Zerstöre die Untergrundstifte, kontrolliere die Inhalte der staatlich genehmigten Einrichtungen und schränke Studien im Ausland ein: Kontrolliere die Kirche, indem du den Klerus kontrollierst.
Die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) macht es den Menschen, die sich zum Priesteramt berufen fühlen, schwer. Für die Studenten wird der Besuch privater oder ausländischer Stifte eingeschränkt und die “offiziellen“ Bildungsinstitute unterliegen strenger ideologischer Kontrolle. Kritiker sagen, dass die KPCh “die Wurzeln anpackt“, um den religiösen Glauben auszurotten. Noch bevor er überhaupt an neue Gläubige weitergegeben werden kann.
Im Mai 2018 erhielt der Leiter des, im tibetischen Hochland in der Provinz Qinghai gelegenen, Endao International Seminary einen Insidertipp, dass die Lokalregierung vorhabe, das Stift zu zerstören. Er befürchtete das Schlimmste und brachte mehr als 40 Studenten und Pastoren so schnell wie möglich an einen anderen Ort. Am nächsten Tag wurde das Stift dem Erdboden gleichgemacht.
Kaufleute aus der Umgebung beschreiben, was sich zugetragen hat: Zusammen mit bewaffneten Polizisten beaufsichtigten Beamte der Büros für Stadtverwaltung und Öffentliche Sicherheit der Stadt Xining, wie ein Bagger das Stift zerstörte.
Das Endao International Seminary war ein Untergrund-Stift gewesen, d.h. es gehörte nicht zu den 21 staatlich genehmigten Schulen für protestantische Geistliche. Es war in Zusammenarbeit eines bekannten Predigers aus der Stadt Wenzhou (Provinz Zheijang) und einem bekannten Hongkonger Stift eingerichtet worden. In den vergangenen zehn Jahren wurden im Endao mehr als 100 Theologiestudenten aus Xinjiang, der Inneren Mongolei, Henan und anderen Gegenden ausgebildet.
Andere Untergrund-Stifte sehen sich unter dem gleichen Druck wie Endao. Eine Predigerin in der Stadt Fengzhen (Autonomes Gebiet Innere Mongolei) berichtete Bitter Winter, dass das von ihr gegründete Stift seit 2005 bereits zwei Mal geschlossen worden sei. Nach der ersten Schließung war sie mit dem Stift aus der Inneren Mongolei in die Nachbarprovinz Shanxi gezogen. Kurze Zeit später wurde das Stift leider wieder von der Regierung entdeckt und erneut geschlossen. Die beiden Schließungen führten zu direkten wirtschaftlichen Verlusten von über 1,8 Millionen RMB (ungefähr 234 000 EUR).
Schätzungen zufolge leben mindestens 60 Millionen Christen in China, von denen ungefähr die Hälfte inoffiziellen Kirchen oder Hauskirchen angehört. Trotz dieser großen Anzahl von Christen ist das Ausbildungssystem für Geistliche eingeschränkt. Die meisten Hauskirchen-Christen wollen nicht in offiziellen, staatlich genehmigten Stiften studieren, sondern entscheiden sich für ein Studium an Untergrund-Stiften wie dem Endao International Seminary. Nun unternimmt die Regierung jedoch Schritte zur Schließung dieser ungenehmigten theologischen Hochschulen.
Früher war es für die Hauskirchen-Christen das einfachste, heimlich nach Hongkong zu gehen und dort eine Ausbildung an einem Stift zu machen, um ihre Studien voranzutreiben. Besonders nachdem Hongkong 2003 das “Individualreisen“-Programm eingeführt hatte (das Reisenden aus 49 chinesischen Städten mit einem Visum die Einzeleinreise nach Hongkong und Macao ermöglichte), reisten Hauskirchen-Christen mit Touristenvisa für Kurzausbildungen in privaten Stiften nach Hongkong. Doch mittlerweile hat die Regierung auch diesen Weg versperrt.
Das Honkonger U-Beat Magazine berichtet, dass die Zahl der Theologiestudenten von chinesischen Hauskirchen in den Stiften in Hongkong in den vergangenen Jahren stark gesunken ist. Als Hauptgrund für diesen Rückgang benennen Beobachter die neue Vorschrift für Religionsangelegenheiten, die im Februar letzten Jahres eingeführt wurde. Das Gesetz legt fest, dass “nicht-religiöse Gruppen, Schulen und Aktivitätszentren“ für Staatsbürger keine Teilnahme an religiösen Schulungen im Ausland organisieren dürfen.
In dem Magazin wird Ying Fuk-Tsang, der Leiter der Divinity School of Chung Chi College an der Chinese University of Hong Kong zitiert, der davon ausgeht, dass die Vorschrift bewusst darauf ausgerichtet ist, Hauskirchenmitarbeiter von einem Theologiestudium im Ausland abzuhalten.
Während die privaten und ausländischen Hochschulen keine zukünftigen Geistlichen mehr ausbilden dürfen, werden die wenigen staatlich genehmigten Stifte, die es gibt, strengen Kontrollen unterworfen. Tatsächlich werden sie in Schulungszentren für Partei und Politik umgewandelt, wie Kritiker anmerken.
Ein Student des Northeast Theological Seminary, einem offiziellen Stift in der Stadt Shenyang in der nordöstlichen Provinz Liaoning berichtet Bitter Winter: “Jede Woche organisiert die Regierung Doktoranden, Postgraduierte und Angestellte der Vereinigten Arbeitsfront, die Vorlesungen für uns halten. Der Inhalt dieser Vorlesungen sind vor allem Politik, Literatur und internationale Nachrichten. Außerdem werden den Studenten Filme über den ‚Widerstandskampf gegen Japan‘ [den zweiten chinesisch-japanischen Krieg (1937-1945)] gezeigt. Die Schule bietet einen Kurs über ‚Die Sinisierung des Christentums‘ an, in dem die Studenten immer wieder mit einer ‚Liebe deine Partei, liebe dein Land‘-Ideologie indoktriniert werden.“
“Die KPCh ist sehr deutlich. Die Auflösung der Religion muss bei den Geistlichen beginnen,“ erklärt ein Theologiestudent an dem offiziell anerkannten Mount of Olives Seminary in der Stadt Harbin (Provinz Heilongjiang). “Besonders zynisch ist, dass die Regierung tatsächlich Polizisten zu uns geschickt hat, die uns erklären, wie wir falschen Glauben erkennen können. Es ist dermaßen lächerlich.“
Christen – besonders Christen von Hauskirchen – haben nur wenige Möglichkeiten, wenn sie eine Ausbildung zum Geistlichen machen möchten. Die zur Wahl stehenden Möglichkeiten wurden entweder ausgelöscht oder werden von den Behörden kontrolliert. Das Ziel der KPCh scheint es zu sein, “den religiösen Glauben im Keim zu ersticken“, indem sie die Ausbildung von Kirchenführern erschweren und kontrollieren.
Bericht von Zhou Hua