Im Rahmen der “Operation ‚An den Türen klopfen’“ werden Beamte ausgesandt, um Gläubige unter falschem Vorwand zu fotografieren. Dies ist Teil eines umfassenderen Überwachungssystems, mit dem jeder Winkel nach Religiösem durchsucht werden soll.
Li, eine Angehörige der Kirche des Allmächtigen Gottes (KAG), lebt in einem Dorf im Zuständigkeitsbereich der Stadt Zhangzhou in Chinas südöstlicher Küstenprovinz Fujian. An einem Tag im Juli 2018 kam der Vorstand des Dorfes zu Li Juan. Ihre Familie war gerade damit beschäftigt, Vorbereitungen für eine Beerdigung zu treffen. Sie wurde gefragt, ob sie in letzter Zeit an irgendwelchen Kirchenversammlungen teilgenommen habe.
Bei Lis Befragung verhielt sich der Dorfvorstand ausgesprochen seltsam und hatte ununterbrochen sein Mobiltelefon auf sie gerichtet.
Im Rahmen der “Operation ‚An den Türen klopfen’“ werden Beamte ausgesandt, um Gläubige unter falschem Vorwand zu fotografieren. Dies ist Teil eines umfassenderen Überwachungssystems, mit dem jeder Winkel nach Religiösem durchsucht werden soll.
Li, eine Angehörige der Kirche des Allmächtigen Gottes (KAG), lebt in einem Dorf im Zuständigkeitsbereich der Stadt Zhangzhou in Chinas südöstlicher Küstenprovinz Fujian. An einem Tag im Juli 2018 kam der Vorstand des Dorfes zu Li Juan. Ihre Familie war gerade damit beschäftigt, Vorbereitungen für eine Beerdigung zu treffen. Sie wurde gefragt, ob sie in letzter Zeit an irgendwelchen Kirchenversammlungen teilgenommen habe.
Bei Lis Befragung verhielt sich der Dorfvorstand ausgesprochen seltsam und hatte ununterbrochen sein Mobiltelefon auf sie gerichtet.
Ungefähr zehn Minuten nachdem der Dorfvorstand gegangen war, kam ein Nachbar zu Li und meinte widerwillig: “Der Dorfvorstand hat mich gerade angerufen und gebeten, Fotos von dir zu machen, weil die Fotos, die er gemacht hat nicht scharf geworden sind. Warum will er Fotos von dir machen?“
Li Juan war überrascht, weil dies das erste Mal gewesen war, dass sie befragt und fotografiert wurde. Seit sie im Juni 2016 wegen ihres Glaubens festgenommen und inhaftiert worden war, war sie immer wieder zahlreichen Untersuchungen unterzogen worden. Weil sie so deutlich ins Visier genommen wurde, hörte sie damit auf, religiöse Versammlungen zu besuchen. Sie hatte Angst, ihre Glaubensgenossen in Schwierigkeiten zu bringen.
Die außerordentliche Maßnahme, Menschen in ihrem eigenen Haus zu fotografieren, ist Teil einer größeren Kampagne, die sich “Operation ‚An den Türen klopfen’“ nennt. In diesem Rahmen werden Angehörige von Organisationen überwacht, die auf die xie jiao-Liste gesetzt wurden. Bitter Winter hat zahlreiche Berichte über Mitglieder solcher Religionsgruppen aus ganz China erhalten. Von jenen, die von Regierungsangestellten fotografiert und befragt wurden. Manche Beamte kommen zu den Leuten und bringen Flugblätter mit Propaganda mit, auf denen für die Kampagne zur “Säuberung der Bandenkriminalität und Ausrottung des Übels“ geworben wird – eine weitere landesweite Kampagne, die „vorgegeben“ dazu dient, gegen das organisierte Verbrechen vorzugehen, doch in Wirklichkeit gegen religiöse Menschen gerichtet ist. Manchmal verschaffen sich Beamte gewaltsam Zugang zu einem Haushalt und fotografieren die Gläubigen und ihr Haus unter dem Vorwand, dies diene dem “Schutz der Mehrheit“. Um in die Wohnungen zu gelangen und Fotos zu machen, behaupten manche Beamte, sie seien gekommen, um einen Eintrag der betreffenden Person im Strafregister zu löschen, oder Hygieneinspektionen durchzuführen.
Die “Operation ‚An den Türen klopfen’“ wurde Anfang 2017 landesweit gestartet. In ihrem Rahmen wurden umfassende Schleppnetzfahndungen gegen Mitglieder religiöser Gruppen durchgeführt. Ziel der Operation ist es, Informationen über das “Personal“ und die Aktivitäten religiöser Gruppen zu sammeln, die als xie jiao eingestuft werden, und ein Überwachungsnetzwerk für jeden Gläubigen zu erstellen.
Bitter Winter hat ein internes Dokument mit dem Titel „Detaillierte Richtlinien für das Büro für Öffentliche Sicherheit zur Umsetzung der “Operation ‚An den Türen klopfen’“ einer Behörde für Öffentliche Sicherheit in der Provinz Hebei im Nordosten Chinas erhalten. Das Dokument zeigt, mit welchen Methoden genau die Operation umgesetzt wird.
Während jeder Untersuchung müssen insgesamt fünf Fotos pro untersuchter Person gemacht werden: Ein Foto mit der Vorderansicht der Person, eines vom Eingangstor außerhalb des Hauses, eines vom Wohnungseingang, eines von der Innengestaltung des Hauses und eines von typischen Gegenständen im Haus. Der gesamte Prozess des Fotografierens muss auf Video festgehalten werden. Alle Fotos und Videoaufnahmen müssen in dafür vorgesehenen Computern gespeichert werden, die dem Inlandsbüro für Öffentliche Sicherheit gehören.
In dem Dokument wird eine strikte Geheimhaltung der Operation gefordert, unter anderem dürfen Name, Zweck und Inhalt der “Operation ‚An den Türen klopfen’“ nicht an die Öffentlichkeit gelangen. Die Ermittler werden auch angewiesen, in den Haushalten nach Gegenständen, Computern, Druckern, MODs und ähnlichen Vorrichtungen zu suchen, die dazu verwendet werden, den religiösen Glauben zu verbreiten. Werden solche Vorrichtungen gefunden, müssen weitere Ermittlungen folgen und Videoaufnahmen davon gemacht werden.
Insider aus der Behörde für Öffentliche Sicherheit berichten, dass Gläubige, nachdem diese ersten Fotos und Informationen gespeichert wurden, unter umfassende Rund-um-die-Uhr-Überwachung gestellt werden. Dies im Rahmen der Projekte “Sharp Eyes“ und “Skynet“ sowie weiterer ausgeklügelter elektronischer Überwachungssysteme.
Die Reichweite der Operation ist so umfassend, dass selbst Gläubige, die vor über 20 Jahren festgenommen wurden, untersucht werden können. Huang ist ein Angehöriger der Mentuhui (Apostelgemeinschaft) und lebt in einem Kreis der Stadt Xiaogan in der Provinz Hubei. Im März 2018 wurde Huang von der Polizei befragt und fotografiert – 22 Jahre nachdem er 1996 wegen seines Glaubens an Gott festgenommen worden war.
Huang war überrascht: “Ich dachte, dass ein Fall, der über 20 Jahre zurückliegt, zu den Akten gelegt wird. Ich hätte niemals erwartet, dass ich als gefährliche Person betrachtet und befragt werden würde. Es scheint so, als würde sich die Regierung mehr Sorgen wegen derjenigen machen, die an Gott glauben, als wegen der schlimmsten landesweit gesuchten Verbrecher.“
Weil er befürchtete, jederzeit verhaftet werden zu können, beschloss Huang sein Haus zu verlassen und in einem anderen Teil des Landes zu arbeiten. Vielen anderen Gläubigen ergeht es ähnlich. Manche beschließen, keine Gottesdienste mehr zu besuchen, weil sie so häufig von den Behörden schikaniert werden. Andere tauchen unter, weil sie Angst vor einer Festnahme haben.
Im Rahmen der “Operation ‚An den Türen klopfen’“ führen viele Lokalregierungen nach den ersten Untersuchungen weitere Überwachungsmaßnahmen durch.
Im April 2018 brachte die Führungsgruppe für die Prävention von und den Umgang mit xie jiao (das sogenannte Büro 610) eines lokalen Kreiskomitees der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) in der Provinz Hebei ein Dokument heraus, das den Titel trug: Benachrichtigung zur guten Umsetzung der Schlüsselaufgaben für die aktuelle Prävention von und den Umgang mit xie jiao. In dem Dokument wird verlangt, dass die “Operation Rückschau“ durchgeführt werden soll, um festzustellen und nachzuholen, was während der “Operation ‚An den Türen klopfen’“ versäumt worden ist. Dabei sollen weitere Überwachungen von Mitgliedern von Falun Gong, der KAG und anderen als xie jiao eingestuften religiösen Gruppen durchgeführt werden. Das Dokument ruft weiterhin dazu auf, “die täglichen Kontrollmaßnahmen in Bezug auf Schlüsselpersonen“ innerhalb dieser Gruppen “umfassend zu stärken“ und sicherzustellen, dass diese rund um die Uhr überwacht werden. Außerdem müssen die Bewegungen der Kirchenmitglieder streng überwacht und so viel interne Informationen wie möglich gesammelt werden. Wenn eine Schlüsselperson “außer Kontrolle“ gerät, werden die Zuständigen dafür zur vollen Verantwortung gezogen.
Ähnliche Vorschriften finden sich in Dokumenten aus den Provinzen Liaoning, Henan und weiteren. In einem Dokument, das im November 2018 von einem Kreiskomitee für Politische und Rechtliche Angelegenheiten in Liaoning herausgegeben wurde, wird verlangt, dass die “Operation ‚An den Türen klopfen’“ und die “Operation Rückschau“ gefördert werden. Zudem wird dazu aufgerufen, nach geflohenen und verschwundenen Personen zu ermitteln. Gegen Personen, gegen die bislang noch nicht in ihrem Haus ermittelt wurde, müssen “zusätzliche Türe klopfen“-Maßnahmen ergriffen werden. Für diejenigen, die bislang noch nicht in den Datenbanken erfasst wurden, müssen “zusätzliche Datenerfassungsmaßnahmen“ durchgeführt werden, um sicherzustellen, dass nichts übersehen wird und dass die Schlüsselpersonen der xie jiao gründlich untersucht wurden.
(Alle Namen im Artikel wurden von der Redaktion geändert.)
Bericht von Yang Xiangwen