Zum ersten Mal wurde eine in China inhaftierte Gefangene der Kirche des Allmächtigen Gottes vom überparteilichen Lantos-Ausschuss des US-Kongresses „adoptiert“.
Massimo Introvigne
Am 24. September 2008 wurde mit der H. Res. (Resolution des Repräsentantenhauses) 1451 die Tom Lantos-Menschenrechtskommission gegründet, eine überparteiliche Körperschaft des Repräsentantenhauses zur weltweiten Verteidigung der Menschenrechte. Sie wurde nach dem US-amerikanischen Kongressabgeordneten Tom Lantos (1928-2008) benannt, einem bekannten Verfechter der Menschenrechte. Die vielleicht bekannteste Tätigkeit des Lantos-Ausschusses ist die „Adoption“ von Gewissensgefangenen, mit der 2012 begonnen wurde. Wenn ein Gewissensgefangener „adoptiert“ wird, veröffentlichen ein oder mehrere Mitglieder des Lantos-Ausschusses Informationen über ihn oder sie, drängen das Außenministerium und das Weiße Haus dazu, den Fall des Gefangenen zu priorisieren, und stellen sicher, dass US-Delegationen in das Land reisen, in dem der Gefangene festgehalten wird, um dort ihre Bedenken wegen der Gefangennahme zu äußern.
Am 28. Januar 2019 hat der Lantos-Ausschuss zum ersten Mal eine Gewissensgefangene der Kirche des Allmächtigen Gottes (KAG), einer neuen, in China verbotenen und auf die xie jiao-Liste gesetzten Religionsbewegung, adoptiert.
Der Name der Gefangenen ist Mo Xiufeng. Sie wurde am 16. April 1988 in der Stadt Nanning (Guangxi) geboren und wohnte im Gebäude 29, Appartement Nr.8, in Qiaowang (Großgemeinde Hecheng, Kreis Qingtian, Stadt Lishui, Provinz Zhejiang). 2011 wurde sie Christin und 2012 Mitglied der Kirche des Allmächtigen Gottes.
Am 02. Juli 2017 gegen 17:00 Uhr stürmten sechs oder sieben Polizeibeamte in Zivil von der Staatssicherheitsbrigade des Büros für Öffentliche Sicherheit der Stadt Lishui (Provinz Zhejiang) in die Mietwohnung, in der Mo Xiufeng lebte, und schrien sie und ihren Ehemann an, dass sie verdächtigt würden, einer xie jiao anzugehören. Nachdem sie die Wohnung durchwühlt hatten, beschlagnahmten sie mehrere KAG-Bücher und andere Texte. Dann brachte die Polizei Mo Xiufeng und ihren Ehemann zum Verhör zur Polizeidienststelle von Wanxiang (Stadtbezirk Liandu, Stadt Lishui).
Am 03. Juli um 09:00 Uhr morgens brachten die Beamten Mo Xiufeng in das East West Rock-Hotel im Dorf Shaxi (Großgemeinde Laozhu, Stadt Lishui), und versuchten dort, sie dazu zu bringen, ihren Glauben aufzugeben sowie die Namen ihrer Glaubensgenossen und den Aufbewahrungsort der KAG-Spendengelder zu verraten. Außerdem sollte sie zum Spitzel der chinesischen Behörden werden, damit diese weitere KAG-Mitglieder festnehmen und KAG-Besitz beschlagnahmen könnten.
Als Mo Xiufeng sich weigerte, Informationen preiszugeben, wurde sie von der Polizei gefoltert und über Tage hinweg vom Schlafen abgehalten. Sobald sie begann einzunicken, zwangen die Polizisten sie dazu, sich auf eine Bank zu stellen, sodass sie es nicht wagte, ihre Augen zu schließen. Nach 18 Tagen Folter kam die Polizei zu dem Schluss, dass sie letztlich erfolglos bleiben würde. Mo würde ihrem Glauben treu bleiben und kein Spitzel werden.
Am 21. Juli klagte die Zweigstelle des Büros für Öffentliche Sicherheit der Stadt Lishui im Stadtbezirk Liandu Mo Xiufeng der Straftat, „eine xie jiao organisiert und genutzt zu haben“, an. Sie wurde in der Haftanstalt der Stadt Lishui inhaftiert.
Am 01. März 2018 verurteilte das Volksgericht des Stadtbezirks Liandu in der Stadt Lishui Mo Xiufeng zu neun Jahren Haft (vom 21. Juli 2017 bis zum 20. Juli 2026) und belegte sie mit einer Geldstrafe von 30 000 RMB (ungefähr 3900 EUR). Sie war einer Straftat für schuldig befunden worden, die gemäß Artikel 300 des chinesischen Strafgesetzbuchs geahndet wird. In Artikel 300 steht, dass die „Nutzung“ einer xie jiao eine Straftat darstellt, die mit drei bis zu sieben Jahren Gefängnisstrafe „oder mehr“ geahndet wird. Für gewöhnlich wird in den Gerichtsurteilen der Ausdruck „die Nutzung einer xie jiao zur Untergrabung der Gesetzesvollstreckung“ verwendet. Im Falle von Mo Xiufeng, wie in vielen anderen Fällen auch, zeigt es sich jedoch, dass für die Anwendung von Artikel 300 keine weitere Straftat nötig ist, als aktiv einer verbotenen und als xie jiao eingestuften Religionsgruppe anzugehören. Mo Xiufeng wurde zu neun Jahren Haft verurteilt, weil sie als lokale Leiterin einer xie jiao ausgemacht worden war, doch Artikel 300 wird für gewöhnlich auch gegen Mitglieder, die keine Leitungsfunktion haben, angewandt. Tatsächlich wurden elf weitere KAG-Mitglieder, die am selben Tag wie Mo Xiufeng verhaftet worden waren, ebenfalls zu Gefängnisstrafen zwischen drei und acht Jahren verurteilt und erhielten Geldstrafen zwischen 5000 RMB (ungefähr 650 EUR) und 20 000 RMB (ungefähr 2600 EUR).
Mo Xiufeng und sechs ihrer Glaubensgenossen befinden sich bis heute in China im Gefängnis. Die „Adoption“ durch den Lantos-Ausschuss zeigt jedoch, dass sie nicht vergessen sind.