Durch die konsequente Manipulation der öffentlichen Meinung verstärkt die Provinz Henan Unterdrückungskampagnen, die seit Januar zur Verhaftung von über 300 Gläubigen geführt haben.
von Gu Xi
Die Kirche des Allmächtigen Gottes (KAG) ist die am stärksten verfolgte religiöse Gruppe in China und hat seit ihrer Gründung 1991 unzählige brutale Niederschlagungen erleiden müssen. Allein im Jahr 2018 wurden über 10.000 Mitglieder der KAG verhaftet, in deren Verlauf mindestens 20 Gläubige den Tod fanden.
Im Jahr 2019 wird die Unterdrückungskampagne gegen die Kirche im ganzen Land weiterhin fortgesetzt und nimmt sogar immer mehr zu. Um sie noch weiter zu verstärken, nutzen die Behörden Propaganda, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen, bieten Informanten Belohnungen an und wenden eine Vielzahl anderer Methoden an, um Gläubige aufzuspüren und festzunehmen.
Die Mitglieder der KAG in der Zentralprovinz Henan gehören zu den Menschen, die am stärksten betroffen sind. Slogans, die dazu aufrufen, die KAG zu unterdrücken, zu diffamieren und zu boykottieren, sowie Hinweise, die Menschen ermutigen, Gläubige der KAG zu melden, sind in der Provinz allgegenwärtig. Infolgedessen wurden nach Informationen der Kirche des Allmächtigen Gottes von Januar bis Juli diesen Jahres 319 Mitglieder in Henan verhaftet, mindestens 410.000 RMB (ca. 50.000 Euro) an Kirchenvermögen geplündert und 2.742 Mitglieder der KAG von der Polizei zu Hause schikaniert.
Alles umfassende Informationskampagne
Bitter Winter hat ein vertrauliches Dokument erhalten, das im Juni von einer Stadt in Henan herausgegeben wurde und welches detailliert eine Sonderaktion zur Unterdrückung der KAG beschreibt. Im Laufe eines Monats veranstalteten die Behörden eine umfassende Razzia gegen die KAG, indem sie Propaganda-Aktivitäten einsetzten und sich an die, im Dokument festgelegten, Anforderungen hielten: erstens, die Organisation von „Fotoausstellungen“ zur Diffamierung der KAG und die Verteilung und Anbringung von Propaganda-Material auf den meistbesuchten öffentlichen Plätzen, belebten Straßen und anderen Gebieten. Zweitens, Nutzung des Internets, des Fernsehens, Radios und anderer Plattformen, um Propaganda-Filme oder Theateraufführungen auszustrahlen, die die KAG verleumden. Drittens, Einsatz von religiösen Persönlichkeiten, die die Regierung ausgewählt hat, für kritische Aussagen gegenüber der KAG.
Das Dokument empfiehlt auch, eine Plattform einzurichten, um die Massen zu ermutigen, Mitglieder der KAG gegen finanzielle Belohnungen zu melden und um gegen alle vorzugehen, die die Behörden nicht entsprechend informieren und die Orte für Versammlungen von KAG-Gläubigen anbieten.
Weiterhin wurden in Städten, Landkreisen und Gemeinden der gesamten Provinz Slogans veröffentlicht, die die KAG diffamieren und zu ihrem Boykott auffordern und in jeder Straße und Gasse Hinweise auf Belohnungen angebracht.
Betriebe angewiesen, rund um die Uhr Anti-KAG Propaganda zu zeigen
Im Rahmen der Kampagne wurden LED-Bildschirme, die von Händlern zur Werbung für ihre Dienstleistungen und Waren eingesetzt werden, auch für die KAG-feindliche Propaganda verwendet.
Auf beiden Seiten der belebten Xiaoshan Road in der Stadt Sanmenxia werden Sätze wie „Boykott gegen [Die Kirche des] Allmächtigen Gottes“, „Schutz vor [Der Kirche des] Allmächtigen Gottes“ und „Haltet euch fern von [Der Kirche des] Allmächtigen Gottes“ in Endlosschleifen auf den LED-Bildschirmen jedes Geschäfts angezeigt.
Nach Angaben eines lokalen Händlers übergab die örtliche Polizei Ende Mai allen Händlern in der Xiaoshan Road die Texte, die sie 24 Stunden lang durchgehend auf ihren Bildschirmen nach einem festgelegten Zeitplan zu senden hatten. Sie mussten ihre Bildschirme oder Displays auch fotografieren und sie als Beweis an die WeChat-Gruppe der Polizei schicken. Da in jedem Geschäft Überwachungskameras installiert sind und die Polizei sie ständig kontrollieren kann, wagen es die Inhaber nicht, die Anforderungen zu missachten.
Beamte auf unterster Ebene stehen unter Druck, Gläubige zu melden
Ein Dorfbeamter aus einem Bezirk im Zuständigkeitsbereich der Stadt Pingdingshan enthüllte gegenüber Bitter Winter, dass die Bezirksregierung am 12. Juni jedem Dorfvorsteher ein Anmeldeformular aushändigte, um Informationen über jedes Mitglied der KAG, einschließlich mutmaßlicher Gläubige, zu sammeln und Sorge zu tragen, auch wirklich jeden zu erfassen.
„Dies ist eine unerbittliche Kampagne. Der Staat hat die Unterdrückung der ‘xie jiao‘ nun zum Gesetz gemacht“, sagte der Beamte unter Bezugnahme auf Artikel 300 des chinesischen Strafgesetzbuches. „Sobald die Listen mit den Namen bei unseren Vorgesetzten vorliegen,
bekommen diese Leute Schwierigkeiten. Sie werden nicht nur mit Geldstrafen belangt, sondern auch zu Gefängnisstrafen verurteilt werden.“
Am 20. Juni informierte die Regierung von Yima, einer Stadt auf Bezirksebene im Zuständigkeitsbereich der Stadt Sanmenxia, alle Parteimitglieder und Beamten auf unterster Ebene, dass jede Versammlung von drei bis fünf Personen als ‘xie jiao‘ gilt und sofort nach Entdeckung gemeldet werden muss. Die Regierung verlangte auch, dass sie an jeden Haushalt Anti-KAG-Propaganda-Material verteilen und die gesamte Bevölkerung mobilisieren, über KAG-Mitglieder zu informieren.
Informanten werden mit Geld belohnt
Die Regierung des Bezirks Taiqian im Zuständigkeitsbereich der Stadt Puyang, richtete ein Inspektionsteam ein, das jedes Dorf besuchen und den religiösen Glaubensstatus der Bewohner untersuchen sollte. Die Behörden forderten auch, an der Außenwand des Büros jedes Dorfkomitees einen Meldekasten anzubringen, damit Bewohner dort Meldungen über Menschen, die an Gott glauben, einwerfen können. „Alle der mehr als 300 Dörfer im Bezirk müssen untersucht werden. Die Untersuchung muss zudem bis September abgeschlossen sein“, befahl ein Bezirksbeamter.
Während einer Versammlung von Parteimitgliedern in einem Dorf im Bezirk Mianchi, Anfang Juni, wurden jedem Beamten „Info-Karten zum Verständnis von Anti-Xie Jiao“ und Propaganda-Broschüren ausgehändigt, die sie an die Bewohner verteilen sollten. Jeder Beamte wurde zudem auch aufgefordert, innerhalb seines Zuständigkeitsbereiches jede Person, die an Gott glaubt, insbesondere Mitglieder der KAG, zu melden. Darüber hinaus wurde ihnen gesagt, sie sollten alle Einwohner ermutigen, Gläubige gegen finanzielle Belohnungen, die von 300 RMB (ca. 38 Euro) bis 1.000 RMB (ca. 90 Euro) reichen, an die Behörden zu melden.
Am 18. Juni gaben mehrere örtliche Polizisten Parolen heraus, die den Glauben an Gott auf dem Land verurteilten und forderten die Menschen dort dazu auf, Mitglieder der KAG zu melden – gegen eine Belohnung von 3.000 RMB (ca. 270 Euro) für jeden Einzelnen. Ein junger Zaungast sagte dazu: „Ich kenne jemanden, der an den Allmächtigen Gott glaubt. Den werde ich morgen melden und mir die 3.000 RMB holen.“
Finanzielle Belohnungen motivieren Menschen, Gläubige zu melden, was die Mitglieder der KAG zweifellos in eine sehr prekäre Lage bringt. Anfang Juni verhaftete die Polizei nach einem Hinweis fünf Mitglieder der KAG in Henan während einer Versammlung. Ein Verwandter eines der festgenommenen Gläubigen sagte dazu besorgt, dass in kleinen Dörfern natürlich jeder weiß, wer an Gott glaubt und wer nicht: „Jeder, der an Gott glaubt ist jetzt extrem gefährdet“.