Die Vorschrift, die Religionszugehörigkeit offenzulegen, stellt gläubige Menschen vor ein schwerwiegendes Problem – den Glauben verraten oder Schwierigkeiten in Kauf nehmen?
Deng Yi, eine Christin der Hauskirche True Jesus Sect, und ihr Sohn, Student an einer Universität in der östlichen Küstenprovinz Shandong, befanden sich unlängst genau in dieser Zwickmühle: Ihre Zukunft auf Erden aufs Spiel setzen oder Gott vor anderen leugnen?
Grund dafür war, dass die Universität, die Deng Yis Sohn besucht, ein neues Verfahren für das Ausstellen von Überprüfungsformularen des religiösen Glaubens eingeführt hat. Diejenigen, die mutig genug sind, um zuzugeben, dass sie gläubig sind, geraten schnell in Schwierigkeiten mit ihren Dozenten. Einige werden sogar bestraft. Und nicht nur das: der Eintrag zu ihrem Glauben bleibt für immer dokumentiert, was ihre Zukunft und Karriere klar beeinflusst.
Trotz dieses Risikos für seine Zukunft war Deng Yis Sohn nicht willens, im Formular anzukreuzen, dass er nicht gläubig wäre, denn das wäre für ihn ein Angriff auf Gott.
Was sollte er also tun?
Er fragte seine Mutter und sie bat andere Christen in ihrer Kirche um Rat, musste aber leider feststellen, dass viele ihrer Glaubensgenossen vor demselben Problem standen und durch die Unterzeichnung der Umfragen gezwungen waren, zwischen ihrer Zukunft und ihrem Glauben zu wählen.
Wie Bitter Winter bereits berichtete, gibt es Fragebögen und Formulare zur landesweiten und flächendeckenden Erfassung von Gläubigen in China – Menschen aller Glaubensrichtungen und gesellschaftlicher Positionen müssen sie ausfüllen – angefangen bei Mitarbeitern in Schulen und öffentlichen Einrichtungen bis hin zu Unternehmen, Nachbarschaften und Gemeinden. In den Formularen werden in der Regel verschiedene persönliche Informationen verlangt, darunter Name, Ausweisnummer, Wohnanschrift, Beruf, Parteimitgliedschaft, Position innerhalb der religiösen Organisation sowie Namen der Familienangehörigen und deren Adressen und Arbeitsplätze.
„Die Regierung weiß, dass diese Art von Umfrage für Christen nicht so einfach ist, wie nur ein Formular auszufüllen und zu unterschreiben“, sagte Deng Yi. „Mit dieser Methode können sie viele Christen aussortieren. Außerdem sind die, die nicht bereit sind, Gott zu verleugnen, oft Christen, die tief in ihrem Glauben verwurzelt sind. Diese Strategien kosten die KPC kaum etwas, sind für uns Christen aber tatsächlich eine spirituelle Kriegsführung.“
Schließlich beschlossen Deng Yi und ihr Sohn anzugeben, dass sie „religiöse Überzeugungen haben.“
“Wenn es ganz schlimm kommen sollte, dann brauchen wir nur noch unseren Herrn Jesus,” sagte Deng Yi.
Für Christen steht aufgrund dieser Entscheidung viel auf dem Spiel
Chen Lin, ein neuer Student in der Stadt Zhengzhou in der zentralchinesischen Provinz Henan, gab bei der Umfrage wahrheitsgemäß an, er sei Christ. Daraufhin drohte ihm sein Studienbetreuer mit einem sofortigen Ausschluss aus der Universität, wenn sich herausstelle, dass er den Gottesdienst besucht. Er wurde auch davor gewarnt, in der Schule ein Kreuz zu tragen oder mit anderen Personen über den Glauben zu sprechen. Seither sind Chen Lin und seine Kommilitonen gezwungen, sich außerhalb des Campus heimlich zu treffen.
Nachdem Xiao Liu, ein Medizinstudent an einer Universität in der südöstlichen Küstenprovinz Fujian, in einem Formular zugegeben hatte, er habe religiöse Überzeugungen, wurde er an seiner Schule zu einer „Person von besonderem Interesse“. Dozenten haben christliche Studenten vor ihren Kommilitonen sogar bloßgestellt.
“Es sind immer mehr solcher Formulare im Umlauf”, sagte Xiao Liu. „Wenn man einen Studienberater, Berichte erstellen oder ein Praktikum absolvieren möchte muss man immer so ein Formular ausfüllen. In den meisten Formularen werden Menschen nach ihren religiösen Überzeugungen gefragt. Wenn man zum Militär möchte, sich der Partei anschließen, eine Arbeitsstelle finden, eine Prüfung zum Funktionär ablegen oder als Beamter eines Dorfes kandidieren möchte, muss man zu seinem eingetragenen Wohnort gehen und sich eine Bestätigung holen, dass die näheren Verwandten nicht gläubig sind, andernfalls wird man komplett abgelehnt.”
Wie bereits berichtet, werden die, von gläubigen Menschen ausgefüllten, Papierformulare von örtlichen Beamten zu Tabellen der “statistischen Erhebung” der religiösen Konfessionen zusammengefasst (mit zusammengefassten Daten über die Anzahl der registrierten Gläubigen, ihre Altersgruppen, Geschlecht, Bildung usw.) und später in eine nationale Datenbank eingegeben.
Menschen haben nicht einmal das Recht, sich zu weigern, das Formular auszufüllen, da dies impliziert, dass sie religiös sein könnten, und infolgedessen genauer überprüft werden.
Vor fünf Jahren wurde Wu Fang aus der Stadt Fuqing in Fujian als gläubiges Mitglied der „The Church of Almighty God“ (der Kirche des allmächtigen Gottes) verhaftet und 27 Tage lang festgehalten. Im Juni 2018 forderte ein Beamter aus ihrem Dorf, dass sie die Erklärung unterschreiben und ihrem Glauben abschwören soll. Sie lehnte ab.
Zwei Monate später kamen Regierungsbeamte, während sie mit den Vorkehrungen für den Bau eines Hauses für ihre Familie beschäftigt war, mit ihrem Bauantrag. Sie erklärten ihr, dass wenn sie abermals nicht unterschreiben würde, ihr Haus nicht genehmigt werden könnte. Wu Fang lehnte erneut ab.
Weitere zwei Monate später, als Wu Fang auf dem Weg war, ihre Krankenversicherung zu bezahlen, wurde sie von den Mitarbeitern aufgefordert, per Handabdruck (als eine Form der Unterschrift) zu garantieren, dass sie nicht mehr an Gott glaubte. Andernfalls würde man sie nicht krankenversichern.
Diese Art von Praxis ist in Xinjiang, im Nordwesten Chinas, sogar noch stärker Usus. Dort werden gläubige Personen gezwungen, ihrem Glauben öffentlich vor Publikum abzuschwören, ansonsten werden sie verdächtigt, „Gott in ihrem Herzen zu tragen.”
Wen Yongqiang, Einwohnerin einer Stadt im Norden von Xinjiang, sowie drei andere Mitglieder der „The Church of Almighty God“, die zu einem früheren Zeitpunkt bereits festgenommen und später wieder freigelassen worden waren, wurden im vergangenen April anlässlich der Flaggenzeremonie gebeten, vor einem Publikum ihre Treueerklärungen vorzulesen und ihrem Glauben öffentlich abzuschwören. Andernfalls würden sie dadurch beweisen, dass sie ideologische Probleme hätten und folglich zum “Studium” mitgenommen werden müssten.
Als die Lokalregierung wiederholt Druck auf Wen Yongqiang ausübte, die Erklärung endlich zu unterschreiben, entschied sie sich für die Flucht.
(Alle Namen wurden von der Redaktion geändert.)
Bericht von An Xin