Vater Liu Quanfa aus der Diözese von Zhengzhou in der Provinz Henan war nach der starken KPCh-Verfolgung gezwungen, sein Amt aufzugeben.
Wang Yichi
Im Abkommen zwischen dem Vatikan und China von 2018 erkannten der Heilige Stuhl und die KPCh de facto gegenseitig ihre Autorität an. Der Vatikan ging davon aus, dass auf der Grundlage des Abkommens eine “neue“ Kirche entstehen würde, die sowohl dem Papst als auch der Regierung gegenüber loyal ist. Die KPCh dagegen interpretierte das Abkommen dahingehend, dass alle Katholiken der Katholisch-Patriotischen Kirche Chinas beitreten sollen – um das sicherzustellen, schikanieren die Behörden weiterhin abtrünnige Kirchenleute, die einen solchen Beitritt verweigern.
Vater Liu Quanfa aus der katholischen Minggong Straßen-Kirche in der Stadt Zhengzhou in der Zentralprovinz Henan ist eines der jüngsten Opfer dieser Verfolgung. Der vorherige Diözesenadministrator, Vater Zhang Kuijin (gest. 2016) war 2012 aus dem Dienst ausgeschieden. In den Augen des Heiligen Stuhls hatte die katholische Diözese Zhengzhou nun weder einen rechtmäßig amtierenden Bischof noch einen Administrator, also wurde Vater Liu zu einem solchen ernannt.
Ein ortsansässiger Katholik, der anonym bleiben möchte, hat Bitter Winter erzählt, dass Vater Liu sein Amt aufgegeben habe. Er sei seit dem vergangenen Jahr von dem Vorsitzenden der Katholisch-Patriotischen Verbindung der Provinz, Wang Yuesheng, und von Beamten des Büros für Ethnische und Religiöse Angelegenheiten unter Druck gesetzt worden, Wang Yuesheng als neuen Administrator der Diözese anzuerkennen.
Anfang 2018 veröffentlichte Vater Liu in der WeChat-Gruppe der Kirche einen Artikel mit dem Titel “Steht mit Nachdruck für das Recht christlicher Kinder auf Glauben ein“. Später veröffentlichte eine Zeitung in Hongkong den Text. Liu machte auch ein Foto eines Schildes mit der Aufschrift “Minderjährigen ist das Betreten religiöser Versammlungsstätten verboten“, das die Behörden am Eingang der Kirche angebracht hatten. Dieses Foto schickte er einem Reporter der in Hongkong ansässigen katholischen Asian News. Daraufhin wurde er angeklagt, unangemessene Bemerkungen online gepostet und Staatsgeheimnisse verraten zu haben. Die Regierung verlangte entsprechend Vergeltung.
Ab Juli wurden das Gehalt und andere Unterstützungen für Vater Liu gestrichen, woraufhin er von den Almosen der Kirchenangehörigen leben musste. Er wurde unter strenge Überwachung gestellt und es wurde ihm verboten, in der Kirche Predigten zu halten. Er durfte nicht einmal eine Genehmigung auf medizinische Behandlung im Ausland beantragen.
Vater Liu hatte bereits im Dezember, kurz vor dem Abkommen zwischen dem Vatikan und China, einen Brief an Kardinal Fernando Filoni geschrieben. Filoni ist Präfekt der Kongregation für die Evangelisierung der Völker – das ist die, mit der Missionierungsarbeit betraute, Verwaltungsbehörde der Römischen Kurie, die direkt für die katholischen Diözesen in China verantwortlich ist. In dem Brief warnte Vater Liu den Heiligen Stuhl davor, dass die, von der KPCh ernannten Kirchenleute, auch die Bischöfe, unzuverlässig seien. Da Liu unter ständiger Überwachung stand, wurde der Brief von den Behörden abgefangen und kam niemals beim Kardinal an. „Was die Ernennung von Bischöfen anbelangt, rate ich dem Heiligen Stuhl, keine leichtfertigen Kompromisse mit der KPCh-Regierung einzugehen“, schrieb Liu in seinem Brief. „Die Regierung hat viele Personen vorgeschlagen, die nicht wirklich geeignet sind. Als diese erst einmal zu Bischöfen geweiht waren, waren sie berüchtigt für ihre Missetaten. Viele ihrer Mängel wurden offensichtlich. Sie sind auch im Glauben wankelmütig und viele ihrer Taten missfallen den Kirchenangehörigen. Die Regierung sollte nicht mit kirchlichen Angelegenheiten betraut werden. Die Korruption in der heutigen Kirche ist im Grunde untrennbar mit deren Politisierung und Säkularisierung verbunden.“
Der Druck auf Vater Liu nahm Anfang dieses Jahres zu. Ende Januar wurden Überwachungsgeräte vor seinem Amtssitz angebracht, um ihn und seine Besucher zu überwachen. Die Außentreppe zu Vater Liu´s Zimmer im zweiten Stock wurde entfernt, um Gläubige daran zu hindern, privat mit ihm Kontakt aufzunehmen.
Video: Arbeiter entfernen die Außentreppe zu Vater Liu´s Zimmer.
Am 13. Februar warnte die Polizei Vater Liu davor, sich gegen die Regierung zu stellen. Um ihn einzuschüchtern, verwiesen sie auf das Beispiel von Vater Liu Jiangdong, einem Gemeindepriester der Heiligen Herz-Kirche in Zhengzhou, der im September eine Woche lang in Gewahrsam genommen und später seines Priesteramts enthoben worden war, weil er sich gegen die Regierung gestellt und “religiöse Vorschriften und Regeln“ gebrochen habe.
Eine Woche später wurde Vater Liu zur Amtsverwaltung des Straßenviertels bestellt, wo ihn der Leiter des Büros für Ethnische und Religiöse Angelegenheiten unter Druck setzte, sein Amt aufzugeben und Wang Yuesheng als Administrator der Diözese anzuerkennen. Der Leiter drohte, dass ansonsten Liu´s Klerus-Urkunde annulliert werden würde.
Vater Liu weigerte sich weiterhin. Am 4. März vertrieb Yang Xiude, der Generalsekretär von Henans Katholisch-Patriotischer Vereinigung Chinas (CPCA) Liu aus der Kirche und zwang ihn zur Rückkehr in seine Heimatstadt. Wang Yuesheng übernahm die Minggong Straßen-Kirche und erklärte sich selbst zum Priester der Gemeinde. Bitter Winter wurde berichtet, dass Wang sich auch als “zuständig“ für die gesamte Diözese Zhengzhou erklärte. Dieses Vorgehen erzürnte andere Priester und Kirchenangehörige. Wieder einmal wurde die fortdauernde Verfolgung regime-kritischer katholischer Priester durch die KPCh offensichtlich.