Pastoren und Prediger der staatlichen Drei-Selbst Kirche sind gezwungen, sich einer politischen Umerziehung zu unterziehen, da die KPCh die Bemühungen um eine „Sinisierung“ des Christentums intensiviert.
Wang Anyang
Überall in China organisieren die Behörden Schulungskurse für Pastoren und Priester der Drei-Selbst Kirche mit dem Ziel, sie zu loyalen Bediensteten der KPCh „zu reformieren“, die dazu beitragen würden, das politische Ansehen der Gemeinden zu stärken, indem sie ihnen kommunistische Ideale nahebringen. Da sie angesichts von Drohungen und Einschüchterungen sich nicht dagegen wehren können, müssen sie mitansehen, wie das Christentum im ganzen Land ausgemerzt wird, da ihre Gotteshäuser zu Propagandazentren umfunktioniert werden.
„Nicht reformierte“ Geistliche dürfen nicht predigen
Mitte Juli startete die Provinzregierung von Liaoning im Nordosten Chinas einen Schulungskurs für Pastoren und Priester der Drei-Selbst Kirche im Seminar von Shenyang. Zu den Schulungsleitern gehörte der Direktor des Büros für Religiöse Angelegenheiten der Provinz.
“Während der Schulung wurde nicht einmal ein Satz aus der Bibel erwähnt. Alles worüber sie sprachen, handelte von „Sinisierung“. Sie sagten, dass bei Predigten traditionelle chinesische Kleidung getragen werden müsse und dass alle Kirchen im europäischen, gotischen Stil abgerissen und stattdessen Kirchen im chinesischen Stil gebaut werden müssten“, berichtete ein Pastor, der an der Schulung teilnahm. „Was den Inhalt der Predigten betrifft, so darf nur das gesagt werden, was die Regierung anordnet. Jeder, der predigt, muss an den Schulungen teilnehmen. Wer das nicht tut, bekommt kein Abschlusszertifikat und darf nicht mehr von der Kanzel predigen.“
Wenn Regierungsbeamte fragen würden, was von höherer Autorität sei – die Politik der KPCh oder die Bibel –, würde denjenigen, die die Bibel zu sagen wagten, ihre Qualifikation als Priester entzogen, so der Pastor weiter.
Im Juni veranlasste die Stadtverwaltung von Xinzhou in Chinas nördlicher Provinz Shanxi mehr als 70 bekannte religiöse Persönlichkeiten aus 14 Bezirken und Städten innerhalb der Verwaltungshoheit, sich zur Schulung ins Zentralinstitut für Sozialismus in Peking, einer von der KPCh geleiteten Institution, zu begeben.
Nach Angaben eines Teilnehmers sprachen die Beamten dort vor allem über die neuen Vorschriften für religiöse Angelegenheiten, die Liebe zum Land und ähnliche Themen. Sechs Referenten hielten Vorträge über die Arbeit von Präsident Xi Jinping, die Geschichte Chinas und andere politisch bezogene Inhalte.
„Die Teilnahme war verpflichtend und jedem, der sich weigerte, wurde angedroht, später bestraft zu werden“, sagte der Teilnehmer. Er beobachtete auch, dass der allgemeine Ton der Schulung hart war, das Christentum verleumdet wurde und die Teilnehmer mit kommunistischer Propaganda indoktriniert wurden. Einige Redner behaupteten, dass das Christentum als Ergebnis der Opiumkriege gewaltsam nach China eingeführt wurde – zwei militärische Konflikte Mitte des 19. Jahrhunderts zwischen der herrschenden Qing-Dynastie (1644-1912) und westlichen Ländern, die in China oft als Verschwörung europäischer Nationen zur Zerstörung Chinas „durch Drogen und Kanonenboote“ angesehen werden. Die Beilegung nach dem Zweiten Weltkrieg veranlasste China, seine Häfen zu öffnen und Hongkong an Großbritannien zu übergeben – der Beginn dessen was China das „Jahrhundert der Demütigung“ nennt.
Im ganzen Land erleben Drei-Selbst Kirchen anhaltende Drohungen und Schikanen von Behörden in ihrem Bestreben, das Christentum zu sinisieren. Ein Leiter einer Polizeistation kam in eine Kirche in einem Bezirk von Liaoyang, einer Stadt auf Präfekturebene in der östlich-zentralen Provinz Liaoning, um die Religionspolitik zu fördern. „Wir müssen die Partei als Gott betrachten – ganz genauso wie Gott“, war eines der Credos, die er der Gemeinde vortrug.
Ende Mai veranstaltete das „Team zur Förderung der Sinisierung des Christentums“ der Provinz Liaoning eine Vortragsreise in Kirchen in und um die Stadt Anshan zum Thema „Segne das Mutterland und erfülle den China-Traum“. Dabei wurde auf Präsident Xis nur vage Aufruf zur nationalen Verjüngung Bezug genommen, der 2013 begonnen wurde.
Gläubige wurden auf Patriotismus getestet
Im Rahmen von Veranstaltungen zum 70. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik China (VR China), die am 1. Oktober gefeiert wird, werden in allen Drei-Selbst Kirchen patriotische Veranstaltungen organisiert.
Am 10. Juli fand in einer Drei-Selbst Kirche im Bezirk Liaozhong in der Stadt Shenyang in Liaoning eine Aufführung statt. Überall in der Kirche wurden Staatsfahnen aufgehängt, die religiöse Gemälde verdeckten und auf einer Großleinwand patriotische Bilder gezeigt.
Ein Gemeindemitglied offenbarte, dass es während der Veranstaltung insgesamt 11 Aufführungen gab. Das erste Lied, das die Gläubigen sangen, war „Ohne die Kommunistische Partei gäbe es kein neues China“. Die meisten anderen Aufführungen waren weltliche Programme, die von Atheisten aufgeführt wurden.
Beamte der Vereinigten Arbeitsfront des Bezirks Liaozhong sagten, dass das Hauptziel, Gläubige dazu zu bringen, „rote“ Lieder zu singen, darin bestehe, herauszufinden, ob sie wirklich patriotisch sind.
Mitglieder der Gemeinde wollten nicht an den, von der Regierung organisierten, Veranstaltungen zur Verehrung der KPCh teilnehmen. Als die Verantwortliche einer Kirche in der Gegend offen sagte, dass sie nicht an der Veranstaltung teilnehmen wolle, drohten lokale Beamte, die Kirche zu schließen, würde sie sich der Regierung widersetzen. Ein Gläubiger konnte wegen Rückenschmerzen nicht an den Feierlichkeiten teilnehmen, wurde aber darüber informiert, dass die Anwesenheit obligatorisch sei, sodass ein Fernbleiben als „Widerstand gegen die Regierung“ angesehen werden würde.
Am 9. Juli feierten die zwei Chinesischen Christenräte der Stadt Fuzhou in der südöstlichen Provinz Jiangxi in der Meng’en-Kirche des Bezirks Zixi ein Jubiläum zum 70. Jahrestag. Das Programm umfasste Gedichte und die Verehrung der Kommunistischen Partei.
„Alle Veranstaltungen bei der Versammlung bestanden aus Gedichten, die die Partei und den Patriotismus priesen. Es wurde nicht eine einzige christliche Hymne gesungen“, sagte ein Gemeindemitglied wütend. „Es war absurd, diese degenerierten Gedichte in der Kirche zu hören. Das soll Glaube an Gott sein? Das ist doch wohl eher der Kniefall vor der Kommunistischen Partei! Alle Kirchen befinden sich jetzt im Kontrollbereich der Kommunistischen Partei, die sie manipuliert, wie es ihr gefällt.“
Anfang August veranstalteten die zwei Chinesischen Christenräte der Stadt Nanchang auch einen Wettbewerb patriotischen Chorgesangs, um den 70. Jahrestag der Gründung der VR China zu feiern.