Henan hat es vorgemacht: Kampagnen zur Entfernung von Kreuzen, Schließung von Hauskirchen und das Umfunktionieren von religiösen Gebäuden – all das ist in Dutzenden Städten in ganz China dokumentiert.
Bitter Winter hat drastische Techniken der religiösen Verfolgung dokumentiert, die in der Provinz Henan im zentralen Tal des Gelben Flusses in China eingesetzt wurden. Dort wo die Zahl der Christen am höchsten ist: Kreuze wurden von Kirchen abgerissen, Namen von Gebäuden wurden geändert, um religiöse Hinweise zu entfernen und Hauskirchen wurden geschlossen.
Die Art der „Henan – Verfolgung“ scheint sich auch auf andere Regionen Chinas auszuweiten. Sogar von der Regierung kontrollierte Kirchen und Versammlungsstätten, welche der Drei Selbst Kirche angeschlossen und von ihr verwaltet werden, sind verfolgt. In der Vergangenheit durften diese Versammlungsorte existieren, ohne dass sie dazu als separate religiöse Einheit registriert werden mussten. Doch jetzt werden sie in großer Zahl von den Behörden geschlossen.
Seit August sind in Liaoning 58 Hauskirchen geschlossen worden. Bitter Winter liegen Berichte über 24 Schließungen in der Stadt Shenyang vor; je sieben in den Städten Anshan und Dandong; vier in der Stadt Liaoyang; je drei in den Städten Dalian und Panjin; jeweils zwei in den Städten Zhuanghe, Donggang, Haicheng und Tieling; und jeweils eine in den Städten Benxi und Fengcheng.
In den vergangenen vier Monaten hat Bitter Winter immer wieder Berichte erhalten, dass an mindestens 61 Versammlungsorten in der nördlichen Provinz Heilongjiang Kreuze entfernt wurden. Nicht einmal staatlich kontrollierte Drei-Selbst Kirchen blieben verschont. Die Berichte kommen aus mehr als 30 Städten und Bezirken, einschließlich der Städte Harbin, Daqing und Shuangyashan.
Zwischen Februar und November 2018 wurden auch an mindestens 80 Versammlungsorten in der nordöstlichen Provinz Liaoning Kreuze entfernt.
Im Januar 2019 ordneten Regierungsmitarbeiter an, das Kreuz, die Worte „Jesus Christus ist der König der Könige“ und andere religiöse Symbole in einer Drei-Selbst Kirche namens Bao’entang (wörtlich „Dankbarkeitshalle“) der Stadt Linyi in der Provinz Shandong zu entfernen.
Auch in der Provinz Jiangxi ist das Entfernen von Kreuzen in vollem Gang. Allein in der Stadt Xinyu dieser Provinz wurden in den letzten Monaten Kreuze von über 20 Kirchen entfernt und zerstört.
Henans Kampagne zur Zerstörung religiöser Symbole in den Häusern von Gläubigen wurde auch in anderen Provinzen wiederholt. Die Provinz Anhui, von Schanghai aus im Landesinneren, hat die zweitgrößte Anzahl an Christen des Landes. Und überall in der Provinz, vor allem in den Städten Fuyang und Lu’an, haben Mitarbeiter der Kommunalregierung in den Häusern der Christen religiöse Bilder von den Wänden gerissen und stattdessen Porträts von Xi Jinping aufgehängt. Die Unterhaltsbeihilfen von all jenen wurden gestrichen, die weiterhin an ihrem Glauben festhalten.
“Ist man zum Überleben auf die Unterstützung der Kommunistischen Partei angewiesen, kann man nicht an Jesus glauben,“ waren die Worte der Beamten aus Fuzhou, Yingtan und Shangrao in der Provinz Jiangxi, mit denen sie Familien mit geringem Einkommen, die auf staatliche Beihilfen angewiesen waren, drohten.
Auch Geschäfte leiden unter der gewaltsamen Vernichtung religiöser Symbole: Im Dezember 2018 wurde u.a. das Schild des Restaurants „Lord’s Grace Noodle House“ in der Stadt Lingshanwei im Zuständigkeitsbereich der Stadt Qingdao in der Provinz Shandong entfernt – zusammen mit Schriftzeichen und Gemälden, die mit dem christlichen Glauben zu tun haben.
Die Provinz Henan war auch Vorreiter beim Umfunktionieren religiöser Versammlungsorte für den weltlichen Gebrauch – eine Vorgehensweise, die sich rasch verbreitet. Eine Hauskirche in der Stadt Linfen der Provinz Shanxi wurde in eine Zweigstelle der Partei umgewandelt. Das Kreuz auf dem Kirchendach wurde abgerissen und die Schriftfahnen mit Bibelversen in der Kirche wurden durch die Verfassung und die Verordnungen der Partei ersetzt. Das Spruchband mit christlichem Inhalt am Haupteingang der Kirche wurde zerstört und durch ein Schild mit der Aufschrift „Partei-Zweigstelle des Dorfes Wumo der Stadt Jindian“ ersetzt.
Am 25. Oktober wurde das Kreuz aus einer Drei-Selbst Kirche des Dorfes Yunwan in der Stadt Shangrao der Provinz Jiangxi entfernt und durch ein Schild mit der Aufschrift „Veranstaltungsort des Dorfes Yunwan“ ersetzt. Regierungsvertreter behaupteten, dass die Kirche umfunktioniert worden sei, weil sie zu nahe am Dorfkomitee lag, und dass die politischen Richtlinien Kirchen in der Nähe von Dorfkomitees, Schulen und Überlandstraßen verbieten. Kurz zuvor im September wurde das Kreuz einer anderen Drei-Selbst Kirche, die sich gegenüber dem Komitee des Dorfes Paitou der Provinz Jiangxi befindet, entfernt. Einen Monat später prangte dort dann das Schild „Veranstaltungszentrum“.
Inzwischen ist die Drei-Selbst Kirche im Dorf Tujia in einen „ländlichen Lesesaal“ umfunktioniert worden und ist dabei nur knapp dem Komplettabriss entronnen. Inspektoren der Kommunalregierung erklärten die Gemeinde zu einem „verarmten Dorf“. Sie sagten, dass die Kirche im Vergleich zu den übrigen Gebäuden so gut gebaut sei, dass sie abgerissen werden müsse. Um das zu verhindern, willigten die Gläubigen ein, sie in einen „ländlichen Lesesaal“ umzufunktionieren.
Bericht von Tang Zhe und Zhou Hua