Vor Läden und Fabriken müssen Schilder mit Propagandaparolen aufgestellt werden. Kindergartenkinder und Grundschüler müssen einen Eid ablegen, dass sie der Partei folgen.
von Wang Yichi
Spruchbänder und Plakate aller Art und Größe, auf denen die kommunistische Partei verherrlicht wird, überfluten die Straßen der chinesischen Städte und Dörfer. Im Rahmen einer Kampagne zur Indoktrination der Bevölkerung verpflichten die lokalen Behörden Unternehmen und Institutionen dazu, Propaganda zur Schau zu stellen. Neben der Nationalflagge wird am häufigsten die Botschaft: „Liebe die Partei, folge der Partei“ gezeigt. Die Verpflichtung, die Liebe zur Regierung zur Schau zu stellen und die rasante Vermehrung solcher Installationen hat unter der Bevölkerung zu weitverbreitetem Unmut geführt.
Befehl zu Liebe und Gehorsam
Seit Beginn dieses Jahres verlangen zahlreiche Gemeindeverwaltungen im Zuständigkeitsbereich der Stadt Gongyi in der Zentralprovinz Henan, dass sämtliche Geschäfte, Wohngebiete, Schulen, Tankstellen, Tempel und andere öffentliche Versammlungsstätten Propagandaträger mit der Aufschrift „Gehorche der Partei, folge der Partei“ anbringen.
„Die Regierung verlangt von uns, diese Propagandaträger anzubringen. Unsere Fabrik hat allein für deren Installation 2800 Renminbi (ungefähr 365 EUR) ausgegeben. Jede Fabrik muss etwas derartiges anbringen“, erklärte der Besitzer einer lokalen Produktionsstätte.
Die Umsetzung dieser Vorschrift ist nicht verhandelbar – wer sich ihr widersetzt wird bestraft. Mitte Mai haben die Behörden in einer der Großgemeinden im Zuständigkeitsbereich von Gongyi einem Fabrikdirektor Vorwürfe gemacht, weil dieser nicht rechtzeitig Propagandaträger angebracht hatte. Er musste danach 6000 Renminbi (ungefähr 780 EUR) ausgeben, um zwei LED-Schilder vor seinem Unternehmen anzubringen, auf denen „Gehorche der Partei, folge der Partei“ zu lesen war.
„Seit Xi Jinping an die Macht gekommen ist, hat er die Gesellschaft ins Chaos geführt. Er muss nur etwas sagen und schon muss die Fabrik sinnlos mehrere Tausend Renminbi ausgeben“, beschwert sich einer der Fabrikarbeiter. „Wenn wir diese Schilder nicht anbringen, wird die Regierung aus irgendwelchen Gründen die Produktion in der Fabrik lahmlegen – zum Beispiel wegen „unzureichender Umweltschutzmaßnahmen.“
Angesichts Dutzender omnipräsenter Propagandaparolen und Propagandainstallationen an jeder Straßenecke haben die Bewohner der Großgemeinde Huiguo in Gongyi ein kurzes Spottlied über die totalitäre KPCh-Regierung gedichtet: „Gehorche der Partei, folge der Partei, wenn du der Partei nicht folgst, wirst du verhaftet.“
Unternehmen bedroht, weil sie die Flagge nicht hissen
Im April wies die Stadtregierung von Xinmi in Henan alle Ladenbesitzer an, die chinesische Flagge vor ihren Geschäften zu hissen. Dies geschah im Rahmen der Initiative zur „Schaffung einer zivilisierten Stadt“.
Ein Regierungsinsider berichtete, dass der Grund für diese Initiative darin bestünde, dass „die Kommunistische Partei an erste Stelle“ gesetzt und „der Patriotismus der Stadtbewohner gestärkt“ werden solle.
Im darauffolgenden Monat brachten Beamte eines der Nachbarschaftskomitees in der Stadt drei Arbeiter zu einem lokalen Markt. Diese sollten dort vor jedem Geschäft eine Nationalflagge hissen.
„Wenn Sie keine Flagge haben, wird Ihr Laden geschlossen“, schrie der Leiter des Nachbarschaftskomitees einen Ladenbesitzer an. Kurz darauf hissten die Arbeiter die Nationalflagge vor dessen Geschäft. Der Ladenbesitzer bemerkte dazu sarkastisch: „Ob das Hissen der Nationalflagge die Stadt wohl wirklich zivilisiert machen wird?“
Aus Angst davor, dass die Behörden ihre Geschäfte schließen könnten, sahen sich alle Ladenbesitzer gezwungen, die Nationalflagge vor ihren Läden zu hissen. Einer von ihnen meinte, dass die Kommunistische Partei immer das letzte Wort habe – wer sich dem widersetze, müsse die Konsequenzen tragen.
Insider berichteten, dass die „Zivilisierte Stadt“-Initiative auch Maßnahmen zur Unterdrückung der Religion umfasst. Hierfür wurde in jedem Nachbarschaftskomitee eine Sondergruppe eingerichtet.
Kinder legen einen Eid ab, dass sie die Partei lieben werden
Ende Mai organisierten 16 Gemeinden im Kreis Anle in der südöstlichen Provinz Jiangxi eine Bildungsveranstaltung unter dem Motto: „Gehorche der Partei, sei der Partei dankbar, folge der Partei“. Eine der Hauptbotschaften der Veranstaltung war, dass verhindert werden solle, dass Religion in den Schulen und den Häusern der Menschen Einzug hält.
Eltern von Grund- und Volksschülern im Kreis berichteten, dass Kinder einen Eid zur „tiefen Liebe für die Kommunistische Partei Chinas“ auswendig lernen und aufsagen mussten. Den Kindern wurde beigebracht, dass sie „bereit sein müssten, ihren Beitrag zum Kommunismus zu leisten“. Schüler, die sich den Eid nicht auswendig merken konnten, wurden dazu gezwungen, ihn zur Strafe zehn Mal handschriftlich abzuschreiben.
Ein Vater eines Erstklässlers erklärte, dass sein Sohn nach der Veranstaltung sehr verzweifelt gewesen sei, weil er sich nicht den vollständigen Text des Eides hatte merken können – dieser hatte zu viele chinesische Schriftzeichen enthalten, die der Junge noch gar nicht kannte. Außerdem hatte das Kind die Bedeutung der Worte nicht verstanden. Die Eltern fanden es verstörend, dass die Regierung so kleinen Kindern politische Indoktrination aufzwingt.
Manche Grundschulen und Kindergärten im Kreis organisierten auch Kunst- und Kulturveranstaltungen anlässlich der Feierlichkeiten zum Kindertag Ende Mai und Anfang Juni. Das häufigste Motto, das für diese Events gewählt wurde, lautete: „Kinderherzen wenden sich der Partei zu. Sie streben danach, gute Kinder in der neuen Ära zu werden.“ Die Kinder wurden auch dazu gezwungen, ihren Namen unter ein Anti-Religion-Spruchband zu setzen, auf dem stand: „Ehre die Wissenschaft, widersetze dich den xie jiao.”
Video: Kindergartenkinder führen ein Programm auf, in dem sie der Kommunistischen Partei Treue schwören.