Während überall im Land religiöse Skulpturen und andere religiöse Symbole zerstört werden, harren die Statuen des Vorsitzenden Mao hoch aufgerichtet der Huldigung durch das Volk.
von Xin Lu
Die unzähligen Mao Zedong-Statuen, die während der Kulturrevolution überall in China aus dem Boden schossen, waren Teil von Maos Persönlichkeitskult. Im neuen kommunistischen China scheint die „Mao-Verehrung“ wieder hoch im Kurs zu stehen: Erneut werden anstelle buddhistischer oder daoistischer Gottheiten Statuen des Vorsitzenden Mao errichtet.
„Einfach toll!“ – Ungenehmigte Mao Zedong-Tempel im Aufwind
Im Heiligen Land des Daoismus im Kreis Jia in der Zentralprovinz Henan steht an einer der beiden Straßen, die auf den Gipfel des Lotos-Berges führen eine „Mao Zedong-Gedenkhalle“. Beim Betreten der Halle fällt der Blick unmittelbar auf eine goldgestrichene Statue des Vorsitzenden Mao; neben der Figur befinden sich Gebetsteppiche, Räuchergefäße und eine Spendenbox.
Wenn man 122 Schritte auf der anderen Straße entlanggeht, stößt man auf einen Tempel, der Mao Zedong gewidmet ist. In alle Richtungen steigt Rauch aus dem Räuchergefäß auf. Scharen von Pilgern kommen herbei, um sich hier niederzuwerfen und zu lobpreisen. Sogar Minderjährigen ist der Zutritt – anders als in anderen Andachtsstätten in China – erlaubt.
„Mittlerweile wurden zahlreiche genehmigte Tempel geschlossen und zerstört – aber diese beiden ungenehmigten Mao Zedong-Tempel dürfen immer noch den Fuß des Lotos-Berges bewachen – einfach toll!“, meinte ein Dorfbewohner spöttisch.
An einem anderen Ort – in der in Henan gelegenen Stadt Shangqiu – steht eine Statue von Mao Zedong auf einem öffentlichen Platz. Anwohner berichteten, dass am 1. und am 15. Tag jedes Mondmonats zahlreiche Einheimische kommen, um ihn zu lobpreisen. Selbst an normalen Tagen kommen Menschen zu dem Platz, um Räucherwerk zu verbrennen.
Video: Am 26. Dezember 2018, dem 125. Geburtstag von Mao Zedong, war der Platz voller Menschen, die an der Huldigung Maos teilnahmen.
Der Platz liegt in einer ausgesprochen belebten Gegend. Anders als bei anderen öffentlichen Plätzen oder Landschaftsschutzgebieten hat die Regierung weder angeordnet, dass die Freiluftstatue zerstört werden muss, noch hat sie religiöse Aktivitäten dort verboten. Im Gegenteil: Es scheint, als würde alles dort mit dem schweigenden Einverständnis der Regierung organisiert werden – häufig kommen sogar Polizeibeamte, um den Verkehr zu regeln oder um für Ordnung auf dem Platz zu sorgen.
Auch KPCh-Mitglieder und Regierungsbeamte nehmen aktiv an der Huldigung Mao Zedongs teil. Am 8. August wurde in einer Mao Zedong-Gedenkhalle im Stadtbezirk Liangyuan in der Stadt Shangqiu eine Feier veranstaltet. Zu dieser Gelegenheit kam der Sekretär des Parteikomitees der Provinz zusammen mit 100 Beamten niedrigeren Ranges und Dorfbewohnern zur Gedenkhalle. Sie versammelten sich vor der Mao Zedong-Statue, verbrannten Räucherwerk und Papieropfer und knieten sich zur Andacht nieder. Es war ein rührender Anblick.
„Mittlerweile haben die gesamte Partei und das Militär überall im Land unter der Führung Xi Jinpings damit begonnen, die ‚Zehn großen Marschälle‚ zu verehren. Mao Zedong, Zhou Enlai [(1898-1976), der erste Premierminister der Volksrepublik China] und Zhu De [(1886-1976), ein General und einer der KPCh-Pioniere] sind bereits zu Göttern avanciert“, erklärte ein Regierungsbeamter.
Das ländliche China wird von Statuen des Vorsitzenden Mao durchdrungen
Seit Präsident Xi Jinping an die Macht gekommen ist, hat er jeden Aspekt des Personenkults um den Vorsitzenden Mao für sich übernommen. Gleichzeitig unterstützt er weiterhin das „Mao-Kult-Fieber“.
2016 wurde eine fast fertiggestellte Mao-Statue im Dorf Zhushigang in Henan zerstört, nachdem im Internet massiv Kritik an der Extravaganz der fast elf Meter hohen Goldstatue laut geworden war, die für circa drei Millionen Renminbi (ungefähr 390 000 Euro) in dem verarmten ländlichen Gebiet erbaut werden sollte.
Doch die Zerstörung dämpfte den Eifer der lokalen Beamten nicht: Sie ließen weiterhin überall in Henan Gedenkmonumente für den Vorsitzenden Mao errichten.
Am 15. und 16. August wurden in zwei Dörfern im Stadtbereich Liangyuan in der Stadt Shangqiu Mao Zedong-Statuen enthüllt. Die Dorfbewohner erhoben die Arme und riefen mit geballten Fäusten „Lang lebe der Vorsitzende Mao!“
Video: Bei der Einweihungszeremonie einer Mao-Statue reckten die Dorfbewohner die Arme in die Luft und riefen: “Lang lebe der Vorsitzende Mao!”
Mao wird zur „Schutzgottheit“
Nachdem Beamte des Büros für Religiöse Angelegenheiten wiederholt das Verbrennen von Räucherwerk und das Beten in einem daoistischen Tempel in der Stadt Shangqiu verboten hatten, beschlossen die Tempelleiter eine Statue von Mao Zedong aufzustellen. Eine lokale Quelle berichtete, dass die Inspektionsteams daraufhin ihre Schikanen eingestellt hätten und keinen Anstoß daran nehmen würden, wenn die Menschen einer Mao-Statue Opfer darbieten.
Um ihre Andachtsstätten zu erhalten, haben zahlreiche weitere Tempel Statuen von Mao Zedong und anderen Führern des kommunistischen Chinas errichtet.
„Mittlerweile ist es so, dass die Regierung einen Tempel zur xie jiao erklärt, wenn sich dort keine Statue von Mao Zedong oder eine chinesische Flagge befindet“, erklärte ein Tempelbesitzer.
Zhao Dagong, einer der Unterzeichner der „Charta 08“ – einer Petition aus dem Jahr 2008, in der chinesische Bürgerrechtsaktivisten mehr Menschenrechte und demokratische Freiheiten in China forderten – schrieb in einem Artikel: „Was die drei schlimmsten Dämonen des vergangenen Jahrhunderts anbelangt, so haben sich die Deutschen schon vor langer Zeit von Hitler abgewandt, die Kommunistische Partei der Sowjetunion hat Stalin verurteilt – nur der Geist Mao Zedongs sucht China immer noch heim.“