWD) in den Provinzen und regierungsunabhängigen Städten des Landes ihr erstes landesweites Programm zur Überprüfung der Umsetzung der Religionsvorschriften: Zentrale Inspektionsteams der Regierung besuchen Orte überall in China, um sicherzustellen, dass die religiöse Verfolgung wie angeordnet umgesetzt wird.
Anfang Mai kam ein Inspektionsteam der Staatsbehörde für Religiöse Angelegenheiten in die östliche Provinz Shandong. Dort haben die Gläubigen im vergangenen Jahr schwere Schläge seitens der Regierung einstecken müssen. Gemäß dem Vorbild der sogenannten „Religionsverfolgung nach Art von Henan“ wurden Kreuze gewaltsam von Kirchen abmontiert, buddhistische Statuen “sinisiert“ oder zerstört und islamische Schilder entfernt.
Lokalregierungen bereiten sich auf Inspektionen vor
Berichten zufolge hat ein Team auf Provinzebene vor der Ankunft der Beamten der Zentralregierung im Vorfeld eigene Überprüfungen durchgeführt. Zahlreiche Andachtsstätten, darunter auch staatlich genehmigte Drei Selbst-Kirchen, bekamen daraufhin “Korrekturaufforderungen“.
Am 15. Februar rief das Büro für Religiöse Angelegenheiten des Stadtbezirks Linzi (Stadt Zibo) ein Treffen zahlreicher Verantwortlicher von Versammlungsstätten der Drei Selbst-Kirche ein. Bei diesem Treffen wurde ihnen mitgeteilt, dass die Inspektionsteams der Provinz mit den Überprüfungen begonnen hätten. Die Lokalregierungen waren angewiesen worden, die Massen zu mobilisieren, die jede aktive private Versammlungsstätte melden sollten. Ziel war es, alle Hauskirchen zu schließen. Beamte des Büros erklärten auch, dass sogar Vermieter, die Räumlichkeiten für religiöse Gruppen zur Verfügung stellen, bestraft werden würden.
Ein Beamter aus einer der Gemeinden schickte eine Nachricht in eine WeChat-Gruppe, in der er berichtete, dass das Inspektionsteam der Provinz Probleme in der Gegend entdeckt hätte. Für diese machte er die niederrangigeren Bürokraten verantwortlich. In der Nachricht steht: „Während der Inspektion hat das Inspektionsteam des Parteikomitees der Provinz festgestellt, dass manche Dörfer religiösen Bewegungen gebührenfrei Versammlungsstätten zur Verfügung stellen, und andere ihnen Gemeindestätten vermieten. In diesen Fällen wurde nun eine problematische politische Haltung diagnostiziert und als erste Maßnahme die Sekretäre der betroffenen Parteizweige aller ihrer Ämter innerhalb der Partei enthoben. In einem zweiten Schritt wird eine Rüge gegen die Verantwortlichen im Parteikomitee erfolgen und diejenigen, die als Hauptverantwortliche gelten, müssen Rechenschaft ablegen. Das Büro für Propaganda macht derzeit Überstunden, um die Besitzverhältnisse hinsichtlich der religiösen Versammlungsstätten zu klären. Sämtliche Sekretäre des allgemeinen Parteizweigs müssen sich gegenüber dem Parteikomitee verantwortlich zeigen und die Sekretäre der Parteizweige in sämtlichen Dörfern informieren. Wenn Gemeindestätten [von religiösen Gruppen] genutzt werden, muss dies wahrheitsgemäß den übergeordneten Behörden gemeldet werden. Die religiöse Gruppe muss angewiesen werden, sobald als möglich innerhalb eines bestimmten Zeitraums auszuziehen. Die Haltung gegenüber der Religion soll heute aus folgendem bestehen: Harmonischer Führung, kategorisierter Verwaltung und langfristiger Einschränkung.“
Beamte angewiesen, sämtliche Kreuze zu entfernen
Am 3. April entfernte die Regierung einer Großgemeinde im Stadtbezirk Linzi im Zuständigkeitsbereich der Stadt Zibo gewaltsam das Kreuz einer Drei Selbst-Kirche. Die Begründung: „Ein Kreuz in einem Baugebiet sieht hässlich aus.“
Am gleichen Tag wurde ein Kreuz von einer Drei Selbst-Kirche im Dorf Donggaoyao im Zuständigkeitsbereich der Gemeinde Zhuangwu der Stadt Linyi entfernt. Die Anbringung dieses Kreuzes hatte die Kirche 130 000 RMB (ungefähr 17 000 EUR) gekostet.
Am 25. März wurde das Kreuz einer Drei Selbst-Kirche im Stadtbezirk Lanshan (Stadt Linyi) über Nacht entfernt. Als Grund wurde angegeben: Die Kirche „liegt zu sehr in der Nähe des Dorfkomitees und stellt somit eine Infiltration der Partei- und Regierungsorgane dar.“ Einige Gläubige erzählten, dass ihnen bereits mündlich mitgeteilt worden sei, sie sollten die Gottesdienste dort unterbinden. Regierungsangestellte erklärten, sie würden einer “Anweisung von oben“ folgen. Wenn sie nicht gehorchten, würde der Dorfparteisekretär sie ihres Amtes entheben.
Am 8. März wurden das Kreuz, die vier chinesischen Schriftzeichen für “Guotang-Kirche“ sowie weitere religiöse Symbole von einer Drei Selbst-Kirche in der Großgemeinde Zhongxing im Zuständigkeitsbereich der Stadt Heze entfernt. Grund für dieses Vorgehen war, dass neben der Kirche ein neues Dorfkomiteebüro gebaut werden sollte.
Ein Drei Selbst-Prediger berichtete, dass im Rahmen des aktuellen, umfassenden Vorgehens gegen die Religion in Shandong alle Kreuze entfernt werden müssten. Er erzählte auch, dass es sich dabei um eine politische Aufgabe handelt, was bedeutet, dass keinerlei Widerstand geduldet wird. Kirchen, die sich weigern, ihre Kreuze abzunehmen, werden geschlossen.
Akten über Gläubige angelegt
Im April beriefen einige Großgemeindeverwaltungen im Zuständigkeitsbereich der Stadt Liaocheng ein Treffen ein. In diesem wurde verlangt, dass Informationen über Gläubige gesammelt und systematisiert werden sollten. Überprüft werden sowohl Christen als auch Buddhisten und Daoisten. Hauptziel der Überprüfungen und Razzien sind jedoch Falun Gong Praktizierende und Anhänger der Kirche des Allmächtigen Gottes (KAG). Die Behörden verlangen, dass „kein einziger davon übersehen werden darf.“
Nach Angaben der KAG führte die Polizei vom 16.-18. April eine organisierte Operation in Shandong durch und nahm in den Städten Dezhou, Tai’an und Liaocheng 50 Mitglieder der Kirche des Allmächtigen Gottes fest.
Auch gegen buddhistische und daoistische Versammlungsstätten wurde hart vorgegangen. Ein Regierungsbeamter der Großgemeinde Guanyi im Zuständigkeitsbereich der Stadt Jining berichtete, dass allein am 12. April 18 kleine Tempel in der Großgemeinde zerstört wurden.
Von Ende März bis Mitte April wurden im Zuständigkeitsbereich der Stadt Heze mindestens 17 Tempel gewaltsam zerstört. Die meisten davon mitten in der Nacht.