Die Behörden führen Schulungen mit Schwerpunkt auf Anti-Infiltration durch und verlangen, dass sich jedes Kirchenoberhaupt „von den Fesseln der westlichen Theologie befreit“.
Am 11. März 2019 erklärte Xu Xiaohong, Vorsitzender des Nationalkomitees der Patriotischen Drei-Selbst-Bewegung der protestantischen Kirchen in China, bei einem Treffen, dass die Kirchen in China den Namen Zhong [„China“] und nicht Xi [„der Westen“] tragen müssen. Er sagte auch, dass die Symbole ausländischer Religionen entfernt werden müssen. Er kritisierte die westlichen, gegen China eingestellten Kräfte dafür, dass sie das Christentum dazu benutzen, die soziale Stabilität in China zu beeinträchtigen und sogar das Regime zu untergraben.
Diese Vorstellung haben die Behörden auch in der Schulung von Seelsorgern energisch vertreten.
Ein Pastor einer Drei-Selbst Kirche stellte Bitter Winter interne Unterlagen für die Schulung von staatlich anerkannten Seelsorgern in allen Provinzen zur Verfügung, die von Behörden der nordöstlichen chinesischen Provinz Liaoning durchgeführt wurde.
Den Unterlagen zufolge behaupten die Behörden, dass „in- und ausländische feindlich gesinnte Kräfte versuchen, religiöse Persönlichkeiten und die Massen in eine Macht umzuwandeln, die sich der Partei und der Regierung widersetzt“ und dass „dies ein großer politischer Kampf ist“. Die Behörden behaupten ferner, dass ausländische Streitkräfte verschiedene Methoden anwenden, um Hauskirchen zu unterstützen. Weiters dass „Die Vereinigten Staaten die Quelle sind, Südkorea die Vorhut und Hongkong der Brückenkopf ist.“ Die Behörden behaupten auch, dass westliche Länder das Christentum zur Infiltration benutzen, „um politischen Pluralismus zu schaffen.“
In den Unterlagen wird auch erwähnt, dass die Behörden glauben, dass religiöse Online-Aktivitäten die Hauptroute der ausländischen Infiltration sind und dass Maßnahmen ergriffen werden müssen, um dies unter Kontrolle zu bringen.
Insbesondere betonten die Behörden, dass „Christen in China sich von den Fesseln der westlichen Theologie befreien“ und sich an die Kulturgeschichte Chinas anpassen müssen, um sich vom westlichen Einfluss zu befreien.
Laut einem Pastor einer Drei-Selbst Kirche, der diese Schulung macht, werden viele „sinisierte“ und „säkularisierte“ Inhalte in die Schulung einbezogen, darunter chinesische Geschichte, Sozialökonomie, Kirchenverwaltung und wie man die Bibel mit der konfuzianischen Doktrin vereint.
Ein anderer Pastor, der am Olive Hill Seminar in Harbin, der Hauptstadt der nordöstlichen chinesischen Provinz Heilongjiang, geschult wird, berichtete Bitter Winter, dass die Regierung für sie einen Besuch des Konfuzius-Tempels, des Gartens zum Gedenken an die Märtyrer und des Museums für Geschichte arrangiert habe und verlangte, dass die Seelsorger jeden Monat einen „roten Film“ (also einen patriotischen Film) ansehen müssen.
„Wenn wir jetzt unsere Predigten halten, stehen wir unter enormem Druck. Wenn wir nicht das Richtige sagen, können die Mitarbeiter des Büros für Staatssicherheit behaupten, wir seien gegen die Regierung“, erklärte der Pastor. „Jedes Thema einer Predigt muss zuerst dem Büro für Religiöse Angelegenheiten zur Prüfung vorgelegt werden. Wird es nicht genehmigt, kann die Predigt nicht gehalten werden. Per Regierungsbestimmung muss in jeder Predigt die chinesische Kultur angesprochen werden. Und genauso müssen wir in den Drei-Selbst Kirchen über die Bibel sprechen, denn in den Kirchen halten sich Spione der KPCh auf. Sobald sie feststellen, dass der Inhalt der Predigt nicht den nationalen Anforderungen entspricht, werden wir hart bestraft. Man könnte uns z.B. unsere seelsorgerischen Pflichten auf Lebenszeit entziehen, sodass wir in keiner Kirche mehr als Pastoren dienen können.“
Ein weiterer Pastor einer Drei-Selbst Kirche, der ebenfalls geschult wird, sagte, dass die Regierung fordert, dass überall chinesische Elemente integriert werden – „angefangen von Hymnen über Kleidung bis hin zur Architektur der Kirchen“. Wenn man die Vorschriften der Regierung nicht befolgt, wird man einfach bestraft.“
Er fügte auch hinzu, dass jeder Christ weiß, dass die Anwendung von Kratzbuckeln, Räucherwerk und Opfergaben Handlungen einer Anbetung falscher Götter sind und den echten, wahren Gott beleidigen. Doch jetzt gestattet es die KPCh Pastoren nicht mehr, die Bibel zu predigen, stattdessen müssen sie der chinesischen Etikette folgen und verkünden, dass diese götzendienerischen Handlungen eine Möglichkeit sind, den Verstorbenen zu gedenken.
„Indem die Regierung dies tut, verzerrt sie tatsächlich die Heilige Schrift und [sagt], es wäre am besten, den Trends dieser Welt zu folgen und sich wie profane Menschen zu verhalten. Einige große Kirchengemeinden in Harbin haben bereits begonnen, derartige Predigten abzuhalten“, sagte der Pastor.
Bericht von Zhou Hua