Die KPCh dringt in Drei Selbst-Kirchen vor: In die Predigten fließt Propaganda ein, kommunistische Symbole ersetzen Kreuze – sogar der architektonische Stil der Gebäude wird verändert.
von Li Guang
Unter der heftigsten Razzienkampagne der KPCh gegen Religionen seit der Kulturrevolution leidet sogar die staatlich kontrollierte Drei Selbst-Kirche: Tausende von Kreuzen wurden zerstört, zahlreiche Kirchen abgerissen. Die noch bestehenden Kirchen werden gezwungen, sich einer „Sinisierung“ zu unterziehen, in deren Rahmen sie im Wesentlichen zu patriotischen Bildungszentren umgewandelt werden.
Politisierte und säkularisierte Predigten
In der staatlich kontrollierten Xinzhuang-Kirche (Stadtbezirk Jinshui, Stadt Zhengzhou, Zentralprovinz Henan) hat ein Prediger eine Zeit lang zehnminütige Diskurse über die traditionelle chinesische Kultur in die Predigt mit eingebaut, wie es vom Büro für Religiöse Angelegenheiten vorgesehen ist.
Den Behörden erschien dies jedoch wohl nicht als ausreichend: Am 13. Mai wies der Leiter des Büros für Religiöse Angelegenheiten des Stadtbezirks Jinshui den Prediger an, in seinen Predigten auch noch traditionelle chinesische Feste wie das Qingming-Fest (auch bekannt als Tag der Grabreinigung) vorzustellen. Außerdem muss er, wenn er die Bibel erörtert, auch über traditionelle Kultur sprechen und diese Erörterungen dürfen nicht länger als zehn Minuten dauern. Des Weiteren muss er Predigten zum Thema Patriotismus halten.
Forderungen, die Worte Gottes in den Drei Selbst-Kirchen durch KPCh-Ideologie zu ersetzen, verbreiten sich im ganzen Land. In Dandong, einer Stadt in Chinas nordöstlicher Provinz Liaoning an der Grenze zu Nordkorea, haben am 25. Mai die Vereinigte Arbeitsfront und die Zwei Chinesischen Christenräte einen Wettbewerb für Prediger abgehalten. Das Thema war: „Wie man die Religion zur Anpassung an Sozialismus und Patriotismus führt“.
Ein Prediger vor Ort berichtete, dass die Bewertungskriterien auf Faktoren basieren wie die Förderung der Sozialistischen Grundwerte und die Einbettung der Predigten in die traditionelle chinesische Kultur. Die Punktzahl war umso höher, je linientreuer die Predigt mit der sozialistischen Ideologie und je sinisierter sie war.
„Solche Predigten folgen nicht der Bibel, sondern sind durch menschliche Begehrlichkeiten verfälscht. Die Partei-Ideologie und die traditionelle Kultur drängen in die Kirchen hinein, damit wir langsam von unserem Glauben abdriften“, erklärte der Prediger.
Propagandaparolen ersetzen religiöse Symbole
Die Änderung der Symbole verstärkt die „Sinisierung“ der protestantischen Kirchen ebenfalls. Am 30. April wurde die chinesische Nationalflagge über dem Kreuz hinter dem Altar in der Xinzhuang-Kirche aufgehängt. Die chinesischen Schriftzeichen für „Immanuel“ wurden durch „Liebe dein Land, liebe deine Religion“ ersetzt und die chinesischen Schriftzeichen für „Liebe“, die an verschiedenen Stellen in der Kirche angebracht worden waren, wurden entfernt.
Die Kirchenwände sind jetzt mit Propagandapostern über chinesische Literatur, traditionelle Werte und patriotische Erziehung geschmückt. Die Parole „Liebe dein Land, liebe deine Religion und gehorche der Parteiführung“ wurde der Kirchendekoration beigefügt.
Entwestlichung der Kirchenarchitektur
Die Christliche Vereinigung und die Katholisch-Patriotische Vereinigung Chinas des Stadtbezirks Hualong (Stadt Puyang, Henan) scheinen besonders aktiv bei der Umsetzung der „Sinisierungspolitik“ zu sein. Sie starteten eine gemeinsam Initiative, um „Vier Vereinheitlichungen“-Maßnahmen zu treffen. Dazu gehören: uniforme Kleidung und Tracht, vereinheitlichte Predigttexte, vereinheitlichtes religiöses Bildmaterial (wie zum Beispiel Poster oder Drucke) und ein vereinheitlichter Architekturstil.
Um die Predigttexte zu vereinheitlichen, muss der Klerus die religiöse Lehre und den religiösen Kanon im Sinne der Normen der „Sinisierung“ neu interpretieren und im Rahmen der traditionellen chinesischen Kultur einen vereinheitlichten Mustertext verbreiten, wenn er die Bibel erörtert.
Was die „Vereinheitlichung des Architekturstils“ anbelangt, so versucht die Initiative, die Zahl der religiösen Symbole in den Andachtsstätten zu verringern. Die Beamten denken, dass die Gemeindemitglieder mehr mit der chinesischen Kultur konfrontiert werden sollten. Aus diesem Grund sollen den Kirchen chinesische Stilelement hinzugefügt werden, um das chinesische Gefühl der Gläubigen zu stärken. Beispiele für solche Elemente sind bunte Gemälde traditioneller chinesischer Gärten sowie Elemente der chinesischen Architektur wie traditionelle alte Fenster oder dougong (Konsolen aus ineinandergreifenden Hölzern, die zu den wichtigsten Elementen der traditionellen chinesischen Architektur gehören).
Im April ordnete das Büro für Religiöse Angelegenheiten des Kreises Yiyang (Stadt Luoyang, Henan) an, dass sämtliche europäisch anmutende Architekturelemente von den christlichen Kirchen entfernt und durch Elemente im chinesischen Stil ersetzt werden müssen.
„Mittlerweile wurden nicht nur Kreuze und europäisch anmutende Kirchtürme von den christlichen Kirchen entfernt, sondern sogar buddhistische und daoistische Tempel wurden auf diese Art zerstört – obwohl sie zu Religionen gehören, die der Staat fördert“, klagte ein lokaler Prediger. „Beamte in Zivil vom Staatsbüro für die Aufrechterhaltung der Stabilität haben sämtliche Dörfer für unangekündigte Inspektionen aufgesucht. Die Regierung hat eigens dafür ernannte Personen ausgesandt, um die Durchführung dieser Kampagne zur Kirchentransformation zu überprüfen und die Ergebnisse der Überprüfung an das Kreisbüro für Religiöse Angelegenheiten weiterzuleiten. Aktuell ist die Lage bedrohlicher als zu Zeiten der Kulturrevolution.“
Ähnliche Säuberungskampagnen gegen westliche Architekturelemente in Kirchen wurden in der Stadt Luoyang bereits früher in diesem Jahr durchgeführt.
Am 19. April besuchte der Direktor des Kreisbüros für Religiöse Angelegenheiten eine Drei Selbst-Kirche im Kreis Liuquan im Zuständigkeitsbereich der Stadt Luoyang. Er drohte damit, die Andachtsstätte zu schließen, wenn sie nicht entsprechend „berichtigt“ würde. Vier Tage später kamen Dorfbeamte mit sechs Arbeitern, die das Kreuz und die europäischen Stilelemente in der Gebäudearchitektur zerstörten. Die Arbeiter ersetzten in der Kirche auch 18 europäisch anmutende Fenster durch Fenster im chinesischen Stil.
Ungefähr zur gleichen Zeit erhielt auch eine Drei Selbst-Kirche in Jinping (einer Großgemeinde in dem Kreis) ein „Facelifting“. Der europäisch anmutende Kirchturm wurde entfernt und in der Mitte wurde ein fünfstrahliger Stern – ein kommunistisches Symbol – angebracht. An den Seiten sind nun außerdem die chinesischen Schriftzeichen für „Chinesische Tugenden“ und „Die Alten ehren, die Jungen schätzen“ zu lesen. Am Eingang wurde ein Schild mit der Aufschrift „Dienstleistungszentrum für Altenpflege“ aufgehängt.
„Mittlerweile wurden nicht nur Kreuze und europäisch anmutende Kirchtürme von den christlichen Kirchen entfernt, sondern sogar buddhistische und daoistische Tempel wurden auf diese Art zerstört – obwohl sie zu Religionen gehören, die der Staat fördert“, klagte ein lokaler Prediger. „Beamte in Zivil vom Staatsbüro für die Aufrechterhaltung der Stabilität haben sämtliche Dörfer für unangekündigte Inspektionen aufgesucht. Die Regierung hat eigens dafür ernannte Personen ausgesandt, um die Durchführung dieser Kampagne zur Kirchentransformation zu überprüfen und die Ergebnisse der Überprüfung an das Kreisbüro für Religiöse Angelegenheiten weiterzuleiten. Aktuell ist die Lage bedrohlicher als zu Zeiten der Kulturrevolution.“
Ähnliche Säuberungskampagnen gegen westliche Architekturelemente in Kirchen wurden in der Stadt Luoyang bereits früher in diesem Jahr durchgeführt.